Aus den Feuilletons

Sternen-Södi oder der Mann im Mond?

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder schaut durch ein Nachtsichtgerät.
Der Blick in die Zukunft? Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, CSU. © dpa / picture alliance / Lino Mirgeler
Von Tobias Wenzel · 03.10.2018
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ist im Wahlkampf, er will auf sich aufmerksam machen. Bei der Vorstellung des neuen Raumfahrtprogramms "Bavaria One" ließ er sein Konterfei ins Logo montieren. Wahlkampf-Gag oder Ernst? Auf jeden Fall ein Thema für das Feuilleton!
"Graciano Rocchigiani ist gestorben. Für den Sport eine Meldung, aber nicht für das Feuilleton?", fragt Jürgen Kaube in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG und traut sich dann, das Leben des Boxers zu feuilletonisieren. In den journalistischen Texten über Rocchigiani sei er fast immer als "Sohn eines sardischen Eisenbiegers" bezeichnet worden.
"Es war wie die Evokation eines neorealistischen italienischen Films in Schwarzweiß, in dem einer aus Sardinien irgendwie nach Duisburg kam, um dort eine vergleichbare Kraft im weniger gediegenen, aber einträglicheren Showbetrieb des Boxsports einzusetzen, erfolgreich und unglücklich zugleich zu werden und einer Halbwelt anheimzufallen, die für sardische Eisenbieger eine fremde Welt sein musste", lässt sich Kaube treiben.

Der Boxer Rocchigiani als Kulturthema

"Zwischen dem Eisenbieger und dem Boxer gab es dabei eine nicht nur familiäre Verwandtschaft. Denn beides, das Biegen von Eisen und das Schlagen mit den Fäusten, wirkt auf Anhieb anachronistisch." So macht man, auf Eisenbiegen und Brechen, einen gestorbenen Boxweltmeister zum Kulturthema.
An diesem Donnerstag hätte eigentlich der Literaturnobelpreis vergeben werden sollen. Hätte. Schließlich ist das Nobelpreiskomitee der Schwedischen Akademie vor lauter Skandalen – es geht vor allem um den Vorwurf der Vergewaltigung und der Vetternwirtschaft – immer noch mit sich selbst beschäftigt.
Deshalb wird der Preis in diesem Jahr ausgesetzt. Unklar ist, ob er überhaupt je wieder vergeben wird. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hat deshalb Autoren gebeten, darüber nachzudenken, welchen Schriftsteller sie ohne den Literaturnobelpreis wohl nie gelesen hätten.

Der nicht vergebene Literaturnobelpreis

Isaac Bashevis Singer, glaubt T. C. Boyle: "Singers Geschichten wirkten wie eine Offenbarung." Für Orhan Pamuk war es die Nobelpreisverleihung an Samuel Beckett. "Das war 1969 und ich war siebzehn", schreibt Pamuk. "Und danach habe ich ihn voller Bewunderung gelesen."
"Sollte ich durch den Nobelpreis jemals Schriftsteller entdeckt haben, von denen ich noch nie gehört habe, dann waren das auf jeden Fall nicht die damit ausgezeichneten wenigen Schriftstellerinnen", ist sich Annie Ernaux sicher. "Die kannte ich schon, bevor sie ihn bekamen, weil Frauen in diesem wie in anderen Bereichen ihre Arbeit und ihr Talent stärker unter Beweis stellen müssen, um anerkannt zu werden. Das dürfen Sie gerne drucken."

Der Mann im Mond

Sicher gerne drucken lassen hat Markus Söder sein Konterfei mitten hinein in das Logo des Bayerischen Raumfahrtprogramms "Bavaria One". Das hat er nun vorgestellt. "Wenn die Selbstüberschätzung schon bis zum Mond gewachsen ist, folgt als logische Konsequenz ein persönliches Raumfahrtprogramm", bemerkt Sophie Spelsberg spitz in der TAZ.
"Elon Musk hat es vorgemacht und einen Tesla ins All geschossen. Trump zog mit seiner Space Force, einer Kampftruppe für den Weltraum, nach. Was bleibt einem bayerischen Ministerpräsidenten da noch als Beweis für die eigene Größe? Klar, einfach das eigene Gesicht auf die Satelliten drucken lassen. Und dann von oben enttäuscht feststellen, dass man den bayerischen Landtag nicht aus dem All sehen kann."
Mehr zum Thema