Aus den Feuilletons

Von der Postkarte zum Smartphone

Eine Postkarte mit Badeszenen von der Ostsee aus dem Jahr 1910
Ein Medium das 150 Jahre alt wurde: Die Postkarte. Hier ein Exemplar mit Badeszenen von der Ostsee aus dem Jahr 1910. © dpa / picture alliance / Stefan Sauer
Von Klaus Pokatzky · 26.01.2019
Während die "NZZ" einem alten Kommunikationsmittel zum Geburtstag gratuliert, warnt "Die Welt" vor dem drohenden Verlust der Kulturtechnik des Handschreibens durch neue Kommunikationsmittel - Tablets und Smartphones.
"Liebe Leserin, lieber Leser", stand in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. "Hier in Zürich ist das Wetter wunderbar. Kalt ist es, ja, aber der Himmel ist blau." Liebe Hörerin, lieber Hörer. Hier in Berlin hat es endlich mal geschneit, leider ist alles wieder weggetaut. "Wir haben hier viele Bücher und Computer", ging es in der NEUEN ZÜRCHER weiter, "und beim Blättern und Stöbern stößt man manchmal auf lustige Sachen, die einem auch das Herz erwärmen. Postkarten, zum Beispiel."

Die Postkarte feiert ihren 150. Geburtstag

Und so gratulierte Claudia Mäder aufs Liebevollste unserer guten alten Postkarte zum 150. Geburtstag - und erinnerte an den österreichischen Ökonomen Emanuel Herrmann, der am 26. Januar 1869 in einem Zeitungsartikel die Einführung von Postkarten angeregt hatte, die viel kostengünstiger waren als die dicken Briefe.
"Die österreichische Post nahm Herrmanns Idee tatsächlich auf und brachte im Oktober die allerersten 'Correspondenzkarten' heraus – mit riesigem Erfolg", schrieb Claudia Mäder über ein neues Medium, das dann noch reizvoller wurde, als es mit Bildern versehen und als Ansichtskarte verschickt wurde. "Um die Jahrhundertwende wurden Postkarten wie verrückt produziert, gesammelt und verschickt."
Schöne alte Zeiten.

Papst Franziskus warnt vor "Sozial-Eremiten"

"Der Eremit war ein Troll", lesen wir in der WELT AM SONNTAG. "Seine Einsamkeit roch auch nach Hirndreck", schreibt Matthias Heine über vermeintliche Gemeinsamkeiten zwischen dem alten religiösen Einsiedler, der noch nicht einmal eine Postkarte kannte - und den heutigen digitalen Einzelgängern: Nachdem "Papst Franziskus in einer Medienbotschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel vor dem gefährlichen Phänomen jugendlicher 'Sozial-Eremiten' warnte, die Gefahr laufen, sich völlig von der Gesellschaft zu entfremden".
Und da sieht Matthias Heine schon beträchtliche historische Kontinuitäten: "Wie der Eremit neigt auch der Sozialeremit zu hygienischer Nachlässigkeit und Verwahrlosung. Beide ernähren sich einseitig: hier Heuschrecken, wilder Honig, Regenwasser, Beeren, dort Pizza, Energydrinks, Schokoriegel."
Da ist aber noch mehr. "Die Technologie erlaubt uns, ein besseres Leben zu führen als die Menschen im Mittelalter", hieß es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Aber der Unterschied zwischen der Weise, wie die Dinge sind und wie sie gleichzeitig sein könnten, ist größer als je zuvor. Der Grund ist, dass wir uns ethisch nicht weiterentwickelt haben", sagte Martin Rees, Mitglied des britischen Oberhauses und Hofastronom der Queen.
"Es gibt doch großes Interesse an neuen Technologien. Aber gleichzeitig herrscht große Angst und Verwirrung hinsichtlich der Zukunft - verständlicherweise - denn wir wissen, dass die neuen und mächtigen Technologien für uns womöglich schwer zu beherrschen sein werden. Sie haben viele Vorteile, aber sie können auch missbraucht werden."

Schnelle Digitalisierung in Afrika

Und auf welchem Kontinent ist da die Entwicklung am rasantesten? Nirgendwo auf der Welt schreitet", stand in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, "die Digitalisierung schneller voran als in Afrika", klärte uns Bernd Graff auf. "So verdoppelte sich die Zahl der Internetnutzer allein in Nigeria von 50 auf 100 Millionen - in nur drei Jahren zwischen 2015 und 2018. Fast niemand von ihnen hat einen Festnetzanschluss (ein Prozent), alle nutzen Smartphones und/oder Tablets. Und Digitalisierung erfasst hier alles, vom Bestellen zum Bezahlen, vom Ausbilden zum Arbeiten. Alles läuft über das mobile Netz."
Das kann auf Dauer nicht gut gehen. "Die Rolle der Fähigkeit, mit der Hand zu schreiben, hat der Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE) unterstrichen." Das war in der Tageszeitung DIE WELT zu lesen, die den Lehrerverbandsvorsitzenden Udo Beckmann zitierte: "Wer glaubt, moderne Medien wie die Tablets und Smartphones machen das Erlernen der Handschrift überflüssig, der irrt gewaltig", sagte er anlässlich des Internationalen Tags der Handschrift: "Beim Handschreiben werden deutlich mehr Gehirnregionen aktiviert als beim Tippen auf digitalen Endgeräten. Wenn ich mit der Hand schreibe, muss ich genauer planen und mir überlegen, was und wie ich es schreiben will."
Dann sollten vor allem Politiker unbedingt mehr mit der Hand schreiben.

Das schöne Laster der Lüge

"Mit Trump im Weissen Haus macht das Lügen keine Freude mehr", beklagte die NEUE ZÜRCHER. "Wir sollten das schöne Laster trotzdem hegen", forderte Roman Bucheli. "Im Politischen sind Lügen Kavaliersdelikte. Neuer Tag, neues Glück - und Schwamm drüber." Aber der Literaturredaktor, um es echt schwyzerisch zu sagen, hebt das Ganze dann doch auf andere Ebenen: "Wie nah die Lüge bei der Wahrheit wohnt und wie sehr sie unlösbar aneinandergebunden sind, ahnen die Dichter, wohl aber wissen es die Philosophen."
Und daraus folgt für Roman Bucheli: "Der Königsweg der Dichtung hin zur Wirklichkeit geht über die Lüge - oder vornehmer ausgedrückt: über die Imagination. Die Wirklichkeit kann nicht abgeschrieben, sie muss erfunden werden." Also: "Lasst euch das Lügen nicht verdrießen. Aber lügt in Gottes Namen mit Hingabe, lügt besser, schöner, lügt mit Witz und Verstand." Könnte Donald Trump das dann überhaupt?
"Gleich am Ende dieses Satzes wird er erscheinen, der Punkt, der uns beim Lesen kurz innehalten lässt", stand dann noch in einem anderen Artikel der NEUEN ZÜRCHER: "Das Tüpfelchen Druckerschwärze am Fuss der Zeile, das der geneigte Leser da vor Augen hat", schrieb Klaus Bartels. "Wenn ein Lateiner mit seinem Latein am Ende ist, ruft er einfach 'Punktum!'"
Punktum!
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