Aus den Feuilletons

Vertrauen ins Vorlesen

04:24 Minuten
Eine Mutter liest in den 90er-Jahren ihrer Familie vor, sie sitzen auf der Wiese.
Früh gelernt: Dieses Kind wird den eigenen Kindern wohl auch einmal vorlesen. © picture alliance / dpa/ Frederike von Stackelberg
Von Klaus Pokatzky · 29.10.2020
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Wer als Kind nicht vorgelesen bekommen hat, traut sich als Erwachsener weniger, den eigenen Kindern vorzulesen, erfahren wir in der "Welt". Also jetzt in Coronazeiten direkt anfangen. Oder Schriftsteller werden, wie die "Süddeutsche" vorschlägt.
"Rund 32 Prozent aller Eltern in Deutschland lesen ihren Kindern selten oder nie vor", erfahren wir aus der Tageszeitung DIE WELT. "Diese Zahl ist seit Jahren konstant, berichtet die Stiftung Lesen." Die hat in ihrer aktuellen Vorlesestudie auch die Gründe dafür untersucht.
"Die Hälfte derjenigen, die dem Vorlesen kritisch gegenübersteht, hat in der eigenen Kindheit keine Vorleseerfahrungen gemacht. Ihnen fehlt das Vertrauen, dass Vorlesen jederzeit und überall ohne Übung möglich ist. ‚Das wollen, das müssen wir ändern‘, sagt die Stiftung Lesen." Also machen Sie mit, lesen Sie Ihren Kindern und Enkeln gerade auch in Coronazeiten vor.

Kulturszene im Winterschlaf

"Von Montag an im Winterschlaf" sieht die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG unsere deutsche Kulturszene, wenn nun wieder verschärfte Maßnahmen gegen Corona in Kraft treten. "Theater, Opern und Konzerthäuser werden wie Bordelle, Spielbanken und Wettannahmestellen betrachtet", schreibt Jan Brachmann. "Was sie anbieten, sind 'Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen'. Sie werden untersagt."
Was ist mit den Museen? "In den Beschlüssen von Baden-Württemberg sind die Museen als Schließungskandidaten explizit aufgelistet", heißt es im Berliner TAGESSPIEGEL. "In Berlin wird am Freitag noch darüber beraten", erklären uns Gunda Bartels und Christiane Peitz, wie das so in einem Staat mit 16 Bundesländern funktioniert.
"Werden die Gerichte des Landes akzeptieren, was die Bundes- mit den Landesregierungen abermals ohne Mitwirkung des Parlaments beschlossen haben?", fragt da die FRANKFURTER ALLGEMEINE. "Die Begründung des unvorhergesehenen Notstands werden Oberverwaltungsgerichte vermutlich nicht noch einmal akzeptieren", meint Simon Strauss. "Wenn sie jetzt einzelne Maßnahmen kassieren und – wie unlängst bei den Beherbergungsverboten – als unverhältnismäßig oder parlamentsgesetzlos einstufen, wäre das ein fataler Rückschlag für die gesellschaftliche Akzeptanz der politischen Anstrengungen im Kampf gegen das Virus insgesamt." Da werden wir noch heftige Debatten erleben. Die Feuilletons schreiben sich schon warm.
"Bars, Restaurants, Opern und Theater, die sich vorbildlich an die neuen Hygieneregeln angepasst haben, sollten offen bleiben", fordert Andreas Rosenfelder in der WELT. "Schließt die Theater", verlangt hingegen Jan Küveler in derselben Zeitung. "Auch die Wege der Besucher, in Städten, wo die Theater normalerweise stehen, oftmals mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt, sind nicht zu unterschätzen. Je weniger, desto besser."

Jetzt Schriftsteller sein

Was machen wir dann, die wir keine Kinder oder Enkel haben, denen wir etwas vorlesen können? "Was also macht er, der wegen der Pandemie und zum Schutz vor ihr eingesperrte Mensch", fragt denn auch die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. "Er schreibt", antwortet Willi Winkler. "In seinem Zimmer, in der inneren Emigration, vor dem Laptop also und am Smartphone, kommt der Deutsche endlich zu sich und wird – als Deutscher kann er nicht anders – zum Schriftsteller."
Andere sind das schon. "Du hast das Recht, keine Maske zu tragen. Aber du hast kein Recht, andere anzustecken", sagt die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood im Interview mit der WELT. "Wer nicht an die Pandemie glaubt, soll meinetwegen ohne Maske herumlaufen und sich mit dem Virus anstecken. So ein Verhalten ist nur unanständig gegenüber den Ärzten und Mitarbeitern des Gesundheitswesens, die später ihre eigene Gesundheit und ihr Leben einsetzen müssen, um sich um diese Leute zu kümmern." Und besonders erwachsen ist es auch nicht.
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