Aus den Feuilletons

Unvoreingenommener Blick auf Muslime

Muslime beten beim Freitagsgebet in der Moschee Eyüp Sultan Camii in Ronnenberg in der Region Hannover.
Muslime beten beim Freitagsgebet in der Moschee Eyüp Sultan Camii in Ronnenberg in der Region Hannover. © dpa-Bildfunk / Julian Stratenschulte
Von Adelheid Wedel · 21.05.2016
Die "Neue Zürcher Zeitung" berichtet über eine Befragung unter Muslimen in sechs europäischen Ländern. Danach machen religiöse Fundamentalisten nicht die Mehrheit europäischer Muslime aus, bilden aber eine einflussreiche Minderheit. Die Zeitschrift "Gazelle" warnt vor einem Generalverdacht.
"Wie stark ist der ideologische Rückhalt des islamischen Extremismus?"
Ruud Koopmans, Professor für Soziologie und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin geht der Frage in seinem Diskussionsbeitrag in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG vom Samstag nach.
"Wie gelang es Europas zuletzt meist gesuchtem Terroristen Salah Abdeslam, sich mehr als vier Monate vor der Polizei zu verstecken?"
Eine Vermutung lautet:
"Die Gewalttäter wissen, dass viele ihr Ziel teilen. Sie wissen, dass sie sich keine Sorgen machen müssen, wenn sie sich in ihrem Freundeskreis oder am Stammtisch mit der Tat brüsten."
Der Autor fasst zusammen:
"Keine terroristische Bewegung in der Geschichte […] hat jemals erfolgreich operieren können ohne einen breiteren Kreis von Sympathisanten und Unterstützern."
Da liegt der Schluss nahe, "dass es für die Ziele der islamischen Extremisten mehr Unterstützung gibt als gemeinhin angenommen."

Appell an "aufrechte Muslime und ihre Verbandsvertreter"

Der Autor zitiert in seinem Beitrag Ergebnisse einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, die in sechs europäischen Ländern unter Muslimen durchgeführt wurde.
"47 Prozent der befragten Muslime vertreten eine fundamentalistische Glaubensauffassung, 45 Prozent halten die Regeln des Korans für wichtiger als die deutschen Gesetze, 31 Prozent unterstützen die Meinung, wonach jemand, der sich vom Islam abwendet, die Todesstrafe verdient."
Koopmans betont, es ist ihm wichtig:
"Religiöse Fundamentalisten machen nicht die Mehrheit der europäischen Muslime aus. Dennoch bilden sie eine beachtliche und einflussreiche Minderheit."
Deswegen empfiehlt der Experte,
"die Mehrheit der aufrechten Muslime und ihre Verbandsvertreter täten gut daran, die Situation in den eigenen Reihen unvoreingenommen zu analysieren", denn "die eigentliche Bedrohung für den Islam kommt nicht aus Jerusalem oder Washington, sondern aus der Mitte ihrer eigenen Gemeinschaft."

Nicht über "den" Islam und "die" Muslime berichten

Im TAGESSPIEGEL vom Sonntag wendet sich die deutsche Autorin marokkanischer Abstammung Sineb el Masrar, Herausgeberin und Chefredakteurin der multikulturellen Frauenzeitschrift "Gazelle", dagegen, dass Muslime unter Generalverdacht gestellt werden. Sie meint:
"Durch die Flüchtlingsthematik und die jüngsten politischen Entwicklungen in der Türkei kommt hierzulande die aufgeheizte Diskussion über den Islam nicht zur Ruhe. Statt immer über DEN Islam und DIE Muslime zu berichten, sollten Medien endlich kritisch bestimmte Akteure befragen. Vom Zentralrat der Muslime über Funktionäre der Milli Görüs und der Union Europäischer Türken in Deutschland gäbe es da genug Ansprechpartner. "
Die Wochenendausgabe der Tageszeitung TAZ informiert auf zwei Zeitungsseiten über Bemühungen deutscher Institutionen, Flüchtlingen ihr Zufluchtsland zu erklären,
"Flüchtlinge sollen deutsche Gesetze, Werte und Regeln lernen."
Margarete Moulin berichtet von einem Besuch im Rechtskundeunterricht und bei der Sexualaufklärung in Bayern.

Bob Dylans Alterswerk in der Kritik

Das in der vergangenen Woche viel beachtete neue Album von Bob Dylan wird am Sonntag im TAGESSPIEGEL von Rüdiger Schaper rezensiert. Die Meinungen der Rezensenten gingen zuvor weit auseinander. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG nahm Diedrich Diederichsen
"die nicht ganz unsteife Stimmung des Albums auf: zart, anrührend, nicht völlig humorlos, aber auch etwas gezwungen",
während Dietmar Dath in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG dem Altmeister sein Alterswerk um die Ohren haute. Schaper hingegen schwärmt:
"Die Welt hat seine Songs und wäre ohne sie ärmer."
Auch der Wahlkampf in den USA ist Thema auf den Feuilletonseiten dieser Woche. Diesmal ging es um das Buch des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Die Rezension in der Tageszeitung DIE WELT lädt nicht gerade zum Lesen ein, urteilte unser Pressebeschauer, der anschließend aus der ZÜRCHER ZEITUNG zitierte. Dort schrieb Louis Begley über Trump:
"Er hatte nie ein öffentliches oder politisches Amt inne, kein Anzeichen lässt darauf schließen, dass er versteht, wie eine Regierung funktioniert, seine Ignoranz in außenpolitischen Dingen ist erschütternd, sein Respekt vor dem amerikanischen Verfassungssystem und dessen Traditionen dürftig. "

Europäisches Jugendorchester in Gefahr

Kehren wir zurück nach Europa. In der Tageszeitung DIE WELT macht Manuel Brug seinem Ärger Luft:
"Man kann es nicht anders sagen: Es ist eine Unverschämtheit. Eine bodenlose. Es ist borniert, dumm und gedankenlos",
wettert er über die Änderung bei den EU-Förderrichtlinien, derzufolge das Europäische Jugendorchester finanziell nicht mehr von der EU unterstützt wird.
"Wenn nicht schnell etwas geschieht, wird das Orchester zum 1. September aufgelöst", schreibt der Autor und setzt hinzu: "Es wäre eine Tragödie."
Im TAGESSPIEGEL von diesem Sonnabend steht die vielleicht rettende Nachricht:
"Deutschland will sich in Brüssel für das Europäische Jugendorchester einsetzen."
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