Aus den Feuilletons

Warum Videospiele in Coronazeiten helfen können

04:16 Minuten
Auf einem Handy-Bildschirm ist in einem Spiel eine Weltkarte zu sehen, auf der Übertragungswege einer Seuche zu sehen sind.
Auch mit Videospielen wie "Plague, Inc." soll man etwas über den Umgang mit Seuchen lernen können. © Adrien Nowak / Hans Lucas / imago-images
Von Hans von Trotha · 02.04.2020
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Man könne einiges über den Umgang mit Seuchen auch durch Gaming lernen, schreibt die "TAZ". Der Spielehistoriker Eugen Pfister meint, man könne die dortigen Worst-Case-Szenarien als Mahnung sehen, "darauf zu achten, dass es niemals so weit kommt."
"Viele Medien suggerieren in Zeiten der Coronapandemie einen Machtverlust der Politik zugunsten von Virologen", schreibt Eric Wallis in der TAZ und zitiert diverse Blätter, etwa den SPIEGEL: "Dürfen Virologen und andere Experten das Sagen haben?" oder den TAGESSPIEGEL: "Christian Drosten ist Deutschlands mächtigster Arzt".

Das Primat der Politik über die Wissenschaft

"Dabei", bemerkt Wallis, "gibt es gar kein Machtnarrativ zwischen Politik und Wissenschaft. Politik entscheidet, Wissenschaft berät." – "Ich verstehe", fährt Wallis fort, "den Impuls der Medienmacher, die handelnden Akteure als Figuren einer Geschichte zu beschreiben, mit Helden und Widersachern. Aber in der Story, die ich sehe, ist die Rolle des Bösen bereits von einem todbringenden Virus besetzt. Wenn es schon eine Story braucht" schlägt Wallis vor:
"Wie wäre es mit der Geschichte von Politikern, die anscheinend jegliche Verantwortung so geschickt von sich wegkommunizieren, dass sich mittlerweile die Sorge verbreitet, Virologen wären die neuen Kanzler?"
Vielleicht wäre das übrigens – für eine gewisse Zeit – gar nicht das Schlechteste. Jetzt mal ehrlich: Wen würden Sie lieber in einem Regierungsamt sehen – Christian Drosten oder Christian Lindner?
In der FAZ fragt der Philosoph Thomas Grundmann: "Wer verdient Vertrauen?" Er stellt fest: "Experten widersprechen einander oft und korrigieren sich schnell."
Ob das jetzt wirklich das ist, was sie grundsätzlich von Politikern unterscheidet, sei mal dahingestellt. Aber Grundmann fügt hinzu: "Die Verwirrung wird noch dadurch gesteigert, dass die Experten nicht mit einer Stimme sprechen." Dennoch meint Grundmann: "Trotz ständiger Änderungen bleibt das jeweils aktuelle Expertenurteil die bestmögliche Entscheidungsgrundlage."

Europäische Union uneins über Maßnahmen

Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder haben die EU-Länder alle unterschiedliche Experten, oder sie klinken sich zu jeweils anderen Zeitpunkten in deren Argumentation ein. Denn ebenfalls in der FAZ stellt Christine Landfried, emeritierte Professorin für Vergleichende Regierungslehre, die Frage: "Wo bleibt die Europäische Union in der Coronakrise?", um einerseits festzustellen: "Der nationale Weg führt in einer Pandemie in eine Sackgasse" und andererseits zu seufzen: "Auf gemeinsames Handeln innerhalb der Europäischen Union hofft im Grunde niemand."
"In Italien", stellt zum Beispiel Thomas Steinfeld in der SÜDDEUTSCHEN fest, "wird, nach den verheerenden Erfahrungen, die man mit den Folgen der Finanzkrise gemacht hat, schon lauthals vor einer weiteren Abhängigkeit von der Europäischen Union gewarnt". Überhaupt wundert sich Steinfeld, "wie schnell und gründlich die Europäische Union ihre übergeordnete Bedeutung verloren zu haben scheint, zugunsten der Nationalstaaten mit entsprechend zu schützenden Volkskörpern."
Oder Schweden. Noch einmal die FAZ. Matthias Hannemann sieht das Land "Vor dem Sturm. Schweden", schreibt er, "sorgt sich ob der eigenen Strategie". Die beschreibt Hanneman wie folgt: "Die Strategie erinnert Astrid-Lindgren-Leser an die Vorgaben der Mutter von Michel aus Lönneberga für die Zubereitung von Fleischklößchen: Nicht zu klein, nicht zu groß, nicht zu blass, nicht zu dunkel sollen sie sein. Sondern eben genau richtig."

Pandemien mit Hilfe von Popkultur besser verstehen

Aber was ist denn genau richtig? Wenn uns das weder die Virologen sagen können noch die Politiker noch die Feuilletonisten – dann hilft vielleicht eine Runde Gamen. Im Ernst, die TAZ verkündet: "Popkultur hilft uns, Pandemien zu verstehen".
Gaming-Historiker Eugen Pfister hat beobachtet: "Seuchen verbreiten sich in Videospielen seit den 80er-Jahren." Und, mit Blick auf Katastrophen: "Spiele mahnen uns vielleicht mit ihren Worst-Case-Szenarien dazu, darauf zu achten, dass es niemals so weit kommt. Vor diesem Spiegel erkennen wir hoffentlich, dass es besser ist, in der Gemeinschaft zu überleben, anstatt Waffen und Munition zu horten und unsere Nachbar*innen zu erschießen, sobald sie einmal husten."
Ok – das ist dann doch ein sehr grundsätzlicher Konsens, den uns Videospiele lehren. Da fürchtet man sich fast ein bisschen vor der Antwort auf die Frage, ob Pfister auch ein Videospiel empfehlen kann, mit dem man gut durch die Isolation der nächsten Wochen kommt.
Aber die Antwort ist sehr beruhigend. Er empfiehlt "Prune" fürs Smartphone. "Darin muss man Zwetschgenbäume so beschneiden, dass die Zweige zur Sonne hin wachsen und zu blühen anfangen."
Yeah.
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