Aus den Feuilletons

Wann kommt das digitale Klassenzimmer?

04:20 Minuten
Schüler sitzen in einem Klassenzimmer und lernen mit Laptops.
Wie bewegt man sich in sozialen Medien, ohne alles von sich preiszugeben? Lehrstoff für Medienkunde. © picture alliance/dpa/Hauke-Christian Dittrich
Von Klaus Pokatzky · 06.10.2019
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Der "Tagesspiegel" schreibt über ein Projekt, das für mehr Anstand in sozialen Medien sorgen soll, die "SZ" sorgt sich um den ökologischen Fußabdruck von Streamingdiensten. Außerdem: Wo bleibt das Schulfach Medienkunde mit digitalem Schwerpunkt?
"Es sind die Abgründe des Menschen, über die man sprechen sollte." Das sagt im Interview mit der Tageszeitung TAZ der Krimiautor Klaus-Peter Wolf. Also blicken wir mal in die Abgründe. "Viele", steht im Berliner TAGESSPIEGEL, "bedrückt die zunehmende Härte der Auseinandersetzung in den Sozialen Medien, die zu Enthemmung und gesellschaftlicher Polarisierung führt". Das schreibt Monika Grütters, die Staatsministerin für Kultur und Medien – und präsentiert zeitgemäße Projekte ihres Hauses. "In 'Anstand digital', einem Projekt mit den kirchlichen Akademien, werden wir Raum schaffen für eine Diskussion über Anstand und respektvollen Umgang im digitalen Zeitalter."

BER oder Schulpflichtfach Medienkunde?

Die digitale Welt scheint nun auch unsere Kulturpolitik erreicht zu haben; allerdings wird wahrscheinlich sogar der Flughafen Berlin Brandenburg eher eröffnet, als das es endlich ein Schulpflichtfach Medienkunde mit digitalem Schwerpunkt geben wird – wo unseren Kleinen die Chancen und Risiken des Internets beigebracht werden: wie sie sauber recherchieren und verantwortungsbewusst publizieren und nicht alles von sich preisgeben.
"Ein Grossteil der zehn weltweit wertvollsten Unternehmen stammt inzwischen aus dem Daten- und Technologiesektor", steht in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. "In dieser postindustriellen Ökonomie sind Informationen der Stoff, aus dem Gewinn entsteht. Ganz wie früher die Staaten haben die neuen Player daher alles Interesse, die private Sphäre möglichst stark zu durchdringen", warnt Claudia Mäder generationenübergreifend. "Das Private ist bedroht, weil professionelle Datensammler es absorbieren."

Die Dating-App für die Kultur

Vergessen wir die Chancen nicht, die auch unsere Kultur-Staatsministerin sieht. "Wer wie die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland außerhalb der großen Städte lebt, weit entfernt vom nächsten Kino oder Theater, wird digitale Zugänge zu Kulturangeboten als Bereicherung empfinden", meint Monika Grütters weiter im TAGESSPIEGEL. "Warum nicht mit einer Art Dating-App Kontakt zu einem Ausstellungsobjekt aufnehmen und sich so über Herkunft und Geschichte austauschen?" Wir lassen uns überraschen, wie die schönen Projekte realisiert werden.
"Internetaktivitäten hinterlassen einen gewaltigen ökologischen Fußabdruck", warnt uns da die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. "Forscher der französischen Denkfabrik 'The Shift Project' haben ausgerechnet, dass Streamingdienste und Pornoplattformen im Netz so viel CO2 freisetzen wie Belgien oder Bangladesch in einem Jahr emittieren", klärt uns Adrian Lobe auf.

Dann doch lieber ein Buch

"Wenn man heute einen Klassiker auf Google Books aufruft und den Text durch den KI-Übersetzer jagt, rattern die Großrechner in den Serverfarmen und stoßen jede Menge CO2 aus." Da greifen wir dann doch lieber zum gedruckten Buch – mit schlechtem Klimagewissen, denn wieder ermahnt uns Adrian Lobe und weist darauf hin, "dass für Eukalyptus-Plantagen hektarweise Wald gerodet werden und in der Zellstoff- und Papierindustrie massenhaft Chemikalien zum Einsatz kommen."
Aber dafür halten Bücher auch Jahre und Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte. "Der schönste Preis ist, für ein Millionenpublikum schreiben zu dürfen", erzählt im TAZ-Interview Klaus-Peter Wolf, dessen grandiose Krimis eine Auflage von 13 Millionen haben. "Künstler, die Erfolg haben, sind in Deutschland verdächtig. Was man mir vorwirft, ist genau das: Mit mir muss ja etwas nicht stimmen, weil ich so viele Leserinnen und Leser habe."
Mögen es noch mehr werden.
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