Aus den Feuilletons

Wenn Steve Bannon in die AfD eintreten würde

Das Bild zeigt Steve Bannon, den Chefstrategen von US-Präsident Trump.
Steve Bannon, der ehemalige Chefstratege des US-Präsidenten Donald Trump, soll sich mit der AfD beschäftigt haben. © AFP / Jim Watson
Von Tobias Wenzel · 13.01.2018
Wen würde es wundern, wenn Donald Trumps ehemaliger Chefstratege, Steve Bannon, der Alternative für Deutschland beitreten würde? Angeblich soll Bannon die AfD "sehr genau studiert" haben. Indes könnte die Talkmasterin Oprah Winfrey in drei Jahren US-Präsidentin sein.
"Menschsein heißt, das Tierische im Menschen soweit wie möglich zu negieren. Wer sich nicht so verhält, ist bald einmal ein Unmensch", schrieb Philipp Meier in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Und man konnte nicht anders, als an die sexuelle Belästigung durch Männer und an die "MeeToo"-Debatte zu denken.
"[Catherine Deneuve] möchte das Wesen der Sexualität zurückführen auf die erste Tugend der Republik und in ihr eine Manifestation der existenziellsten Menschheitstugend erkennen, der Freiheit", schreibt Nils Minkmar über die Schauspielerin im neuen SPIEGEL. Deneuve gehört zu den 100 Künstlerinnen und Intellektuellen, die in Le Monde klargestellt haben, dass für sie die "MeToo"-Debatte über das Ziel hinausgeschossen ist, wofür sie dann wiederum als "Verbündete der Schweine" beschimpft wurden, also als Verbündete der Männer, die Frauen sexuell belästigen, und daher als tierisch oder unmenschlich erscheinen.
Cathrine Millet ist eine der Autorinnen des Textes der 100. "Sie schreiben, die 'Freiheit' jemand anderen zu belästigen‘, gehöre nun mal zur sexuellen Freiheit", sagte Alex Rühle in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Und Catherine Millet entgegnete, sie halte es zwar für notwendig, "ein Bewusstsein für sexuelle Gewalt gegen Frauen" zu schaffen. Aber die Frauen sollten sich lieber juristisch wehren, anstatt das Männern gegenüber unfaire "öffentliche Tribunal" zu suchen. Millet wandte sich gegen ein "dunkles Zeitalter des Puritanismus": "Gestern habe ich von einer Engländerin gehört, die sagt, man müsse Dornröschen verbieten, weil die dem Prinzen nicht erlaubt hat, sie im Schlaf zu küssen. Sind jetzt alle verrückt geworden, oder was?"

Talkmasterin zukünftige US-Präsidentin?

Verrückter wäre eigentlich nur noch, wenn eine Talkmasterin die mächtigste Frau der Welt würde … Oprah Winfrey hielt eine viel beachtete Rede bei der Verleihung der Golden Globes. "Sie sprach über Rosa Parks, die Heldin der Bürgerrechtsbewegung in den USA, und über einen Alltag, in dem Frauen sexuelle Übergriffe von Männern erdulden müssen", schrieb Thomas Seibert im TAGESSPIEGEL. Kurz nach der Rede wurde Winfrey schon als nächste Präsidentin gehandelt. Man stelle sich mal vor, Markus Lanz würde Bundeskanzler …
"Natürlich muss Oprah Winfrey die nächste amerikanische Präsidentin werden", ruft nun Tobias Rüther in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG aus. "Denn irgendwer muss den Amerikanern ja in drei Jahren die Beichte abnehmen, einen riesengroßen Fehler gemacht und sich vergangen zu haben an den Idealen dieser Nation, indem sie einen Typen ins Weiße Haus wählten, der dort einfach nicht hingehört." Und der, laut der von der WELT zitierten Kolumnistin der New York Times, Gail Collins, wohl auch erst einmal Präsident bleibt: "Es ist ziemlich klar, dass es so gut wie unmöglich ist, den Präsidenten abzusetzen, zumindest solange Trump nicht an den Kronleuchtern hängt und Steine auf Besuchergruppen im Weißen Haus schmeißt". Wobei das einen eigentlich auch nicht viel mehr wundern würde, als wenn Steve Bannon der AfD beiträte.
Der Autor Joshua Green sagt in einem Interview mit der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG, Bannon habe ihm erzählt, dass er Marine Le Pen und Frauke Petry "sehr genau studiert" habe: "Was die Alternative für Deutschland macht, wusste er en détail. Es würde mich nicht überraschen, wenn er sich bei diesen Parteien in Zukunft einbrächte."

"Es gibt keine unpolitische Kunst"

Könnte Steve Bannon dann vielleicht sogar auf den Autor und FAZ-Theaterkritiker Simon Strauß treffen? "Simon Strauß, Sohn von Botho Strauß, […] stilisiert sich als Nachfahr von Ernst Jünger, imaginiert Stahlgewitter und lobt die AFD als einzige Partei, die die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin vernünftig kritisiere", behauptet Alem Grabovac in der TAZ. Strauß schreibe "im Gewand der Romantik Pamphlete für die Neue Rechte". Der britische Guardian habe schon die Frage aufgeworfen, ob die "Ultraromantik" von Strauß und anderen jungen deutschen Autoren "antiliberales Denken" fördere.
Nicht jedoch das deutsche Feuilleton: "Dem Kulturbetrieb scheint es zu gefallen, dass da ein junger wütender Mann wieder mit der Ästhetik und den Inhalten des rechten Randes spielt", schrieb Grabovac und griff den Literaturkritiker Volker Weidermann dafür an, dass der in einer Buchbesprechung die vermeintliche Gesinnung von Simon Strauß ausblendete. Weidermann hat nun im SPIEGEL reagiert und journalistische Texte von Strauß genauer gelesen.
Die Forderung des von Träumen faszinierten Strauß, "die Kunst solle sich nicht mehr vom 'Primat der Moralpolitik' einschüchtern lassen", erinnert Weidermann an "das berüchtigte antidemokratische Werk 'Betrachtungen eines Unpolitischen' von Thomas Mann." Weidermanns Fazit, das auch eine Kritik an Simon Strauß ist: "Es gibt keine unpolitische Kunst. Träume werden frühestens nach dem Erwachen wahr. Wir dürfen sie, müssen sie, mit Realismus, Erfahrungen, Klugheit ergänzen."

Gelesene Bücher wie leere Flaschen behandeln

Wenn Sie, liebe Hörer, nach all diesen Debatten, trotzdem Lust auf Unpolitisches, genauer: auf unpolitische Literatur, haben, dann könnte Sie ein neuer Einrichtungstrend aus den USA interessieren: die "backward books". Einige US-Bürger stellen ihre Bücher umgedreht ins Regal, also mit den Buchrücken zur Wand und mit dem weißen Schnitt nach außen.
"Die Bücher machen nicht mehr so einen unangenehmen Bildungseindruck, wenn sie namenlos dastehen", erläuterte Peter Kümmel in der ZEIT. "Andere finden, das Buch sei ein Gebrauchsgegenstand, es habe einen Inhalt, und wenn der ausgelesen sei, könne man das Gefäß wegwerfen. Aus Sentimentalität stellen sie das Buch umgedreht zurück ins Regal, als wäre es eine leergetrunkene Flasche, die sie aufheben, um sich an den Genuss des Trinkens zu erinnern."
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