Aus den Feuilletons

Terror-Berichterstattung in der Kritik

Staats- und Regierungschefs beim Trauermarsch am 11. Januar 2015 in Paris für die Opfer in Folge des Anschlags auf die französische Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo".
Nur für die Fotografen marschiert? Das schreibt die "TAZ" zu den Staats- und Regierungschefs beim Trauermarsch für die Terroropfer am 11. Januar 2015 in Paris. © AFP / ERIC FEFERBERG
Von Tobias Wenzel · 13.01.2015
Die Feuilletons werfen einen kritischen Blick auf die Berichterstattung zum Attentat auf die Redaktion "Charlie Hebdo" und die Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt in Paris. Journalisten hätten möglicherweise sogar das Leben einer Geisel gefährdet, schreibt die "FAZ".
"Lieber Sepp, steck dir deinen Preis sonst wohin!", schreibt Markus Völker in der TAZ und meint den Fifa-Präsidenten Sepp Blatter. Der hat beim Goldenen Ball des Weltfußballverbandes in Zürich einem 90-jährigen japanischen Sportjournalisten einen Preis mit den Worten verliehen, er sei zugleich auch ein Preis für "alle Journalisten". Das findet der TAZ-Autor gar nicht komisch. Denn Blatter und Co. hätten Journalisten, die kritisch über die Fifa und ihre Skandale berichtet hätten, das Leben schwer gemacht und auch gegen die TAZ Prozesse geführt. Richtig übel wurde Markus Völker offensichtlich, als er die Weltfußball-Gala im Fernsehen sah:
"So weit ist es nun also gekommen, dass sogar die Fifa den mittlerweile inhaltsleeren Slogan 'Je suis Charlie' an die Wände des Zürcher Festsaals projizierte. Sie ist zum Kotzen, diese Heuchelei der Trittbrettfahrer. Der Fußballweltverband ist damit nur ein weiterer Wurm, der sich durch die Leichen der toten Satiriker bohrt."
Nur für die Fotografen marschiert
Das Attentat auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" und die Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt in Paris bleiben auch in den Feuilletons vom Mittwoch das bestimmende Thema. Nun werfen die Feuilletonisten einen kritischen Blick auf die Berichterstattung zu den terroristischen Übergriffen und deren Folgen.
Jürg Altwegg erwähnt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, dass der französische Fernsehsender BFM TV während seiner Live-Übertragung zur Geiselnahme verkündete, "dass sich eine Frau in der Kühlkammer versteckt" halte. Damit habe der Fernsehsender möglicherweise das Leben der Frau gefährdet. Denn, das weiß man inzwischen von einer befreiten Geisel, auch der Geiselnehmer im Supermarkt sah ebendiese Live-Übertragung. Die französische Polizei wiederum habe die Geiseln nicht sofort befreien können, weil sie erst Fernsehreporter habe verscheuchen müssen. "Wenn ihr nicht da wärt, hätten wir sie schon lange gefasst", sollen Polizisten zu den Journalisten gesagt haben, berichtet Altwegg weiter in der FAZ.
"Die Staats- und Regierungschefs ganz bürgernah, im Demozug für die Opfer der Pariser Anschläge. Vereint mit den Millionen Demonstranten",
beschreibt Quentin Lichtblau in der TAZ das Bild, das einige Medien, darunter die FAZ und das Erste in Form der "Tagesschau" vermittelten. Britische Medien hätten allerdings zurecht darauf hingewiesen, dass die Staatsmänner und -frauen nur für die Fotografen marschierten, fernab des eigentlichen Demonstrationszugs. "Nach dem Fototermin seien die Politiker wieder in ihre Limousinen gestiegen und davongefahren", schreibt der TAZ-Autor mit Verweis auf die britische Berichterstattung.
Besorgt über "aggressiven Laizismus"
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG druckt nicht nur das Titelblatt der am Mittwoch erscheinenden neuen Ausgabe von "Charlie Hebdo" ab, sondern auch gleich zwei Doppelseiten aus dem Heft. Zusätzlich verteidigt Lothar Müller den Satz "Je suis Charlie", macht sich allerdings Sorgen, ein "aggressiver Laizismus" könne nun als Reaktion auf den islamistischen Terror gestärkt werden: "[...] gnade uns Gott, wenn die Verteidigung der Pressefreiheit als Feldzug gegen jegliche Religiosität geführt wird".
Matthias Heine liebäugelt in seinem Artikel für die WELT mit dem Atheismus, allerdings nicht als Reaktion auf die jüngste islamistische Gewalt in Paris: "Das stärkste Argument gegen die Existenz Gottes ist nicht, was Menschen einander antun, sondern die Natur." Die sei, nicht zuletzt durch Katastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen und Pest, aber auch durch Tiere, die andere Tiere auf perfideste und brutalste Weise quälen und töten, viel grausamer als die Menschen. Heine zitiert dazu Arthur Schopenhauer und dessen "negativen Gottesbeweis":
"Die traurige Beschaffenheit einer Welt, deren lebende Wesen dadurch bestehen, dass sie einander auffressen (...), ist ehrlicherweise nicht damit zu vereinen, dass sie das Werk vereinter Allgüte und Allmacht sein sollte."
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