Aus den Feuilletons

Versteckte Selfies in Heiligenbildern

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Sandro Boticelli: Anbetung der Könige (um 1473/75). Die Figur am rechten Bildrand könnte der Künstler selbst sein, vermuten einige Experten.
Sandro Boticelli: Anbetung der Könige (um 1473/75). Die Figur am rechten Bildrand könnte der Künstler selbst sein, vermuten einige Experten. © picture-alliance / akg-images / Rabatti - Domingie
Von Gregor Sander · 05.01.2021
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Schon immer haben sich Künstler selbst in christliche Szenerien hineingemalt. Ganz besonders häufig taten sie das aber bei Darstellungen der Heiligen Drei Könige, stellt die FAZ fest. Prominente Beispiele seien Botticelli und Dürer.
Die Ankunft der Heiligen drei Könige in einem Stall in Bethlehem vor über 2000 Jahren verhindert morgen das Erscheinen der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, da dieser Tag in Bayern ein Feiertag ist.
Der Verlust wird aber thematisch von den anderen Feuilletons aufgefangen, etwa, wenn sich Elmar Krekeler in der Tageszeitung DIE WELT Gedanken um den Schlaf des Gottessohnes in der Krippe macht:
"Da Maria und Joseph, selbst wenn sie hätten lesen können, kaum Ratgeberliteratur zur Verfügung stand ('Jedes Kind kann schlafen'), werden sie auf das älteste und natürlichste Hilfsmittel zur Beruhigung kleiner Menschen zurückgegriffen haben: Sie werden Jesus im Arm oder in der Krippe leise geschaukelt haben. Und gesungen haben werden sie auch", so ist sich Krekeler sicher und bestätigt den beiden, im Nachhinein alles richtig gemacht zu haben:
"Singen an Krippe, Wiege und Bettchen, das haben inzwischen klinische Studien ergeben, führt, und wenn es nur zehn Minuten sind, zu ruhigerem Puls bei Kindern, weniger Angst und weniger Schmerz."

Frühe Selfies in christlichen Bilderzählungen

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG betrachtet Stefan Trinks die gemalten Heiligen Könige, allerdings sucht er auf diesen Bildern eher die Maler:
"Seit Jahrhunderten malen sich Künstler in christliche Szenerien hinein, als ungläubiger Thomas, in die Gesichter ihrer Namensheiligen oder in andere Akteure christlicher Bilderzählungen, weshalb man bei diesen frühen Selfies auch von 'sakralen Identitätsporträts' oder geschraubter von einer 'Imitatio pietatis' spricht, dem frommen Nachvollzug einer biblischen Geschichte in der Gefolgschaft Christi. Auffällig aber ist, dass Künstler dies besonders häufig im Fall der Anbetung der Könige vollzogen."
Dann identifiziert Kommissar Trinks aus Frankfurt/Main die Herren Botticelli und Dürer in ihren eigenen Dreikönigsbildern, um im Finale seiner Betrachtung noch ein rätselhaftes Beispiel aus der Popmusik zu finden:
"Im vermutlich meistgeklickten Musikvideo zum Dreikönigstag, dem Lied 'The Power of Love' der britischen Gruppe 'Frankie Goes to Hollywood' von 1984, werden die inhaltlich gar nicht mit der Weihnachtsgeschichte verbundenen Liedzeilen mit dieser untermalt und enden mit dem Zug der Könige zum Kind."
So rät der FAZ-Autor im Coronawinter: "Als kleiner Ersatz für das 2021 ausfallende Sternsingen scheint diese moderne Musikvideoversion eines alten Themas adäquat."

Reißerische Werbung für Söder-Biografie

Auch wenn die SZ am Mittwoch nicht erscheint, heißt das nicht, dass es keine Nachrichten aus Bayern gibt. "Schwer zu sagen, ob Markus Söder nicht auf dem falschen Weg ist", fragt sich Paul Jandl in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Dabei sorgt er sich gar nicht wirklich um die Wege des bayerischen Vielleichtbaldkanzlerkandidaten, sondern nur um dessen im Frühjahr erscheinende Biografie:
"So wie 'Söder. Die andere Biografie' beworben wird, muss man offenbar fürchten, dass uns entweder alte süddeutsche Waffenbräuche oder moderne Intrigen noch mächtig Feuer unterm Hintern machen werden", schreibt Jandl, um dann die Verlagswerbung zu zitieren: "Sie mögen 'Game of Thrones' oder 'House of Cards'? Dann sind Sie hier richtig."
Sich über Vorschautexte lustig zu machen ist ja alle halbe Jahre wieder ein Leichtes, bei all der hintergründigen Komik und der schlafwandlerischen Sicherheit, die hin und wieder zur präzisen Poesie führt, und so schließen wir uns dem Jandlschen Wunsch an:
"Man würde gerne einmal ein Buch lesen, das voll vordergründiger Komik und unpräziser Poesie ist. Mit schlafwandlerischer Unsicherheit und existenzieller Wucht stürzt darin ja vielleicht ein Dichter vom Balkon."

Die Wonnen des heimischen Sessels

Ebenfalls in der NZZ kann man lesen, was passiert, wenn man im Homeoffice zu viel Verlagsvorschauen liest. Robin Schwarzenbach hat sich in seinen Sessel verliebt: "In Zeiten wie diesen, da wir die Welt wieder vermehrt vom Wohnzimmer aus betrachten müssen, gibt es keinen sichereren Ort als den eigenen Fauteuil."
Schwarzenbach ist so verknallt in sein Familienarmlehnenerbstück, dass er selbst das Lesen aufgibt: "Man kann einfach hineinplumpsen, auch ohne gehobene Lektüre. Einfach so, um aus dem Fenster zu schauen."
Wenn Sie ein Fauteuil besitzen, dann können Sie das ja mal nachmachen.
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