Ausländische Auszubildende in Thüringen

Gastronomie-Nachwuchs aus Marokko und Vietnam

Der marokkanische Gastronomie-Azubi Anas Aniba lernt im "GolfResort" im thüringischen Blankenhain und ist mit viel Enthusiasmus bei der Sache.
Der marokkanische Gastronomie-Azubi Anas Aniba lernt im "GolfResort" im thüringischen Blankenhain und ist mit viel Enthusiasmus bei der Sache. © Deutschlandradio/Henry Bernhard
Von Henry Bernhard · 04.01.2019
Auszubildende händeringend gesucht - das gilt vor allem für den Osten der Republik. Thüringens Gastronomie hat deshalb in großem Stil junge Ausländer rekrutiert. Aber fühlen die sich in Deutschland wohl? Eine Begegnung im "GolfResort" Blankenhain.
Eine Restaurantküche am Nachmittag. Der Lüfter brummt, in einer Pfanne brutzeln Croutons. Anas Aniba zerlegt Enten.
"Ich pariere die Ente hier. Jetzt kommen viele Veranstaltungen, wir machen die Vorbereitungen. Da kommt noch viel."
- "Da hast du hier den Knochen. Wenn du hier einschneidest …" - Sous-Chef, Danny Schwabe, zeigt dem Lehrling, wie er den Knochen auslöst - "…und da unten langgehst, dann hast du nur das Fleisch. Hast du gehört, jetzt hast du den Knochen!?"
Die Gelenke knacken, Schwabe dreht den Knochen heraus. "Jetzt hast du den Knochen ausgelöst. Jetzt könntest du das zum Beispiel auch füllen."
"O.k." Anas Aniba schaut zu, macht nach. Nach links die Entenbrüste, nach rechts die Keulen. Der Rest wird aufgehoben zum Soßebereiten.
"Die Keulen machen wir zu einem kleinen Braten. Und die Brüste, diese Kleinen hier, die gibt’s dann auf unserer à la carte-Karte, in unserem Restaurant, dem ‚Masters‘."

Die Thüringer Küche ist sehr anders als in Marokko

Brust und Leber von der Ente mit Rotkohlstrudel und Honigdattel gibt es dann für 34 Euro. Das "GolfResort" in Blankenhain, in der Nähe von Weimar, ist nicht billig, die Küche ist anspruchsvoll.
Anas Aniba sagt: "Also, da habe ich viel gelernt von unserem Meister-Chef. Das war eine Chance für mich hier, als Koch, als Azubi zum Koch zu sein. Ich habe deutsche Küche gelernt, international … Also, ich will hier bleiben und arbeiten und noch mehr geben."
Die Thüringer Küche ist ja schon sehr anders als die marokkanische. "Ja, sehr, da gibt es einen großen Unterschied! Aber manche Mahlzeiten, die riechen nach meinem Land!" Anas Aniba lacht.

Die Familie sieht Anas nicht oft

Anas ist seit knapp anderthalb Jahren hier, die Hälfte der Ausbildungszeit. Zu Hause bei seiner Familie war er erst einmal. Denn Casablanca, an der Atlantik-Küste in Marokko, ist 2.500 Kilometer entfernt.
"Mein Abitur habe ich 2013 gemacht. Dann habe ich einen Abschluß als Elektrotechniker. Und mein Interesse war auch, in der Gastronomie zu sein. Das war ein Projekt zwischen Marokko und Deutschland. Ein Sozial-Geschäft, heißt GIZ. Das war ein Projekt."
Die GIZ, die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, hat in Marokko aus 1.000 Bewerbern 100 ausgesucht, die in Deutschland eine Lehre im Hotel- und Gaststättengewerbe machen sollen.
Autor: "Und wann haben sie angefangen, Deutsch zu lernen?"
"Deutsch: Ich habe B1 2015 bekommen, jetzt lerne ich noch für B2. Dann hatte ich eine Vorbereitung in Deutsch im letzten Jahr, 3 Monate."
Autor: "Läuft aber gut!"
"Ja."
"Guter Junge!" lobt Danny Schwabe seinen Lehrling. Anas habe sich schnell und gut eingearbeitet. "Ich denke mal, aus den Jungs kriegen wir gute Köche! Da kommt auch was Positives für uns dabei rum. Sie können uns Erfahrungen mit aus Marokko bringen, gerade was Sardinen angeht, die Verarbeitung von Fisch und so weiter. Wir haben jetzt auch Sardinen auf unserer neuen á la carte-Karte. Da haben wir uns der Erfahrung unserer Kollegen aus Marokko bedient, wie man sie besser zubereiten kann. Und von daher: Alles super!"

Schweinefleisch, Alkohol? Kein Problem

Man sieht Anas den Spaß an der Arbeit an. Schweinefleisch, Alkohol? Kein Problem, meint er, er verarbeitet alles. Er muss es ja nicht selbst essen oder trinken.
Der Direktor des "GolfResorts", Mark Kühnelt, ist sehr zufrieden mit Anas und seinen anderen Lehrlingen. Die Hälfte kommt aus Deutschland, die anderen aus Marokko, Vietnam und Polen. Zurzeit kann er nur die Hälfte der Ausbildungsplätze besetzen. Und das, obwohl er mittlerweile aufwendig weltweit rekrutiert. Denen, die kommen, muss er auch was bieten.
"Also, unsere Auszubildenden kriegen den Wohnraum gestellt, Essen, Kleidung, also die Dienstkleidung, dann das tarifliche Gehalt. Ich zahle das Wohnheim in Erfurt, Schulmaterialien und was an ausbildungsbedingten Kosten halt dazu kommt. Das muss man ganz klar benennen: Ich meine, ich bilde seit fast 30 Jahren aus. Ich war bislang nicht in der Verlegenheit zu sagen: O.k, ich muss auch Wohnraum stellen!"

19 Nationen sind vertreten

Kühnelt ist auch Präsident der DEHOGA Thüringen, des Hotel- und Gaststättenverbandes. Der leistet sich eine eigene Berufsschule in Erfurt. 233 Schüler werden hier unterrichtet, davon sind knapp die Hälfte, 102 Auszubildende, Deutsche. Katrin Gregor ist Leiterin der Berufsschule.
"Also, das Interesse von deutschen Jugendlichen war mal stark zurückgegangen. Hing sicherlich auch damit zusammen, dass junge Leute, die nicht geboren wurden, auch nicht zur Verfügung standen. Ansonsten haben wir jetzt gerade 19 Nationen im Haus vertreten. Alles Mögliche: Afghanistan, Albanien, Eritrea, Indonesien, Iran, Italien, Kambodscha, Kolumbien, Madagaskar, Polen, Rumänien, Spanien, Syrien, Tadschikistan, Tschechien und Ukraine."
Die größten Gruppen nach den Deutschen sind die 82 Vietnamesen und die Marokkaner. "Bei uns sind es 20 gewesen, die habe ich persönlich in Frankfurt vom Flughafen abgeholt. Und war sehr positiv überrascht, wieviel die wussten. Über Thüringen wussten, auch darüber wussten, dass die teilweise in Orte kommen, wo sich Hase und Fuchs Gute Nacht sagen, also, die kein Mensch kennt."

"Schlechtes Wetter, Regen, kalt, früh austehen..."

Die Marokkaner hatten eine intensive Vorbereitung hinter sich, Deutschkurse, Interviews. Sie waren im Bild über die duale Ausbildung und über die Bedingungen in Deutschland. Und dennoch:
"Unsere Kultur! Schlechtes Wetter, Regen, kalt, früh aufstehen, da sein, pünktlich sein, Unterricht haben bis 15 Uhr, dann noch Ergänzungsseminare, also diese Abläufe, wie sie bei uns sind, das kennen sie ja aus ihren Heimatländern gar nicht. Dieses Stringente und 7:45 Uhr fängt der Unterricht an. Das ist eben so."
Die Sprache und immer wieder die Sprache sei das Wichtigste überhaupt, alles andere könne man regeln, meint Gregor. Denn bei den Prüfungen würden keine Abstriche gemacht.
"Die vietnamesischen und marokkanischen Auszubildenden kriegen einen Sprachkurs über die gesamte Ausbildungszeit. Bei den vietnamesischen Auszubildenden haben wir das anfangs so gehandelt, dass die erst mal separat gestartet sind und dann integriert worden sind. Bei den Marokkanern haben wir das gleich von vornherein so gemacht, dass wir gesagt haben: Wir mischen! Das ist einfach, dass die auch die Sprache anders für sich aufnehmen können. Das Problem: Die Muttersprache bleibt die Muttersprache. Und in der Muttersprache verständigt man sich untereinander nun eben mal weitaus schneller als in einer Fremdsprache."

Schwierige Umstellung von Hanoi auf Blankenhain

Zurück im "GolfResort" in Blankenhain. Ein alter Gutshof, um- und ausgebaut. Die 27-jährige Yang aus Hanoi lernt hier seit gut zwei Jahren Hotelfachfrau. Zuhause war sie seitdem nicht. Eigentlich hätte sie lieber in Deutschland studiert, aber das hätte sie nicht finanzieren können. Mit den Kollegen komme sie gut klar, meint sie. Schwieriger sei es in der Berufsschule.
"In der Berufsschule mit den deutschen Schülern kommen wir nicht so klar. Ich muss sagen, in einer Klasse sind die Hälfte Vietnamesen. Und ich denke, für die Deutschen ist das nicht so unangenehm."
Autor: Also, Sie sind mehr unter sich dann, die Vietnamesen?"
"Ja, genau."
Auch die Umstellung von Hanoi auf Blankenhain fiel ihr nicht leicht. "Ich komme aus Hanoi. Das ist die Hauptstadt von uns. Es ist sehr laut. Ich muss sagen, das ist eine verrückte Stadt. Hier in Deutschland ist es ein bisschen ruhiger und, na klar, langweilig. Aber es geht doch."
Wie sieht es mit Rassismus aus? Mark Kühnelt empfiehlt seinen Azubis, Gegenden, in denen bekanntermaßen Rechtsextreme unterwegs sind, zu meiden. Katrin Gregor von der Berufsschule seien noch keine Klagen zu Ohren gekommen, sagt sie. Und Yang?

"Die Leute haben mich angeschrien"

"Na klar! Also, ich denke, hier in Blankenhain sowie in Erfurt, da sind die Deutschen nicht so freundlich zu den Ausländern. Also, ich habe es schon selbst erlebt: Manche Leute haben mich angeschrien. Es ist einfach so unfreundlich."
"Angeschrien?"
"Angeschrien! ‚Aus China …‘ oder so. Obwohl ich keine Chinesin bin. Ich habe auch einmal sexuelle Belästigung erlebt. Ich war auf dem Weg zum Einkaufen, da ist ein Mann zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob ich mit ihm schlafen könnte, ja. Also, er wollte dann bezahlen … Na ja, das passiert."
Was ihr am meisten hier fehlt? Sie findet so schnell keine Antwort. Was sie sich wünschen würde?
"Wünsche? Dass ich perfekt Deutsch sprechen kann. Oder, wenn ich noch Wünsche habe, dann: Bevor ich nach Deutschland fliege, dann sollte ich besser vorbereiten. Auch die Kultur hier, das Essen hier und auch die Menschen hier. Thüringer Klöße oder Roulade. Rotkohl! Oh danke! Oder Sauerkraut noch!" Yang lacht.
Und Anas, nebenan in der Küche? "Was fehlt? Zurzeit nichts. Aber wir haben ein kleines Problem mit der Wohnung. Aber ich glaube, wir finden eine Lösung, ich und mein Freund. Wir haben ein Personal-Zimmer, gehört zum Hotel. Und ich will was selber kochen für mich. Also, das ist das Problem für mich: Nur die Küche!"
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