Aus den Feuilletons

Vier gefährliche Jahre

04:20 Minuten
Biden-Anhänger verfolgen seine Rede nach seinem Wahlsieg auf einem Bildschirm.
Joe Biden und Kamala Harris wollen das Land nach vier Jahren Trump heilen. © Chris Tuite / ImageSPACE / MediaPunch / imago images
Von Klaus Pokatzky · 08.11.2020
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Der "Tagesspiegel" nimmt Donald Trumps Abwahl zum Anlass für einen Rückblick. Über seine Amtszeit heißt es: "Diese Jahren waren gefährlich." Und weiter: "Es ist eine gute Nachricht, dass die Demokratie stärker war. Doch es war knapp genug."
"Diktaturen und Autokratien brauchen es für das eigene Überleben, dass der Herrscher anders betrachtet wird als andere Menschen", klärt uns der Berliner TAGESSPIEGEL darüber auf, wie Regierungssysteme funktionieren, die so weit weg von uns sind.
"Irgendwann wird er verklärt und dämonisiert, geliebt und gefürchtet, wird übergroß", schreibt Klaus Brinkbäumer über den Herrscher in Diktaturen und Autokratien – und vor einigen Jahren hätten wir noch denken können, er meint damit die Regenten auf den Thronen von Nordkorea, Russland oder der Türkei.
"In den Tagen von Trumps Niederlage braucht es nun Analyse und Ausdifferenzierung", macht er aber klar, dass es um jenes Land geht, von dem wir Demokratie gelernt haben und ohne das wir gar nicht glauben könnten, Diktatoren und Autokraten wären so ganz weit weg von uns. "Diese Jahre waren gefährlich", bilanziert er vier Jahre Donald auf dem Thron in Washington.

Sprachlosigkeit in der amerikanischen Gesellschaft

"So viele Stimmen wie Trump 2020 bekam noch nie ein Republikaner", ernüchtert uns die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. "Auch wenn es für den Sieg nicht reichte", gibt uns Andrian Kreye dann doch wieder etwas Mut und weist auf grundsätzliche allertiefste Gräben in der westlichen Führungsmacht hin:
"Wenn Moral aber kein allgemeingültiger Maßstab für persönliches Handeln mehr ist, sondern ein Kampfbegriff aller Seiten eines Konflikts, dann weist das auf eine Gesellschaft hin, die keine gemeinsame Sprache mehr findet. Dieses gegenseitige Unverständnis sitzt tief in der amerikanischen Gesellschaft. Für Europäer ist das nur schwer nachzuvollziehen, weil die Gesellschaften auf dieser Seite des Atlantiks zu überwiegenden Teilen sehr viel liberaler, rationaler und weltlicher gesinnt sind."
Vor allem aber haben wir in unseren freiheitlichen Staaten jeweils einheitliche Wahlordnungen und keine absurden Verfahren, die aus dem 18. Jahrhundert stammen.

Erneuerter Glaube an die Verfassung

"In welcher Denktradition steht Joe Biden?", fragt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG nach dessen erster Rede als künftiger Präsident.
"Es blieb Pathos in der besten Tradition des Landes: Eine neue Seite wird aufgeschlagen. Der Glaube an die Verfassung hat sich erneuert", meint Paul Ingendaay. "Jetzt geht die amerikanische Erneuerung von einem alten Herrn aus, der schon eine Ehefrau und zwei Kinder zu Grabe getragen hat."
Konrad Adenauer war auch nur knappe fünf Jahre jünger, als er zum Bundeskanzler gewählt wurde. Und Joe Biden macht doch einen geistig sehr munteren Eindruck. "Die Denktradition, auf die seine Botschaft an die Nation sich stützt", findet Paul Ingendaay, "ist weit und tief genug, um immer wieder zum Leben erweckt zu werden."
Und hoffentlich auch weit und tief genug, dass die Vereinigten Staaten unter diesem alten Herrn wieder eine verantwortungsbewusste westliche Führungsmacht werden. Das war zu Zeiten von Konrad Adenauer einfacher; da konnte noch nicht getwittert werden.
"Neu ist, dass es nun vonseiten großer Plattformen wie Twitter oder Facebook erste zaghafte Versuche gibt, die außer Kontrolle geratenen Informationen einzuhegen. Zum Beispiel, indem es aufwendiger wird, sie zu teilen", erfahren wir aus der SÜDDEUTSCHEN von Michael Moorstedt über sensibleres Verhalten der sogenannten sozialen Medien nach vier Jahren Twitterei des bald abgelösten Präsidenten Trump.
"Es ist eine gute Nachricht, dass die Demokratie stärker war", so Klaus Brinkbäumer im TAGESSPIEGEL. "Doch es war knapp genug."
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