Aus den Feuilletons

Wieviel Mensch verträgt der Berg?

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Skifahrer auf der Piste und auf der Terrasse der Skihuette Schafalm vor der Kulisse des Dachstein-Gebirges, aufgenommen am 6. Januar 2018, Planai, Schladming, Oesterreich.
Wunderschön ist es in den Bergen - aber es sind wirklich viele Menschen hier. © imago/Eibner Europa
Von Arno Orzessek · 12.06.2019
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Kurz vor den Ferien beschäftigt sich DER FREITAG mit Urlaub in den Bergen. Um die negativen Aspekte wie Naturzerstörung und Massentourismus zu vermeiden, hat die Wochenzeitung einen Tipp: zu Hause bleiben und sich einen Bildband angucken.
Die großen Ferien nahen, darum zunächst ein kleiner Urlaubs-Service. "Gehören wir Menschen in die Berge – und wenn ja, wie viele?" Das fragt sich Lennart Laberenz in der Wochenzeitung DER FREITAG. Immer schon der Saumseligkeit am Meer zugetan, sieht Laberenz am Gebirgs-Urlaub vor allem die Nachteile.
"Beschwerliche Anreise, frühes Aufstehen, schmerzende Füße, Wochen in immergleichen Kleidern, zu wenig Bücher, Geröll bergan und bergab, seltsame Preise für Essen, das allerdings schmeckt als sei es mit Sternen behängt."
Um den biestigen Bergen aber trotzdem eine Chance einzuräumen, schlägt Laberenz den Band "Die Berge und wir. 150 Jahre Deutscher Alpenverein" auf. Darin findet der FREITAG-Autor die Großartigkeit und kulturelle Bedeutung der Alpen angemessen gewürdigt – kritisiert jedoch die Gewichtung.
"Die düsteren Zeichen nehmen wenig Raum ein. Eher an den Rändern und ohne Bildmaterial blickt der Alpenverein auf geschundene Natur, zurückweichendes Gletschereis, die Perspektive, dass wir mit immer mehr Ausrüstung, Sportarten und Bewegungsmitteln – denken wir kurz an die schon im Flachland lächerlichen E-Bikes – auf immer höhere Berge drängen. Dass wir immer mehr Gelände durchpflügen, kolonisieren, kommerzialisieren."
Am Ende hat Lennart Laberenz ein Luxus-Problem: "Genügt es, einen Bildband (des Deutschen Alpenvereins) zu lesen, oder muss ich tatsächlich in die Berge?"

Hilft die Hilfe überhaupt?

In Afrika haben viele Menschen kein Luxus-Problem. Dass sie überhaupt durchkommen, liegt oft an der Hilfe von außen. Doch genau diese Hilfe kritisiert der kenyanische Ökonom James Shikwati in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG:
"Durch die Hilfe wurde tatsächlich mehr Schlechtes als Gutes erreicht. Warum? Weil die ausländische Hilfe den Raum besetzt hat, der eigentlich von afrikanischen Denkern, Experten, Politikern selbst besetzt sein sollte. Die ausländische Hilfe wurde zu einem Instrument der afrikanischen Politik, anstatt dass Möglichkeiten geschaffen wurden, dass sich afrikanische Strukturen selbst entwickeln."
Dass viele Menschen flüchten, findet Shikwati "unglaublich traurig für Afrika" – betont aber zugleich:
"Ich bin fest überzeugt, dass die Europäer die Afrikaner brauchen. Europa sollte uns einfach sagen, welche Leute aus Afrika es will. Aber wahrscheinlich aus moralischen Gründen haben die Europäer Angst, sich klar zu äussern. Also: Wenn ihr Leute mit bestimmten Fertigkeiten und Kenntnissen braucht, o. k., dann sagt uns das, und wir werden schauen, dass wir die Strukturen schaffen, damit ihr die richtigen Leute bekommt."
So der Ökonom James Shikwati, der in der NZZ für Afrika keine Hilfe, sondern Investitionen fordert.
Okay. Tauchen wir nun ein in die Kunstwelt – innerhalb derer wiederum das Eintauchen in virtuelle Realitäten, fachsprachlich als "Immersion" bezeichnet, einen hohen Stellenwert hat.

Virtual Reality als LSD ohne Chemie

"Was kann 'Virtual Reality', das andere Medien in den Künsten nicht können?" fragt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Til Briegleb bespricht das Festival "VRHAM" – eine Abkürzung für Virtual Reality Hamburg – und zeigt sich nicht restlos überzeugt.
"Bis jetzt wirken die besten VR-Arbeiten in der Kunst jedenfalls höchstens wie ein LSD-Trip ohne Chemie. Vielleicht führt das wie in der Gründerzeit dieses Mediums in den Sechzigern zu einer Massenbewegung 'Make Love not War'. Vielleicht aber ist VR auch nur ein Fantasie-Placebo wie die Postmoderne, ein Ding zwischen Stühlen, das bei allem Schweben irgendwann doch sehr langweilig wird. In weiteren 60 Jahren wissen wir mehr."
Solange wird das Urteil über die Arbeit von René Pollesch, ab 2021 neuer Intendant an der Berliner Volksbühne, nicht auf sich warten lassen. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zitiert Irene Bazinger Polleschs Maxime "Die Praxis ist die Message" – und endet schön sophistisch:
"Die Idee mit der Praxis ist gut – wie gut, wird die Praxis beweisen." –
Tja, natürlich drückt kein Titel genau das aus, was wir an diesem Donnerstag am liebsten tun würden. Aber eine SZ-Überschrift weist immerhin in die richtige Richtung.
Sie lautet: "Flirten, trinken, rebellieren."
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