Aus den Feuilletons

Wie sich die Bayern-SPD den Söder schnappte

Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, schaut am Grenzübergang Kirchdorf durch ein Nachtsichtgerät.
"Söder macht's" - hier überwacht der Ministerpräsident probehalber die bayerische Landesgrenze in Kirchdorf. © dpa / picture alliance / Lino Mirgeler
Von Paul Stänner · 21.08.2018
Auch wenn es vieles nicht mehr gibt: Teletext im Fernsehen gibt es immer noch, wundert sich die "Süddeutsche Zeitung". Auch die "taz" reibt sich die Augen: Denn ausgerechnet die SPD hat sich im heißen Bayernwahlkampf die Domain "soeder-machts.de" gesichert.
Die milde Urlaubszeit neigt sich dem Ende zu, die Welt tritt uns wieder mit scharf umrissener Deutlichkeit vor Augen. Verschaffen wir uns einen Überblick:
Die FAZ schaut auf Italien und resümiert, was viele ihrer Leser, eben vom Campingplatz heimgekehrt, schon wussten: Der Süden des Landes ist eine einzige Ruine aus Misswirtschaft, Schlamperei und Korruption. Mit dem Einsturz der Brücke von Genua, einer Stadt im Norden, wo das undenkbar schien, stellt die FAZ fest: "Der Süden ist im Norden angekommen: Die Krise hat das ganze Land erfasst."

Die Krise marschiert bis Berlin durch

Krise? Wie war es möglich, dass die italienische Krise auf ihrem Weg nach Norden gleich bis Berlin durchmarschierte? Hier beklagt der TAGESSPIEGEL, dass die historische Schinkel-Kirche in Berlin-Mitte, entworfen von einem der bedeutendsten Baumeister der Berliner Geschichte, irreparabel beschädigt wurde. Zu den Schäden kam es, weil in unmittelbarer Nähe luxuriöse Stadtvillen errichtet wurden. Nun ist nicht klar, ob die Kirche wieder eröffnet werden kann. Die Luxuswohnungen jedoch – mit modernstem Standard - sind bald vollendet.
Wir dachten, Schinkel und Pixel – das sind beides alte Sachen und sie gehen unter. Bei Schinkel stimmt das, aber nicht bei Pixel: Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schreibt darüber, dass der aus ziegelsteinartigen Pixeln geschichtete Teletext, den viele schon für eine Opfer des Internets und also für tot hielten, fröhliche Urständ' feiert. Gerade der Teletext der ARD lockt die User, weil er kurz, simpel und schnörkellos ist – Zitat: "Die Untertitel für Gehörlose auf Seite 150 sind nach wie vor ein wichtiger Bestandteil, neuerdings gibt es auch Untertitel, die bei Volksmusik-Sendungen zur Karaoke animieren." So ist der Siegeszug des Teletextes nicht mehr aufzuhalten. Sat1 bietet sogar schlüpfrige Rollenspiele per Teletext und SMS – unbedingt ein Geschäftsmodell, das in die Zukunft weist.

Was auf Twitter geschwätzt wird...

Wir bleiben bei der Elektronik, weil sie so modern ist. Der Hamburger Mediennutzungsforscher Sascha Hölig hat Twitter beforscht. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG nennt die Bilanz: "Sein Ergebnis ist ernüchternd. Themen und Meinungen, die auf Twitter kursieren, seien nicht repräsentativ für den Stand einer gesellschaftlichen Diskussion, heißt es in seiner Studie." Will sagen – was auf Twitter geschwätzt wird, hat für die wirklich brennenden Diskussionen keine Relevanz.
Die FAZ hat sich die Seiten genauer angeschaut, auf denen die Twitter-Autoren beschrieben werden. Und sie fasst zusammen: "Die aktiven Twitterer seien 'tendenziell meinungsstärker und von sich überzeugter' als der Durchschnitt der Bevölkerung, was 'aus psychologischer Hinsicht mit weniger Sinn für Empathie, Konsens und Gemeinschaftsgefühl einhergeht'". Aber das kannten wir schon von Chef-Twitterer Donald Trump.

Fiese Wahlkampfhilfe in Bayern

Da, wo alle modern sind, finden wir selbstverständlich die SPD ganz vorn. In Bayern, schreibt die TAZ, hat sich die notorisch pfiffige SPD die Internet-Domain "soeder-machts.de" gesichert. Söder selbst hat die Moderne verschlafen und so müssen nun seine treuen Anhänger, offenbar alle beide, auf der Website "soeder-machts.de" Sätze lesen wie: "Söder macht’s: ertrinkende Menschen im Mittelmeer als Asyl-Touristen bezeichnen" oder "Söder macht’s: ein Psychiatriegesetz vorlegen, das psychisch kranke Menschen pauschal kriminalisiert".
Für die politische Kultur des wahlkämpfenden Bayern diagnostiziert die TAZ moderne, wenn nicht gar postmoderne Aufhebung aller Grundsätze und Grenzen. Sie schreibt: "In Bayern übernimmt die CSU den Wahlkampf für die AfD und die SPD den für die CSU. Dann fehlt ja jetzt nur noch jemand, der für die SPD um die Wähler*innengunst kämpft."
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