Aus den Feuilletons

Was nicht lesenswert ist

04:14 Minuten
Donald Trump steht am Redepult während einer Wahlkampf-Veranstaltung in Texas
Donald Trump kommt auch ohne Lesen eins a durchs Leben. © AFP / Getty Images/ Tom Pennington
Von Ulrike Timm · 25.10.2019
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US-Präsident Donald Trump hat sein Zeitungs-Abo abbestellt. Kann weg. Der Tagesspiegel hält das für Quatsch. Trump würde ja auch nicht seinen Spiegel abhängen, um sein Gesicht zu ärgern.
"Wo bleibt die Lust!" – Die WELT setzt kein Fragezeichen. Sondern ein Ausrufezeichen. Ist das ein Befehl? Darüber hinaus hat Philipp Haibach seinen Artikel noch ausdrücklich eine "Erregung" genannt, und da fragen wir uns denn doch einen Moment, in welchem Blatt wir da gerade gelandet sind.

Betreutes Lesen

Aber alles halb so sexy, denn die fragezeichenfrei, dafür ausrufungszeichenbehaftete Lustsuche dreht sich um Bücher, die den Leser allzu sehr an die Hand nehmen wollen, wie die WELT meint. Kurzum, "Literaturbegleiter" mit 1500 ans Herz gelegten Lieblingsbüchern etwa, würden ihren Zweck oft genug verfehlen, Lust aufs Lesen zu machen. Soweit der Kern der aufgeregten Überschrift.
Na klar, bis man etwa 1500 Tipps des "Lesebegleiters" hinreichend inhaliert hat, hat man doch bestimmt so ein, zwei selbst ausgewählte Romane intus, oder? Aber auch, wer wie der Autor findet, dass Bücher lesen ergiebiger sei als Bücher über Bücher zu lesen, holt sich doch oft genug Anregungen und Tipps aus Rezensionen, tja, und manchmal auch aus Büchern, die uns einen – ihren – kleinen Kanon vorstellen, oder? Egal, "auf Romanverführer reagiert mein Körper allergisch", lässt uns der WELT-Autor nach einer Seite Artikel wissen. Und also wissen wir jetzt auch das.
Donald Trump kann das nicht so leicht passieren, der US-Präsident ist ja stolz darauf, dass er nicht liest. New York Times und Washington Post sind abbestellt im Weißen Haus, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG – "Kann weg" – und TAGESSPIEGEL – "Ich lese nicht, also bin ich" – nehmen auf die Trumpsche Lesephobie Bezug, der Tagesspiegel mit der listig-klugen Gegenwehr einer amerikanischen Kolumnistin:
"Mr. President, warten Sie, bevor Sie kündigen!" ruft Alexandra Petri und fragt, "ob es sinnvoll sei, Zeitungen abzubestellen, nur weil sie ihr Bestes gäben, um die Arbeit des Präsidenten zu beschreiben. Das ist doch so, als ob Sie Ihren Spiegel abhängen würden, um ihr Gesicht zu ärgern." Schicker Kommentar. Wird aber leider wahrscheinlich vom Adressaten nicht gelesen ...

Von der Größe kleiner Städte

Mit Zeit, Muße und erkennbar nicht auf der Suche nach Schlagzeilen ist der Theaterkritiker der FRANKFURTER ALLGEMEINEN, Simon Strauss, durch Thüringen gereist, durch die thüringische Theaterlandschaft. Im Land wird am Wochenende gewählt. "Ein Land voller sozialer Wunden und politischer Widersprüche. Aber auch eines, in dem die Kultur am Leben ist."
Weimar, Eisenach, Meiningen, Rudolstadt, Erfurt, Altenberg und Jena heißen die Stationen dieser vielschichtigen Theaterreise. Dem FAZ-Autor begegnen die unterschiedlichsten Facetten, von einem gewissen Bildungsbürgertum, das seinen Kanon erwartet, bis hin zum Studentenpublikum, von relativ großzügig alimentierten Bühnen bis zu Stadttheatern, die um ihr Überleben kämpfen, ist alles dabei. Diese Reise durch das ostdeutsche Bundesland mit der höchsten Theater- und Orchesterdichte bundesweit beschreibt viel und wertet fast gar nicht, sie ist in ihrer Ruhe aufschlussreicher als die meisten der hochgepimpten Ost-West-Artikel der letzten Monate.
Dazu ein Fazit, das man vom FAZ-Theaterredakteur erwarten wird, das sich aber trotzdem eindrücklich liest: Die Theater in den Städten seien ein "Identitätswert", der nicht leichtfertig verspielt werden dürfe. "Denn sie geben jeder noch so kleinen Stadt das Bewusstsein von Größe. Von einem Wert, der über sie hinausgeht."

Schnee von gestern wird gebraucht

Nach dem langen, nachdenklichen Artikel in der FAZ noch ein kurzer Schwenk zur TAZ. Die zeigt das eindrücklichste Bild auf einer ganzen Seite. Schnee nämlich. Schnee von gestern. Er zieht sich in einer schmalen Spur den Berg hinab. In Kitzbühel beginnt bei 20 Grad die Skisaison. Auf der Piste liegt konservierter Schnee der Vorsaison.
Klar, Proteste gab es auch. Und morgen gibt es ganz bestimmt wieder ausführliche Berichte, was wir alle dringend fürs Klima tun sollen. Schönes Wochenende trotzdem.
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