Aus den Feuilletons

Sorgen um Europa

04:16 Minuten
Ein Mann greift sich verzweifelt an den Kopf, über ihm schwebt der Kranz mit den 12 EU-Sternen (Illustration).
Kurz vor den Europawahlen wachsen die Sorgen um den Zusammenhalt der EU. © imago stock&people / Jonathan McHugh
Von Paul Stänner · 12.05.2019
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Die FAZ berichtet über die Römerberggespräche. Dort stand die Frage im Mittelpunkt, ob und wie Europa zu retten ist. Dass immer mehr radikale oder euroskeptische Politiker in das EU-Parlament gewählt werden, lässt die Hoffnung schwinden.
Gerade eben hat eine Hochrechnung ermittelt, dass die Brexit Party von Nigel Farage, die überhaupt erst im Januar gegründet wurde, bei den anstehenden Europawahlen womöglich mehr Stimmen bekommen wird als die das Land regierenden Konservativen und die oppositionelle Labor Party zusammen. Man glaubte, dass Brexit-Desaster sei nicht mehr zu toppen, doch nun bleibt einem schier der Verstand stehen.
Die FAZ, die diese Hochrechnung noch nicht kennen konnte, berichtet über die Römerberggespräche, die sich die Frage gestellt hatten "Ist Europa noch zu retten?". Erschreckend erscheint eine Information, die ein Politikwissenschaftler aus den Bilanzen vergangener Europa-Wahlen ermittelt hatte. Sie besagt, dass in der Tendenz eher radikale oder euroskeptischer Politiker in das EU-Parlament gewählt werden, als Europa-Befürworter, muss man ergänzen. Angesichts solcher Wähler fragt man sich wirklich, ob Europa noch zu retten ist.

Über die Nützlichkeit der Gender Studies

Anderen ist anderes wichtiger: Die Tageszeitung taz bricht eine Lanze für das Uni-Fach Gender Studies, das "verstärkt Anfeindungen ausgesetzt" sei. Beispiele sollen die Nützlichkeit unter Beweis stellen. Stichwort Rechtsprechung: auf aktuelle Entwicklungen, z.B. im Mutterschaftsrecht, gebe es in Deutschland bislang nur punktuelle Reaktionen und dringenden Reformbedarf. Stichwort Informatik: Man müsse Acht geben, dass "Algorithmen nicht unsere Geschlechterstereotype übernehmen."
Stichwort Kulturwissenschaften: Eine Studie untersuchte, wie sich Schönheitsideale im Alter auswirken. Zitat: "Indem sie ein attraktives Erscheinungsbild wahrten, versuchten Teilnehmerinnen aus bildungsnahen Milieus, ihre soziale Position auch im Alter zu behaupten. Andererseits trete das Streben nach sexueller Attraktivität zurück. Stattdessen werde auf den Erhalt oder Ausbau von Fähigkeiten Wert gelegt, die dazu dienen sollen, solange wie möglich mobil und selbstständig zu bleiben." Das würden Teilnehmer wohl ähnlich gesehen haben, hätte man sie nur befragt. Sie wurden aber aus-gegendert.

Kulturpreis für eine Israel-Gegnerin

Gendern ist wirklich nicht alles: "Ahdaf Soueif hat sich in ihren fiktionalen Texten unter anderem auf sehr eindrückliche Weise dem arabischen Geschlechterverhältnis gewidmet", schreibt die FAZ in einem Artikel über die Verleihung des in Amsterdam ansässigen "ECF Princess Margriet Award" für Kultur. Allerdings sei Ahdaf Soueif ausdrücklich nicht nur für ihre Texte ausgezeichnet worden, sondern auch für ihren "Aktivismus". Im Weiteren folgen zahlreiche Belege dafür, dass die Aktivistin eine - Zitat - "fanatische Gegnerin des einzigen jüdischen Staates der Welt sei." Die FAZ schließt mit der Mahnung: "In diesen Tagen, in denen in Europa der Ermordung von sechs Millionen europäischer Juden durch das NS-Regime gedacht wird, sollte man sich darüber Gedanken machen, wem man Preise verleiht."

Bier als Garant für politische Stabilität

Vielleicht liegt das fundamentale Problem der Zukunft Europas oder der Politik überhaupt in den Trinkgewohnheiten. In Peru wurden Bierkrüge gefunden, die mit 10 Litern Fassungsvermögen selbst das Maß bayerischer Freudenspender weit übersteigen. Das Bier der Maja-Vorfahren bestand aus der vergorenen Pfefferbeere, die durch Zusatz von Speichel fermentiert wurde. Anders als solipsistisch grantelnde Bajuwaren tranken die Wari gesellig aus dem selben Eimer. Das führte die Forscher zu dem weitreichenden Schluss, dass das Pfeffer-Spucke-Gebräu – Zitat "für die ungewöhnlich langanhaltende politische Stabilität Perus in dieser Zeit verantwortlich gewesen sei."
Möglicherweise teilen die Briten diese Gewohnheit der Wari. Gerade der leading Brexiteer Nigel Farage ist bekannt für frühen und reichlichen Biergenuss. Und er führt die Umfragen an. Will uns das sagen, dass die politische Stabilität Großbritanniens im Isolationismus und im Bier liegt?
Wenigstens könnte es - reichlich genossen - die Folgen des Brexit erträglicher machen.
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