Aus den Feuilletons

Singen nur in Österreich

04:17 Minuten
Ein Sänger stößt beim Singen eine Aerosol-Wolke aus.
So sieht sie aus: die Aerosol-Wolke beim Singen © picture alliance/-/Bayerischer Rundfunk/dpa
03.07.2020
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Die "Welt" beschäftigt sich mit dem Singen, das in Österreich ab August im Chor wieder erlaubt ist - allen Aerosolen zum Trotz. In Berlin, der Heimat der ältesten noch existierenden gemischten Chorvereinigung der Welt, bleibt es verboten.
"Können Sie in die Zukunft sehen?", fragt DER SPIEGEL. "Nein, leider nicht", antwortet der Künstler Olafur Eliasson. Wir können in die Zukunft sehen – zumindest in die Feuilletons des nächsten Tages. "Ich bin kein besonderer Mensch", sagt Olafur Eliasson noch bescheiden. "Ich wehre mich dagegen, als eine Art Genie mythologisiert zu werden. Das ist hochgefährlich, weil man sich damit außerhalb der allgemeinen Moral stellt und Populisten in die Hände spielt. Die unterscheiden Menschen ja danach, wer mehr oder wer weniger wert sei."
Der dänische Künstler verbrachte seine Kindheit auf Island, er lebt in Berlin und Kopenhagen – ein echter Europäer also, dem wir gerne lauschen: etwa zum Thema Coronapolitik. "Ich sage meinen Freunden in den USA und in England immer, dass ich ein riesiges Glück habe, in einem Land zu leben, das von erwachsenen Menschen regiert wird. Ich weiß, die Deutschen sind nie von sich selbst beeindruckt, aber es lohnt sich manchmal, eine Physikerin als Kanzlerin zu haben." Vor allem, wenn die eine Pfarrerstochter ist und weiß, was protestantisches Verantwortungsethos bedeutet.

Alle leiden gemeinsam

"Wir sind soziale Wesen, aber uns fehlt der Sinn für die Verantwortung für unsere Mitmenschen", meint da ein Mann mit einer ganz anderen Religion. "Wenn wir die Hoffnung und den Mut verlieren, werden wir unsere Fähigkeit verlieren, die Probleme zu überwinden", lesen wir aus buddhistischer Sicht in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zu Corona.
"Wenn wir uns hingegen bewusst werden, dass wir nicht allein sind, sondern mit allen anderen gemeinsam leiden, dann werden unsere Entschlossenheit und unsere Fähigkeit zur Problemlösung steigen", meint der Dalai Lama, das geistliche Oberhaupt der Tibeter. "Diese realistischere Einstellung führt sogar dazu, dass wir jedes neue Hindernis als eine Chance ansehen, um unseren Verstand zu erweitern." Am kommenden Montag wird er 85 Jahre alt, aber auch, wer in die zukünftigen Feuilletons blicken kann, darf nicht vorher gratulieren.
"Gleich nach dem Urschrei kam das Singen", erinnert die Tageszeitung DIE WELT an jene Zeiten, als es noch gar keine Religionen gab. "Bestimmt hat schon der Neandertaler in der Höhle gemerkt, dass es dort noch schöner hallt, wenn er seine Stimmbänder traktiert", schreibt Manuel Brug und freut sich über unser musikalisches Nachbarland: "In Österreich singen Chöre und Orchester ab August wieder in großer Besetzung." Und bei uns? "Ausgerechnet in Berlin aber, wo man mit der 1791 gegründeten Sing-Akademie zu Berlin auf die älteste noch existierende gemischte Chorvereinigung der Welt stolz sein kann, ist das Singen im geschlossenen Raum aus Hygienegründen bis auf unbestimmte Zeit verboten. Total." Also auf nach Österreich.

Kein schlechtes Gewissen bei Kunstreisen

"Kulturreisen sind in diesem Sommer natürlich keine Pflicht", heißt es in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Es sollte aber auch niemand ein schlechtes Gewissen haben, eine Schau im Ausland, die Filmfestspiele in Venedig oder eine andere Kulturveranstaltung zu besuchen, solange man sich an die grundlegenden Hygienemaßnahmen hält. Kunst zu unterstützen ist gerade in diesen Zeiten auch ein Zeichen von Solidarität und von demokratischem, europäischem Bewusstsein."
So macht Nicolas Freund Werbung für die kulturellen Reisen durch Europa. "Selbst wenn sie in erster Linie dem Vergnügen dienen, sind sie auch Bildung, sie sind Kulturverständigung und sie sind im weiteren Sinne politisch". Die SÜDDEUTSCHE schaffte auch die lustigste Überschrift – und zwar zum neuen Generalmusikdirektor in Wuppertal, dem Österreicher Patrick Hahn, 24 Jahre alt: "Jugend musiziert."
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