Aus den Feuilletons

Thilo Sarrazin – die nächste Provokation?

Der Buchautor Thilo Sarrazin
"Es ist gar nicht so sehr, was er sagt, sondern wie er es sagt. Dieser kleinkarierte Ton des Miesepeters", schreibt die "taz" über Thilo Sarrazin. © imago stock&people
Von Tobias Wenzel · 24.08.2018
Thilo Sarrazin stellt am Dienstag sein neues Buch "Feindliche Übernahme" vor. Der von seinen Gegnern gereizte Sarrazin baue "weiterhin mit groben Klötzchen an seiner Abstammungstheorie angeblich höherer und minderwertiger Kulturen", so die "taz".
Gerade hat es sich, was die Temperatur betrifft, ausgesommert. Aber das Sommerloch gähnt noch immer. Und so sind die Macher der Feuilletons vom Samstag kreativ und behelfen sich, indem sie nicht ins Hier und Jetzt, sondern vor allem in die Zukunft blicken: in die nächste Woche, wenn die Filmfestspiele von Venedig beginnen und Thilo Sarrazins neues Buch erscheint, und auch in die mittel- bis langfristige Zukunft.
Quo vadis, amerikanische Comedy, fragt sich Jens-Christian Rabe in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
Gallionsfiguren des besseren Amerikas: "Die Protagonisten und ihre Gag-Autoren übertreffen sich im Angesicht des Trump-Wahnsinns regelmäßig selbst und sind so etwas wie die Gallionsfiguren des anderen, besseren Amerikas geworden", schreibt Rabe.
"Das Problem ist nur, inzwischen erscheint der Tausch Pointe gegen Lacher mit jedem Tag, die die Twitter-Präsidentschaft Trumps und die daran hängende neue Unübersichtlichkeit der Welt andauert, ein wenig schaler."

Noch mehr bessere Comedy

Also eine Krise der US-amerikanischen Comedy. Herauskommen kann sie da nur, ist sich Rabe sicher, durch "noch mehr und noch bessere Comedy". Rabe bettet seinen SZ-Artikel übrigens in Gedanken von Adorno ein. Das würde hier zu weit führen. Aber immerhin sei zitiert, wie Adorno das dem Deutschen bis heute oft suspekte, vermeintlich gespielte Lächeln der US-Amerikaner gar als universalen Sieg der Aufklärung deutete:
"Es ist wahrscheinlich so, dass ein Mensch, der unter äußerem Zwang auf diese Weise zur Freundlichkeit gebracht wird, dann doch eher auch zu einer gewissen Humanität in seinem Verhältnis zu anderen Menschen kommt als jemand, der nur, um mit sich selbst identisch zu sein – als ob diese Identität mit sich selbst immer wünschbar wäre –, ein bösartiges, vermuffeltes Gesicht macht und einem von vornherein bedeutet, dass der andere Mensch für ihn eigentlich nicht existent sei."

Der kleinkarierte Ton

Vom "vermuffelten Gesicht" zum Miesepeter ist es nicht weit:
"Es ist gar nicht so sehr, was er sagt, sondern wie er es sagt. Dieser kleinkarierte Ton des Miesepeters",
schreibt Andreas Fanizadeh in der TAZ und meint Thilo Sarrazin. Am Dienstag erscheint dessen neues Buch "Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht". Fanizadeh prophezeit Schlimmes:
"Der von seinen ignoranten Gegnern bis auf Blut gereizte Laizist und Rechthaber Sarrazin baut weiterhin mit groben Klötzchen an seiner Abstammungstheorie angeblich höherer und minderwertiger Kulturen."
Der Journalist mahnt dagegen, "den Islamisten vom Islam zu unterscheiden, genauso wie den Nazi vom Konservativen".

Eine Wanze im Beichtstuhl

Ein junger Künstler verliebt sich in eine Modestudentin. Deren Vater ist ein Nazi, später ein überzeugter Sozialist, und verachtet den möglichen Schwiegersohn. Das ist der Rahmen in "Werk ohne Autor", dem neuen Film von Florian Henckel von Donnersmarck. Zu sehen als Wettbewerbsbeitrag bei den Filmfestspielen in Venedig, die nächste Woche beginnen. Für die Geschichte des Kinofilms hat der Regisseur den Maler Gerhard Richter zu dessen Leben interviewt.
Regisseur Florian Graf Henckel von Donnersmarck
Regisseur Florian Graf Henckel von Donnersmarck© Kurt Krieger / CORBIS
Was genau im Film dem realen Leben Richters entspricht und was dazu gedichtet ist, darüber haben der Maler und der Regisseur Stillschweigen vereinbart. Das hat der Oscar-Preisträger drei Journalisten vom SPIEGEL erzählt. Auch, dass er sich überhaupt gerne in "Das Leben der Anderen" versetzt:
"Als Sechstklässler, wir wohnten damals in Frankfurt, habe ich einmal wahnsinnigen Ärger mit unserem Au-pair-Mädchen bekommen. Weil ich Stunden zu spät aus der Schule nach Hause gekommen bin. Ich hatte im Bus zufällig neben zwei älteren Frauen gesessen, die sich über ihre Kindheit unterhielten. Das fand ich so spannend, dass ich einfach zuhören musste und mitgefahren bin, bis die beiden ausstiegen. Das Tollste, habe ich mir als Kind gedacht, wäre eine Wanze im Beichtstuhl, mit der man Menschen in ihrem wahren Zustand, in ganz ehrlichen Momenten, belauschen könnte."
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