Aus den Feuilletons

Von grandiosen bayerischen Erfolgen

Grünen-Anhänger jublen über den Erfolg ihrer Partei bei der bayerischen Landtagswahl in München.
Grünen-Anhänger jubeln über den Erfolg ihrer Partei bei der bayerischen Landtagswahl in München. © imago / Christian Mang
Von Ulrike Timm · 15.10.2018
Der Ausgang der Wahl in Bayern beschäftigt alleine bei der "FAZ" mehr als einen Feuilletonisten: Die eigentlichen Gewinner und Verlierer zu bestimmen sei komplizierter als erwartet - und Siegesjubel komme von politisch rechts bis links.
"Wie lässt sich feststellen, wer eine Wahl gewonnen hat?", fragt Jürgen Kaube in der FAZ - natürlich auf die bayerische Landtagswahl bezogen, und die Frage ist so einfach gestellt wie schwierig zu beantworten.
Die Grünen?
"Die hatten zwar ein herausragendes Ergebnis, doch so haushoch, dass bei einer Regierungsbildung niemand an ihnen vorbeikäme, waren die Stimmengewinne nicht", meint Michael Hanfeld, ebenfalls in der FAZ, und kritisiert, dass die Kommentatoren am Wahlabend eine ganze Weile brauchten, bis sie die Stärke der Freien Wähler wirklich realisiert hatten.
Jürgen Kaube wiederum führt aus, dass die AfD zwar zu viel, aber eben nicht geschafft hat, was sie sich vorgenommen hatte: "Nicht einmal die dort erreichten 12,4 Prozent der letzten Bundestagswahl, die man ausdrücklich überbieten wollte, wurden es. Ein 'grandioser Erfolg' (Jörg Meuthen) der hinter den eigenen Erwartungen zurückbleibt? Ist das eine Selbstbeschreibung von Siegern?" so die FAZ.

Wer ist schuld am Absturz der SPD?

Und die SPD, die nicht einfach abgestraft, sondern einstellig und halbiert wurde, und die in Bayern offenbar kaum jemand vermisst? "An den Niederlagen der SPD sind immer die anderen schuld. Für die Spitzenkandidatin, Natascha Kohnen (SPD), ist Horst Seehofer 'nicht mehr tragbar', was ja sein mag, aber nicht ihr Hauptproblem sein darf. Etwas moderater, aber auf derselben Linie Andrea Nahles, der zufolge es ihrer Partei nicht gelungen sei, sich vom Richtungsstreit in der Union frei zu machen. Kein Seehofer, keine SPD-Malaise: Wie muss es um eine Partei stehen, die so von sich denkt und die vor allem überhaupt nur diesen Gedanken zu haben scheint?"
Rein überlebenstechnisch, nicht inhaltlich würden die Sozialdemokraten denken. Nur, fragt wohl nicht nur die FAZ, was verbindet den Wähler mit den Überlebensinteressen des politischen Personals?

Löw vor dem Aus

Auf zur nächsten Niederlage, auf dem und neben dem Platz – die TAZ spricht unter der Überschrift "Trennungsschmerz" davon, dass Joachim Löws Zeit als Bundestrainer vorbei sei, er das wohl auch wisse, aber ihm die Kraft fehle, die Beziehung mit dem DFB zu beenden.
"Löw erinnert an einen Abteilungsleiter, dem viel von Industrie 4.0, von Umstrukturierung der Arbeit, von neuen Modellen erzählt wurde und der auch weiß, dass er das anpacken müsste. Aber: Nochmal diese ganzen jungen Leute einarbeiten, mit ihren viel zu früh erlangten Master-Abschlüssen? Die mit 23 schon alle Kontinente bereist, sechs Monate soziale Arbeit geleistet und mindestens ein Semester im Ausland studiert haben? Dafür spürt er keine Kraft. Loyalität schlägt Revolution."

Das Ende eines Kultmagazins

Letzteres, Loyalität schlägt Revolution, ist beim Popmagazin Spex nun nicht der Fall, denn die Leser hielten ihm eben nicht die Stange, so sehr das Feuilleton auch loben mochte. Im Dezember wird Spex eingestellt. "Krach, bum! Spex kaputt" titelt die TAZ, konstatiert das Ende einer Ära und präsentiert lauter Mini-Nachrufe unter Stichworten wie "Sprechen und Denken" oder "Unfehlbare Coolness". Cooler fragt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Muss man gedruckten Musikmagazinen unbedingt nachtrauern? Oder ist es auch in Ordnung zu sagen: Nun gut, sie hatten ihre Zeit, keine Wiederbelebungsmaßnahmen, bitte?"

Nach so vielen Niederlagen lassen Sie uns schauen, ob wir auch was Aufbauendes finden, suchen wir also nach den schönsten Überschriften des Tages.

Neuer Musikpreis

Vielleicht "Opi, Oper, Opus!" im TAGESSPIEGEL zum neuen Musikpreis, der dem Echo Klassik folgt und den zum Beispiel die 90-jährige, eindrucksvoll fitte Christa Ludwig für ihr Lebenswerk als Sängerin erhielt, froh darüber, die Ehrung nicht "posthum friedhöflich" zu kriegen? Oder – nochmal TAZ – "Außer Taille haben Wespen wirklich nichts zu bieten"?
Nein, unser Überschriften-Favorit des Tages steht in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, bezieht sich auf eine Rezension von Stephen Hawkings Nachlass-Buch "Kurze Antworten auf große Fragen" und heißt so schlicht wie groß: "Als Gott in Pension ging".
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