Aus den Feuilletons

Warum wir Preisdeckel für die Miete brauchen

Großbaustelle für neue Eigentums-und Sozialwohnungen in Freiburg
Großbaustelle für neue Eigentums- und Sozialwohnungen in Freiburg: Bitte mehr davon, schreibt die "FAZ". © imago/W. Rothermel
Von Tobias Wenzel · 16.09.2018
In der "FAZ" fordert Niklas Maak mehr sozialen Wohnungsbau – und widerspricht damit einer Studie des Wirtschaftsministeriums. Wer nur den Investoren maximalen Spaß lasse, könne die Folgen in der klinisch toten Londoner Innenstadt besichtigen.
"Der Wald soll weg, bevor sich herausstellt, dass der Wald nicht weg muss", sagt Friedrich Küppersbusch zur Räumung des Hambacher Forsts in der TAZ, in der Interview-Rubrik "Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
Offensichtlich geht es ihm gerade nicht so gut. Denn dem gewitzten Satiriker fällt, nach dem Chef des Verfassungsschutzes in Deutschland gefragt, keine freche Pointe ein, als er über dessen Verfehlungen spricht. Wenn Maaßen und Chemnitz nicht wären, befänden wir uns wohl noch im verlängerten Sommerloch.

Kostbares Gut "taz"

Aber dagegen gibt es ja Tricks. Einer davon: über die Kollegen schreiben. Ulf Poschardt, Chefredakteur der WELT, tut das über die TAZ. Frontalangriff, könnte man denken, so weit, wie die beiden Zeitungen politisch auseinanderliegen. Aber falsch gedacht:
"In Zeiten marodierender Indifferenz und eines ausgreifenden Opportunismus bleibt die 'taz' ein kostbares Gut", schreibt Poschardt. "Die 'taz' war nie nur ein Medium, sondern auch ein Ort, eine Heimat für das Herz und die Seele einer Genossenschaft." Poschardt durfte schon mal vorab das neue Haus der TAZ besichtigen und versucht sich an einer Mischung aus Architekturkritik und Zeitungsporträt:
"Ein neues Verlags- und Redaktionsgebäude, kühl funktionalistisch – aber ohne den anarchischen Humor der in Spontilaune gegründeten Tageszeitung zu verlieren. Postgelb die Postfächer, die Fliesen ein Patchwork bunter Minderheiten und die Fluchttreppen ein Abenteuerspielplatz – so machen einem Architektur und Design gute Laune, gerade in den Details."

Berechenbare Argumente der Immobilienindustrie

Apropos Haus: "Brauchen wir mehr sozialen Wohnungsbau?", fragt Niklas Maak in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Allein die Frage könnte verwundern. Wer sollte etwas dagegen haben? Unter anderem die Verfasser einer Studie, die das Wirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hat. Sie wollen, berichtet Maak, viel weniger sozialen Wohnungsbau und die Mietpreisbremse abschaffen, die Investoren und Bauherren nämlich abschrecke.
"Das Argument, ein Preisdeckel für Vermietungen mache den Neubau von Wohnungen unattraktiver und verschärfe damit die Krise, die gelöst werden solle, ist das Gorgonenhaupt, das die Immobilienindustrie jedes Mal aus dem Betonmischer zerrt, wenn ihre Profitinteressen betroffen sind", schreibt Maak, plädiert für mehr sozialen Wohnungsbau, aber ohne "Sozialbaughettos" entstehen zu lassen, und rät der Politik, die Orte auf dem Land, wo viele Wohnungen leer stehen, attraktiver zu machen.

Londonisierung deutscher Städte

Untätigkeit sei jedenfalls keine Option: "Was passiert, wenn der Staat alles so laufen lässt, dass Immobilienindustrie und Investoren maximal Spaß haben, kann man in London besichtigen: Die Innenstadt ist klinisch tot, ein begehbares Anlagedepot in Brit-Optik, durch das Touristen auf der Suche nach einem Pub irren, während in den Vorstädten Frust und Gewalt wachsen.
In São Paulo kann man die nächste Schaltstufe einer von Marktkräften gestalteten Stadt betrachten, in der wenige extrem Reiche sich in edlen Gettos verschanzen und die Armen draußen in den Favelas sitzen. Der Preis ist die ständige Angst davor, dass einem an der nächsten Ampel einer eine Pistole an die Scheibe hält: ein Leben hinter Panzerglas."

Die gefälschten Hitler-Tagebücher

Ob wohl die Vitrinen, in denen der "Stern" in Hamburg zum 70-jährigen Bestehen ein paar Tagebücher Adolf Hitlers präsentiert, aus Panzerglas sind? Wozu?, könnte man denken, schließlich hat Konrad Kujau sie ja gefälscht.
Allerdings erfährt man in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG von Peter Burghardt, dass die meisten der 62 Bände noch im Tresor liegen. Haben ja auch 9,3 Millionen Mark und der Zeitschrift viel Glaubwürdigkeit gekostet. Burghardt nennt den Tresor deshalb "Giftschrank" und schreibt weiter: "Man ahnt dagegen, wie sich der begnadete Schwindler Kujau bei der Produktion amüsierte. Daheim soll er Auserwählten erzählt haben, er arbeite gerade für den Stern, was immerhin stimmte."
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