Sex sells − oder auch nicht

Thema der Feuilletons vom Samstag ist Sex, Erotik und Körperlichkeit. Dabei geht es durchaus kontrovers zu: Während die Süddeutsche Zeitung meint, Brüste und Hintern hätten sich ausgereizt, macht etwa der Tagesspiegel eine neue Erotikwelle in den Printmedien aus.
Über das Körperliche, die Erotik und die Sexualität der Deutschen wie auch den Umgang der hiesigen Medien mit diesen Dingen...
Darüber liest man bekanntlich immerzu Verschiedenes, Widersprüchliches, teils einander völlig Ausschließendes.
So auch in den frischen Feuilletons.
Kollektive Scham auf Schlüpfer-Kurs
Unter dem Titel "Die Scham" bespricht Rudolf Neumaier in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG die Bonner Ausstellung "Schamlos? Sexualmoral im Wandel".
Das Verschwinden der täglichen Nackten von der BILD-Titelseite vor einigen Jahren und die Verhüllung eines SPIEGEL-Covergirls per Satin-Oberteil vor einigen Wochen nimmt Neumaier zum Anlass für einen pointierten Damals-heute-Vergleich.
"Brüste und Hintern waren Verkaufsargumente, auf welche die Seismografen des Zeitgefühls, die Magazin-Macher nun mal sind, heute gern verzichten. Will man nicht mehr sehen. Hat sich ausgereizt. Die kollektive Scham ist auf Schlüpfer-Kurs."
Tja, das glaube, wer will!
Erotikmagazine für heterosexuelle Frauen? - Fehlanzeige!
Der Berliner TAGESSPIEGEL glaubt es gewiss nicht, sondern behauptet das Gegenteil:
"Die deutschen Printmedien haben den Sex entdeckt. Es ist nicht das erste Mal für sie, und doch: Derzeit schwappt eine besonders starke Erotikwelle durch die Drucklandschaft."
Mitten im Schwappen der Welle schaut sich TAGESSPIEGEL-Autorin Tatjana Kerschbauer nach Erotik-Magazinen für heterosexuelle Frauen um.
Das aber stellt sich dann doch als "mühsames Unterfangen" heraus.
"'Guten Tag, was haben Sie denn an Erotik für Frauen da?' Es gibt Verkäufer, die sich über diese Frage derart freuen, dass sie 'Mich!' rufen. Es gibt Verkäufer, die Auskunft geben: 'Erotik gibt's nur für Männer.' Es gibt Verkäufer, die ein, zwei Hefte raussuchen, um zu kapitulieren: 'Ach so, für Heteros? Nee, ham wa nicht.'"
Welche Lustfördermagazine Tatjana Kerschbauer schließlich doch findet, das lesen Sie bitte selbst nach, liebe Hörerinnen...
Schöner gebären mit Hypnobirthing
Wir schlagen jetzt nämlich die TAGESZEITUNG auf, die unter dem Titel "Von Angst bis Zuhause" ein ABC für werdende Mütter und Väter veröffentlicht.
Unter H wie "Hypnobirthing" etwa heißt es:
"Kurz nach der Geburt der kleinen Charlotte zeigte sich Herzogin Kate der Öffentlichkeit, schön und entspannt. Insider ließen die Presse wissen, Kate ginge es so gut, weil sie Hypnobirthing machte. Dabei bereiten Schwangere sich mit Trancen vor. Sie üben mental, wie sie die Geburt erleben wollen: angstfrei und entspannt. Die Frauen lernen, der Kraft ihrer Wehen zu vertrauen, statt sich dagegen zu stemmen."
Wir selbst haben uns nie reproduziert und sind entsprechend ahnungslos – umso faszinierender das Neuland, in das uns das große TAZ-Natalitäts-ABC entführt.
Allein das Lemma "Lotusgeburt"!
"Nabelschnur und Plazenta bleiben am Baby, bis sie nach drei bis zehn Tagen von selbst abfallen. Die Eltern legen die Plazenta in ein Gefäß mit Salz und Kräutern, das mit dem Baby herumgetragen wird. Der Name kommt von der Hellseherin Claire Lotus Day, die die Abtrennung der Nabelschnur mit einer Amputation verglich. Befürworter [der Lotusgeburt] erwähnen entspanntere Babys."
Rassisten aller Länder
Okay. Wenden wir uns jetzt um 180 Grad vom Geburtlichen weg und kommen zum Tod – und zwar zum gewaltsamen Tod.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG bedenkt Dietmar Dath das Attentat, bei dem ein Rassist in Charleston, South Carolina, neun Menschen erschossen hat.
"Der Mörder von Charleston hat sich eine symbolisch-historisch hochaufgeladene Erinnerungs- und Hoffnungsstätte der schwarzen Bürgerrechtsbewegung für seine Tat ausgesucht. Er soll dort erklärt haben, er sei gekommen, um Schwarze zu töten. [...] Man versteht diese Sorte Mörder nur allzu leicht: Der in neofaschistischen Kreisen vielbeachtete Blogger Theodore Beale [...], der in Sachen illegaler Einwanderung aus Mexiko gern auf Hitlers Erfolge bei der 'Befreiung Deutschlands vom Judentum' verweist, ließ [...] 2013 verbreiten: 'Ich wäre nicht überrascht, wenn Anders Breivik in Norwegen eines Tages als Nationalheld betrachtet würde, ähnlich wie George Washington oder Wilhelm Tell.'"
Finster geht's unter den Menschen zu.
Umso mehr gönnen wir Ihnen, liebe Hörer, was in der BERLINER ZEITUNG Überschrift wurde:
"Ein Zipfelchen Schönheit in Bratensoße."