Aus den Feuilletons

The Great Nowitzki in Frankfurt

04:23 Minuten
Dirk Nowitzki steht anlässlich der Buchpräsentation von "The Great Nowitzki" bei einem Fototermin im Schauspielhaus. Das Buch wurde vom deutschen Autor Thomas Pletzinger verfasst, der links neben ihm steht.
Dirk Nowitzki stellte auf der Frankfurter Buchmesse seine Biographie vor – verfasst von Thomas Pletzinger, hier links im Bild. © picture alliance/Silas Stein/dpa
Von Arno Orzessek · 18.10.2019
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In der „FAZ“ wird über die Anziehungskraft des zurückgetretenen Basketball-Profis Dirk Nowitzki gestaunt. Als dieser auf der Frankfurter Buchmesse seine Biographie vorstellt, reichen „die Warteschlangen für Signaturen dreimal durchs ganze Foyer“.
"Man kommt während dieser Buchmessentage an Peter Handke nicht vorbei", betont Gerrit Bartels im Berliner TAGESSPIEGEL. Was Sie genauso wenig überraschen dürfte wie der Umstand, dass auch wir hier an Handke ein weiteres Mal nicht vorbeikommen. Schon allein weil Tijan Sila in der TAGESZEITUNG einen extra-unbarmherzigen Anti-Handke-Artikel vorlegt.

Genervt von Handkes Selbststilisierung

Sila ist mächtig genervt von Handkes Selbststilisierung – "'Ich bin ein Schriftsteller, ich komme von Tolstoi, ich komme von Homer, ich komme von Cervantes'" – und poltert:
"Fragte man Handke früher nach bosnischen Genozidopfern, giftete er, man solle sich die Betroffenheit in den Arsch stecken – heute rennt er vor derlei Fragen davon und jammert, er sei doch nur Schriftsteller. Stellt man das dem aggressiven Bescheidwissertum gegenüber, mit dem er sich einst an die Seite serbischer Nationalisten stellte, könnte man glauben: Er ahnt, dass er damit falsch lag. Darum könnte die Aussage, er sei Schriftsteller, ebenso gut lauten: 'Ich bin doch nur ein vorlauter Österreicher.' Es ist die Ausflucht eines Kindes, das etwas angestellt hat und sich der Verantwortung zu entziehen versucht, indem es darüber klagt, den Erwartungen Erwachsener nicht standhalten zu können", so der Handke-Verächter Tijan Sila.

"Handke ist kein Völkermord-Apologet"

Als vorsichtiger Handke-Versteher zeigt sich dagegen in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Lothar Müller:
"Handke ist kein Völkermord-Apologet. Aber jemand, der die staatlichen, systematischen Vernichtungsenergien beim Zerfall Jugoslawiens unterschätzt. Seine Schlüsselkategorie als Erzähler über den Krieg ist die Rache. Ihr traut er alles zu. Sie treibt die Kriege voran und sorgt, wenn schon nicht für Gleichverteilung, so doch für die Verteilung der Schuld: 'Ich sage'", sagt Handke "''Srebrenica' war blinde, böse Rache dafür, dass während dreier Jahre über tausend Serben rund um Srebrenica gemordet wurden.'"
Handkes Erklärung für das Massaker an 8.000 Bosniaken – zitiert in der SZ.

Aufkommendes Gefühl eines gendermäßigen Epochenwandels

Lassen wir ab von mordenden Männern, kommen wir zu "Frauen, die auf Frauen blicken". Unter diesem Titel präsentiert die Tageszeitung DIE WELT ein "phänotypisches Protokoll von der Frankfurter Buchmesse", verfasst von Mara Delius und Hannah Lühmann. Hier ein Auszug:
"Donnerstag, 22.00 Uhr. Wichtige Buchmessenparty im Haus eines wichtigen Mannes, Joachim Unseld, in dessen Frankfurter Verlagsanstalt großartige Frauen erscheinen wie die deutsch-georgische Schriftstellerin Nino Haratischwili oder Pauline Delabroy-Allard, die mit ihrer Erzählung einer lesbischen Amour fou gerade für viel Wirbel sorgte. Heute Abend hat die Schauspielerin Julia Malik aus ihrem Roman vorgelesen. Leider haben wir die Lesung verpasst, aber Männer scharen sich um Malik und starren sie an, auch wir starren, sie ist magnetisch. Eine Kollegin spricht über die Vorzüge weiblicher Führungskultur, man ist schon etwas angetrunken, das Gefühl eines gendermäßigen Epochenwandels kommt auf."
Ein Abend auf der Buchmesse – durch die Augen von Mara Delius und Hannah Lühmann betrachtet.

Standing Ovations für Dirk Nowitzki

"Von einem, der hoch hinausgekommen ist", berichtet die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. Der Hochhinausgekommene, das ist der zurückgetretene Basketballer Dirk Nowitzki, sein Biograph ist der Schriftsteller Thomas Pletzinger, die Biographie heißt "The Great Nowitzki" – und alle drei waren gemeinsam auf der Buchmesse, wo es deshalb das ganz große Hallo gab, wie Andreas Platthaus berichtet:
"Ein so männliches, aber auch so junges Publikum sucht man im Umfeld der Buchmesse sonst vergebens; eines, das sich schon im Moment des Auftritts eines Stargasts zur Standing Ovation erhebt, schon mal gar nicht. Und wer hat hier nicht schon alles gelesen: Jonathan Franzen, Robert Seethaler, Juli Zeh, Michel Houellebecq oder, kaum zwei Stunden zuvor, noch Jostein Gaarder, dessen Fans danach eine Warteschlange vor dem Signiertisch bildeten, die durchs ganze Foyer ging. Aber die Warteschlangen für Signaturen von Nowitzki und Pletzinger reichten später dreimal durchs ganze Foyer."
Staunend ob der Anziehungskraft von Dirk Nowitzki: Andreas Platthaus. Okay, damit sind wir für heute am Ende und vollenden unseren Schlusssatz mit der SZ-Überschrift: "Angekommen".
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