Aus den Feuilletons

Was im Homeoffice fehlt

04:17 Minuten
Eine Frau arbeitet im Homeoffice an ihrem Schreibtisch
Arbeit bedeute auch soziale Interaktion - diese fehle im Homeoffice, mahnt die "taz". © dpa / picture alliance / Sebastian Gollnow
Von Ulrike Timm · 27.04.2020
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Das von der SPD geforderte Recht auf Homeoffice hätte auch gravierende Nebenwirkungen - etwa Vereinzelung und Mehrarbeit, schreibt die "taz". Vor allem für Männer sei die aktuelle Homeoffice-Zeit unbefriedigend - wovon die Baumärkte profitierten, meint die NZZ.
Im Homeoffice leide die soziale Interaktion – auch das bedeute Arbeit, schreibt die TAZ. Ein Recht auf Homeoffice, wie es Bundesarbeitsminister Heil nun gesetzlich verankern möchte? Bloß nicht, meint die TAZ, denn bei Licht betrachtet sei das ja bloß ein Recht auf mehr Arbeit. Es geht Volkan Agar nicht allein um die mal eben spätabends noch zu beantwortende Mail, um die Sphären von Arbeit und Freizeit, die sich immer mehr mischen, und deren Vermischung "tendenziell zugunsten der Arbeit" stattfände.
Vor allem die soziale Interaktion, die Arbeit eben auch sei, würde leiden – und damit nicht zuletzt das Ergebnis, denn soziale Interaktion bedeutet eben mehr als Quatschen am Kaffeeautomaten. "Was ist mit eigentlich gemeinschaftlichen Arbeitsprozessen, denen gegenüber ein allgemeines Homeoffice die Individualisierung weiter vorantriebe, und zwar nicht im Sinne persönlicher Freiheiten, sondern von Vereinzelung?", fragt die TAZ.

Systemrelevante Baumärkte

In etwas anderem Sinne nutzen viele die Pausen beim Homeoffice zur Chance auf mehr Arbeit – dem widmet sich die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG in einer Glosse. In Nachcoronazeiten werde es zu Hause sehr viel weniger "knarren, scheppern und tropfen", frohlockt Paul Jandl. Der Grund: Man(n) -sehr oft mit zwei n - widmet sich der Heimwerkerei. "Männer kann man nicht einfach nur ins Homeoffice setzen, sie brauchen Projekte", schreibt Jandl. "Deshalb eilen sie zum Baumarkt." Baumärkte seien absolut systemrelevant und der Heimwerker per se krisenresistent.
"Es stauen sich Menschen, die es nicht erwarten können, zu Hause Schrankwände tieferzulegen oder den Duschstrahl zu tunen. In den nächsten Wochen werden in ganz normalen Haushalten bizarre Veränderungen vorgenommen, über die spätere Generationen mit augenzwinkernder Gelassenheit sagen: Damals! Corona!"
Das soll sie dann heute aber auch gewesen sein, unsere tägliche Portion Corona in der Feuilleton-Presseschau.

Erinnerung an Hannelore Elsner

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG widmet sich dem letzten Fernsehfilm, den Hannelore Elsner vor ihrem Tod im April letzten Jahres nicht mehr vollenden konnte und der am Mittwoch in der ARD zu sehen sein wird, "Lang lebe die Königin", eine Geschichte rund um eine sterbenskranke Frau. Fünf Drehtage und einige wichtige Szenen fehlten noch, was also tun? Umschreiben, Lücke lassen, eindampfen?
Man hat sich ganz anders entschieden: Fünf große Kolleginnen von Hannelore Elsner übernahmen je einen ihrer Drehtage, stark geschminkt, ihr in keiner Weise ähnlich, aber im Kostüm ihrer letzten Figur. Gisela Schneeberger, Judy Winter, Iris Berben, Hannelore Hoger und Eva Mattes "tauchen auf wie aus dem Nichts, verfremden das Bild, spielen ihre Szene und verschwinden kommentarlos auf Nimmerwiedersehen. Das hat man so noch nicht gesehen, und es funktioniert auch nicht richtig. In einer Hinsicht allerdings schon: als sichtbare Verbeugung vor einer großen Schauspielerin", meint die FAZ.

Abschied von Raimund Fellinger

Auch mehrere Feuilletons verbeugen sich vor einem großen Menschen der Literatur, der aber nur wenigen bekannt sein dürfte. Raimund Fellinger war viele Jahre Cheflektor des Suhrkamp-Verlages, Autoren wie Thomas Bernhard, Peter Handke, Uwe Johnson oder Peter Sloterdijk eng verbunden. Andreas Maier trauert als Suhrkamp-Autor der jüngeren Generation in der FAZ um Raimund Fellinger als einen Freund.
Ralf Rothmann hat einen berührenden Nachruf für die SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG verfasst:
"Niemand kann ein guter Lektor sein, der im Innersten nicht auch ein Dichter ist", meint Rothmann. "Immer wieder verblüffte mich die Genauigkeit seiner Lektüre, das Gespür für die Echoräume und Unterströmungen eines Textes." Vor allem aber habe Fellinger, im Umgang so sanftmütig wie bescheiden, seine Autoren geliebt.
"Auf die Frage, wie um alles in der Welt er mit den unterschiedlichen "Kotzbrocken" (sein augenzwinkernd geäußertes Wort), mit ihrem Ich-Getöse und ihren Ungerechtigkeiten zurechtkomme, schmunzelte er nur und sagte: "Na, das wird wohl an meiner Anschmiegsamkeit liegen."
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