Aus den Feuilletons

Schlabbern, schlürfen, schmatzen

Die Fütterung eines Nilpferdes durch einen Pfleger in Berlin
Die Fütterung eines Nilpferdes durch einen Pfleger in Berlin © imago stock&people
Von Ulrike Timm · 13.08.2018
Der Tierpark Berlin lädt zum "Eisbärentalk mit Fütterung" und bietet ganz unterschiedlich präsentierte Speisungen seiner Tiere. Darüber lästert die "TAZ". Aber ist das richtig? Schließlich zieht die Tierlyrik - und bringt Publikum, wäre also durchaus auch etwas für Verlage.
"Druckstelle" – wer da wie die aus dem Wanderurlaub heimgekehrte Pressebeschauerin Blasen am Fuß wittert, liegt falsch, oder doch nicht? Bernd Graff nimmt sich in der Süddeutschen Zeitung der vielen Selbstverleger an, die – "Druckstelle" – auf Verlage komplett verzichten, allerdings auch weniger selbst drucken, als dass sie ihre Bücher zum Herunterladen anbieten.
Inzwischen aber bildet das Prinzip "kein Verlag, keine Lesereisen und keine klassischen Rezensionen und trotzdem kräftig dabei einen "gigantischen Parallelbuchmarkt". Den etablierten Verlagen sind die SelbstPublisher dabei auch eine Druckstelle oder gar ein schmerzendes Hühnerauge fürs Geschäft, denn sie spielen jenseits des Literaturbetriebs in ihrer eigenen, durchaus erfolgreichen Liga, während der etablierte Markt schrumpft.

Selbst verlegt und selbst kassiert

"Ich könnte heute beschließen, eine Gummi-Entchen-Odyssee im New York des vierten nachchristlichen Jahrtausends zu schreiben, und müsste keinen Agenten und keinen Verlag von meiner Idee überzeugen", freut sich mit Halo Summer eine der Erfolgreichsten des Parallelbetriebs, der auch nicht mehr ausschließlich eitel und trashig daher kommt, wie die Süddeutsche einräumt. Manchmal geht es eben auch so, ohne Verlage. Und: An die 40 Prozent der (Selbst)Verfasser gaben an, "dass sie mit Werken aus dem Eigenverlag mehr verdienen als in der Obhut von Verlagen, über 80 Prozent erklärten, sie hätten sich auf Verlage eingelassen, wenn die Bedingungen - kurz: das Geld - gestimmt hätte."
Ob Theodor Fontane wohl so eine Art "Fontane GmbH & co.KG" aufgemacht hätte? Zumindest Brandenburger Kulturmarketing–Menschen glauben "Heute wäre er Blogger", "gewiefter Netzwerker und Medienmensch". Die Überschrift "Fontane GmbH & Co.KG" finden wir in der WELT, für die Tilman Krause mit Blick auf Fontanes 200. Geburtstag eine Landpartie ins Brandenburgische machte, gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten und diversen Fontane-Beauftragten.

Einführen, ins Imaginäre

Da ging es weniger um Dichtung als um "touristische Mehrwerte". "Allein der Plural!" – der Fauxpas wäre Fontane schon mal nicht passiert, sei's mit eigener Druckstelle oder ohne. Eine Portion Melancholie schwingt mit, denn schließlich ist Fontane nicht nur durch brandenburgischen Sand gestiefelt: "'Irrungen, Wirrungen', oder der 'Stechlin', wer nur in der Blase des Heute lebt, dem werden sich die unerhörten Reize dieser Bücher nicht erschließen. Daher gilt: Wer für Fontane begeistern will, muss an die Einbildungskraft der Menschen appellieren, muss sie entführen ins Imaginäre. Das wird die Aufgabe von "fontane.200" … Darum: Ran an die Bücher! Lesen, eintauchen, aufsaugen!" schreibt die WELT.
"Wie viele Bäume sind ein Wald?" hat sich Fontane inmitten von Brandenburger Kiefern womöglich auch mal gefragt, obwohl es im TAGESSPIEGEL Justin Timberlake gilt, der sich in seinem Konzert als Naturbursche gibt.

Ein Eisbär, aber keine "Druckstelle"

Die TAZ zitiert eine Liedzeile der Schweizer Band Grauzone, und die würde ein klassischer Verleger wohl nicht durchgehen lassen. "Ich möchte ein Eisbär sein im kalten Polar, dann müsste ich nicht mehr schrei'n , alles wär so klar." Hm. "Druckstelle", selbstgemacht? Nee, Tierpark in Berlin! Der lädt nämlich ein zu "Eisbärentalk mit Fütterung": "Edutainment heißt das Format, das vor das Verspeisen des Fischs etwas Lehrreiches und Wissenschaftliches stellt. Der Tierpark unterscheidet zwischen Fütterungen mit und ohne Kommentar. Giraffen, Pinguine und Gibbons sind mit Sprechtheater von kundigen Tierpflegern, Seekühe und Katzenbär auf die natürlichen Geräusche des Schlabberns, Schlürfens, Schmatzen beschränkt", erklärt die TAZ.
Vielleicht haben die Edutainer vom Tierpark auch einen Tip für die Fontane-200-Marketing-GmbH. So ein bisschen von Herzen kommende Vermittlung wäre doch gar nicht so schlecht! Wobei man havelländische Birnen in Fontanes Sinn bestimmt auch mal schlabbern, schlürfen und schmatzen darf…
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