Aus den Feuilletons

Verbale Prügel für den Papst

Ein Mann geht am 04.02.2017 unweit des Vatikans in Rom an papstkritischen Plakaten vorbei. Unter dem Foto steht: «Du hast die Kongregationen unter Aufsicht gestellt, Priester entfernt, den Malteserorden und die Franziskaner der Immakulata enthauptet, Kardinäle ignoriert... Aber wo ist deine Barmherzigkeit?». Franziskus, dessen zentrale Botschaft im Pontifikat die Barmherzigkeit ist, sieht sich wegen seines Reformkurses bereits seit Monaten wachsendem Widerstand in den eigenen Reihen ausgesetzt. (zu dpa "Papstkritische Poster in Rom: Unmut gegen Franziskus" vom 04.02.2017) Foto: Lena Klimkeit/dpa | Verwendung weltweit
Papst Franziskus gerät immer mal wieder wegen seiner Entscheidungen oder Äußerungen in die Kritik. © picture alliance/dpa/ Lena Klimkeit
Von Tobias Wenzel · 08.12.2017
Papst Franziskus nimmt Gott in Schutz: Niemals würde der Himmlische Vater Menschen in Versuchung führen - dies tue nur Satan. Für diese Neuinterpretation hagelt es Kritik aus den Feuilletons, die das für ziemlich weichgespült halten.
"Sie riechen nach Schweiß, nach Rauch, nach Tränen", schreibt Roman Bucheli in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG in seinem Lob der Telefonzellen, das zugleich ein wehmütiger Abgesang ist. Nur noch 5000 Telefonzellen gebe es in der Schweiz, und die sicher auch nicht mehr lang: "Es telefoniert doch keiner mehr, da alle an ihren Handys hängen, die ausserdem kaum einer zum Telefonieren braucht. ‚Aber ist denn das Wesentliche einer Telefonzelle das Telefon?‘, fragte schon Alfred Polgar. ‚Nein, das Wesentliche sind die vier Wände. Die Enge.‘"
Antwortete Polgar. Und antwortet mit ihm nun Roman Bucheli, der sich leidend eine Welt ohne Telefonzellen vorstellt: "Man brächte die Stimmen zum Verstummen, die Kritzeleien verschwänden, der süss-säuerliche Geruch verflüchtigte sich. Wo aber sollte einer dann noch den Mut finden zu himmelhoch jauchzenden oder zerknirschten Geständnissen?"

Franziskus im Kreuzfeuer

Apropos "himmelhoch": Gleich zwei Feuilletons beschäftigen sich mit Gott. Genauer: mit Gott, wie ihn der Papst versteht. "Kommt auch nicht oft vor, dass ein Papst das Wort Gottes kritisiert", schreibt Alex Rühle in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "In einem italienischen Fernsehinterview mahnte Papst Franziskus vor wenigen Tagen an, den Satz aus dem Vaterunser, der beispielsweise im Deutschen ‚Und führe uns nicht in Versuchung‘ heißt, neu zu übersetzen. Seine Begründung: Gott wolle den Menschen nie selbst in Versuchung führen." Und dann zitiert Rühle den Papst: "Ein Vater tut so etwas nicht. (…) Ein Vater hilft, sofort wieder aufzustehen. Es ist Satan, der dich in Versuchung führt." Deshalb habe der Papst die folgende Übersetzung für die katholische Kirche vorgeschlagen und durchgesetzt: "Lass mich nicht in Versuchung geraten" heißt es von nun an.
Diese glattgebügelte Wohlfühlübersetzung findet Jürgen Kaube von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG gar nicht komisch: "Wer noch nicht abgefallen ist, der mag jetzt versucht sein, es zu tun: nicht vom Glauben, aber von dem an die Weisheit seines höchsten Repräsentanten." Schließlich sei Gott sehr wohl in der Lage, Menschen in Versuchung zu bringen. Der Papst erweise sich in diesem Punkt als "textfremd". Kaube will wohl sagen: Der Papst hat die Bibel nicht oder nur oberflächlich gelesen.

Die Frucht am Baum der Erkenntnis kam von Gott

"Oder wie möchte Papst Franziskus die Geschichte mit dem Baum der Erkenntnis von Gut und Böse verstehen, von dessen Früchten zu essen Gott dem erste Paar, Eva und Adam, jenem ersten ‚uns‘, verbot?", fragt Kaube. Und Alex Rühle schließt in der SZ mit den Worten: "Und Jesus selbst schrie verzweifelt am Kreuz: ‚Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?‘ Soll man daraus jetzt auch machen: ‚Es wäre schon nett, wenn du mich jetzt nicht verließest‘?"
Auch Gerhard Matzig verteidigt das Alte: den üppigen Weihnachtsschmuck. Der sei nämlich durch einen neuen Trend zum "radikal minimalistischen, ja antiseptischen" Dekorieren in seiner Existenz bedroht. In der SÜDDEUTSCHEN zitiert Matzig angewidert Wohnportale: "Gemäß der Online-Wohn-Community ‚Houzz‘, die ‚pompös geschmückte Tische aus Großmütterchens Zeiten‘ als No-Go beschreibt, (…) verbringen wir das Fest an einer ‚lässigen Weihnachtstafel ohne Tischdecke‘ (…). Die Teller sind von blauer Farbe – weil Blau angeblich ‚den Appetit zügelt‘. Bloß keine Kalorien, weniger ist mehr."
Dabei litten die Menschen doch schon so lange an karger Schlichtheit im Alltag und seien umgeben von trostloser Architektur: "Nach einem Jahrhundert der gesamtgesellschaftlich verordneten Schmucklosigkeit, da jeder Anflug von Ornament schon als Verbrechen gilt, ist Weihnachten (…) auch so etwas wie die konsumistische Rache des kleinen Mannes an der Moderne. Es ist eine Auszeit von Purismus und Funktionalität. Es sind die Wochen, da man sich sagen darf: Ich schmücke, also bin ich."
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