Ausstellung "Chic!" in Darmstadt

Das trugen die Kölner im 17. Jahrhundert

Darmstädter Ausstellung "CHIC!"
Ein Wams mit Spitzenbesatz, um 1660, in der Darmstädter Ausstellung "CHIC! Mode im 17. Jahrhundert". © Foto: Wolfgang Fuhrmannek/Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Von Ludger Fittkau · 15.07.2016
Der Kölner Baron von Hüpsch vermachte einst dem Landgrafen von Hessen einen Textilschatz: Wämse und Oberröcke aus dem 17. Jahrhundert. Mit dem Zweiten Weltkrieg verschwand die Sammlung. Jetzt ist sie in Darmstadt in der Ausstellung "Chic!" zu sehen.
Das Auge muss sich erst einmal an die Dunkelheit im Ausstellungsraum gewöhnen. Die teilweise fast vierhundert Jahre alten roten, schwarzen oder beigen Kostümoberteile von Bürgerinnen und Bürgern aus Köln vertragen nur wenig Licht. Doch mottenzerfressen, wie man denken könnte, sind die die seidenen Wämser, Mieder und Oberröcke nicht, die zwischen 1610 und 1680 entstanden sind. Wolfgang Glüber, Oberkustos des Hessischen Landesmuseums Darmstadt:
"Nein, mottenzerfressen war es glücklicherweise nicht, weil die Sachen natürlich ordentlich gelagert waren. Aber nach über 300 Jahren ist natürlich ein Zerfallsprozess da. Die Sachen sind heikel, die waren immer ausgestellt bis zum zweiten Weltkrieg und ohne eine umfangreiche Restaurierung in der Abegg-Stiftung in der Schweiz, einem der weltweit führenden Institute für Textilrestaurierung wäre das nicht möglich gewesen, diese Stücke zu erhalten. Das hat über zehn Jahre gedauert."

Kleidungsstücke bürgerlicher Einwohner

Doch es hat sich gelohnt. Die frisch restaurierten Kostümoberteile in den Vitrinen stehen nun in der Darmstädter Ausstellung in einem Dialog mit Öl-Gemälden an den Wänden, die Kölner Bürgerinnen und Bürger des 17. Jahrhunderts in ihrer damaligen Kleidung zeigen. Das Besondere der Darmstädter Sammlung: Es sind ausschließlich Kleidungsstücke bürgerlicher Einwohner Kölns, nicht des Adels. Das gibt es weltweit für die frühe Neuzeit wohl kein zweites Mal. Wolfgang Glüber:
"Bürgerliche Mode war reglementiert. Es gab Kleiderordnungen für verschiedene Stände. Beispielsweise durfte nur der Adel oder das Patriziat Brokat oder Samt tragen und den Bürgersleuten war dann Seide vorbehalten. Von der Formgebung her unterscheiden sie sich nicht von den Kostümen, die der Adel trug, aber eben die Materialien und bestimmte Dekorationen, die eben im Bürgertum nicht vorkamen."
Der textilbezogene Blick des Kölner Bürgertums des 17. Jahrhunderts ging nach Westen, nach Flandern und in die Niederlande. Dort lebte zu dieser Zeit das wohl selbstbewussteste Bürgertum Europas. Gerade die farbenfrohen Gewänder der jungen Kölner hatten ihr Modevorbild in den Niederlanden. In der Ausstellung wird das besonders an einem Kostümteil von 1610 deutlich, an einem Vorläufer der Weste:
"Das ist unser frühestes Wams mit einem wunderschönen kräftigen Rot. Es gab damals bereits Unterschiede zwischen dem, was Jugendliche getragen haben und Erwachsene getragen haben. Es gab so eine Jugendmode. Die Jugend durfte Farbe tragen. Die älteren Herrschaften oder die, die ein bisschen standesbewusster waren, haben in dieser Zeit schwarz und weiß getragen. Deswegen hier ein paar dieser Stücke, die von sehr jungen Männern stammen, die farbenfroher sind."

"Obergewand mit sensationell geschnittener Rückenfront"

Farblich etwas dezenter ist ein Kleidungsstück einer erwachsenen Frau, das sich gleich zweimal in der Ausstellung findet: Einmal im Original in einer Vitrine und gleichzeitig auf einem Frauenportrait an der Wand, einer Leihgabe aus dem Kölner Wallraff-Richartz-Museum. Das Gemälde stammt von Gottfried von Wedig und zeigt die selbstbewusste Kölner Bürgerin Magdalena Stroe – eine Frau um die vierzig. Wolfgang Glüber deutet in der Vitrine unter dem Gemälde auf das Obergewand, das in den 1630er-Jahren mit der damaligen französischen Mode an den Rhein kam:
"Nämlich die sogenannte 'robe'. Das war ein Obergewand mit einer sensationell geschnittenen Rückenfront, die fast dreieckig war, eine wunderbare, völlig neue Silhouette in die Mode einführte. Und wir haben ein Gemälde aus Köln, das eine Kölner Bürgerin zeigt, porträtiert im Jahr 1631, und die trägt identisch das, was wir im Original haben. Die Übereinstimmungen sind so groß, in der Malerei und im Original, wie die Stücke gearbeitet sind, dass wir hier einen der ganz, ganz wenigen Fälle vermuten, wo wir tatsächlich auch wissen, wie die Besitzerin des Kostüms ausgesehen hat. Und das ist ziemlich selten."
Genau diese Verbindung zwischen Gemälden und Textilien ist der Darmstädter Ausstellung überzeugend gelungen. Damit entsteht ein facettenreiches Gesamtbild bürgerlicher Mode im Europa des 17. Jahrhunderts. Eine Mode, die sich im Laufe dieses Jahrhundert aber auch etwa alle fünfundzwanzig Jahre wandelte, betont Wolfgang Glüber.
"Es ist ganz interessant, dass sich die Kostümgeschichte um den Begriff Mode immer so ein bisschen herumdrückt. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass jemand, wenn er etwas Neues – beispielsweise in Köln, wo die Wämser und Mieder herkamen, trug – irgendeinen neuen Einfluss, der vielleicht aus Paris kam dass das durchaus als etwas Besonderes und eben der Mode entsprechend wahrgenommen wurde."
Warum sollte des 17. Jahrhundert auch weniger modebewusst gewesen sein als das 21. Jahrhundert? Die empfehlenswerte Darmstädter Ausstellung zeigt: Auch vor 400 Jahren machten Kleider Leute – wenn dem Bürgertum auch der Samt noch verweht war. Die Seide war schon mal ein Anfang.

Die Ausstellung "CHIC! Mode im 17. Jahrhundert" ist noch bis zum 16. Oktober in Darmstadt zu sehen.