Aus den Feuilletons

Witz und Aberwitz

Max Goldt auf der 19. Erfurter Herbstlese, dem Literaturfestival des Vereins Erfurter Herbstlese. Der Musiker, Autor und Kolumnist wurde unter anderem 2008 mit dem Kleist-Preis geehrt.
In der "Zeit" erwartet uns Max Goldts Sprachkolumne, sein vergnüglich-süßes feuilletonistisches Nichts. © imago / Viadata
Von Ulrike Timm · 23.01.2019
Max Goldt hat sich für eine Sprachkolumne in der "Zeit" auf die Suche nach allerhand Absurditäten gemacht. Natürlich wurde er fündig und plädierte gleich zur Versinnbildlichung des vorgefundenen Irrwitzes für eine Erhöhung der Diamantenpreise.
"Was könnte ein Investor mit dem venezianischen Hafen im kretischen Chania anfangen?", fragt sich die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Griechenlands Archäologen schlagen Alarm, weil der Staat offenbar Tausende historischer Stätten zur Privatisierung vorgesehen hat. Oder hatte. Denn Genaues weiß man nicht, eine ominöse Liste des Finanzministeriums wird zwar heftig beraunt, aber es hat sie noch niemand wirklich gesehen.
Allerdings gibt es eine Art Gegenliste der griechischen Kulturministerin, die über 2000 archäologische Stätten und Denkmäler benennt, die um nichts in der Welt zu Geld gemacht werden dürfen. Und warum sollte es diese Gegenliste geben, wenn es die andere, die des Finanzministeriums, nicht gibt?

Werden Knossos und die Akropolis verkauft?

Sehr verwirrend, und aus gutem Grund beginnt Christiane Schlötzer ihren Artikel so: "Von Homer, dem großen antiken Geschichtenerzähler, weiß man, was ein roter Faden ist. Nur mithilfe dieser genialen Erfindung war der Ausgang des sagenhaften Labyrinths zu finden." Nun wird auch die griechische Bürokratie bisweilen als Labyrinth beschrieben und vielleicht würde da ein roter Faden helfen, damit die Kollegen von Finanz- und Kulturressort einander mal treffen und für Klarheit sorgen könnten? Bis dahin sind Knossos, Akropolis und Hafen von Chania unverkäuflich, und danach hoffentlich auch…

Reform des Urheberrechts

Kompliziert verstrickt hat man sich auch in Brüssel. Die Reform des Urheberrechts stockt. Soll und kann man Technologiekonzerne wie Google oder Facebook stärker als bisher regulieren? Und brächte das den Urhebern, etwa Autoren von Texten, tatsächlich was ein? Die WELT diskutiert darüber mit der Grünen-Politikerin Helga Trüpel, die meint, "für die digitalen Monopole, die Tech-Riesen" müsse man einen ordnungspolitischen Rahmen schaffen. Zwar ist das Netz in aller Regel sowieso schneller als jede Regulierung, aber die Politikerin gibt sich unverdrossen: "Es geht einzig und allein um eine faire Regelung, nicht um die Einschränkung fundamentaler Rechte."

Max Goldts vergnüglich-süßes feuilletonistisches Nichts

Wollen wir hoffen, dass der Urheber Max Goldt, Schriftsteller und Musiker und ein Meister der virtuosen Abschweifung, von der ZEIT fair bezahlt wird. Das nutzt ihm mehr als ein paar Google- oder Facebook-Urhebergroschen in wer weiß wie ferner Zukunft. Max Goldt hat eine Sprachkolumne geschrieben, ein vergnüglich-süßes feuilletonistisches Nichts, das man genießen darf. Weil alles, was nicht in den Kram passt, schnell absurd genannt wird, macht sich Goldt in der ZEIT auf die Suche nach allerhand Absurditäten, die erstaunlicherweise nie jemandem aufstoßen, und wird fündig:
"Neulich war von der Erhöhung der Brotpreise in einem orientalischen Land die Rede. Der Sprecher fügte hinzu, als sei das eine Information, unter dieser Preiserhöhung habe insbesondere die arme Bevölkerung zu leiden. Ja, sind denn auch Preiserhöhungen denkbar, unter denen die Wohlhabenden am meisten leiden? Die Erhöhung der Diamantenpreise vielleicht?"

"Anfang. Mitte. Schluss"

Bleiben wir lustvoll korinthenkackend bei der Sprache – die Neue Zürcher Zeitung feixt über eine Studie, die wissenschaftlich erklügelt hat, was eine wirkungsvolle Rede sei. Die Eliteuniversitäten Tübingen und Heidelberg haben das gerade erkundet und mit wissenschaftlichem Stolz präsentiert. Ein Sechs-Punkte-Plan, dem man "doch einiges ungemein Hilfreiche und Grundlegende" entnehmen kann. "Allem voran die goldene Regel, sich vor Beginn der Rede ‚zu überlegen, was man sagt‘". Auch das Konzept "Anfang. Mitte. Schluss" hat sich bei einem Vortrag als hilfreich erwiesen, wie die bahnbrechenden und wahrscheinlich sehr teuer gewonnenen Erkenntnisse der Forscher besagen…
Bissiges Fazit von Jürgen Wertheimer in der NZZ: "Man würde sich wünschen, möglichst viele der häufig immer noch verknöcherten Wissenschaften hätten den Mut und die Flexibilität, ihre Arbeit so unangestrengt und unanstrengend in den Dienst einer marktgängigen, praxisorientierten Didaktik zu stellen. Und en passant den ganzen inhaltlichen Kram dabei souverän zur Seite zu schieben."
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