Aus den Feuilletons

Salman Rushdie zum Zustand der Demokratie

04:19 Minuten
Der Autor Salman Rushdie.
Salman Rushdies neuer Roman "Quichotte" spielt in seiner Wahlheimat USA. © picture alliance/dpa/Henning Kaiser
Von Adelheid Wedel · 15.11.2019
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In der "TAZ" spricht der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie über seine Wahlheimat USA, die Demokratie und das Problem mit der Wahrheit. "Nur ein Dummkopf glaubt zu wissen, was geschehen wird", resümiert der Autor.
"Unsere Komfortzone ist aufgelöst, um die Demokratie steht es so schlecht wie ums Weltklima." Claus Leggewie schreibt diese Warnung in der Wochenendausgabe der Tageszeitung TAZ und "entwickelt ein Plädoyer für politische Geistesgegenwart." Die sei dringend notwendig, bedenkt man, dass sich "von Santiago über Beirut bis Hongkong gerade ein gewaltiger Zorn regt, der leicht zu kapern ist, wenn sich auch Rechtsradikale gelbe Westen überstreifen oder Schwarzvermummte friedliche Klimamärsche aufmischen. Was also ist legitimer Widerstand?" fragt der Philosoph und antwortet mit Artikel 20, Absatz 4 des Grundgesetzes: "Gegen jeden, der es unternimmt, die (demokratische) Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist." Appeasement und Apathie seien derzeit so wenig am Platz wie Alarmismus und Aktionismus. Leggewie empfiehlt "kühle Geistesgegenwart", sie kann seiner Meinung nach "gegen nationalistischen Vergangenheitskitsch und blindes Zukunftsvertrauen" ein Gegengewicht bilden.

Interview mit Salman Rushdie

Der Zustand der Demokratie spielt auch im Interview mit dem indisch-britischen Schriftsteller Salman Rushdie eine Rolle, das ebenfalls in der TAZ abgedruckt ist. "Die Wahrheit ist ein Problem geworden", resümiert Rushdie im Gespräch mit Blick auf seine Wahlheimat USA. In seinem neuesten, dem 14. Roman "Quichotte" lässt er uns "teilnehmen an einer Reise durch die Abgründe der heutigen USA. Wir leben in einem verrückten Augenblick", sagt Rushdie, "nicht nur wegen der Politik, nicht nur wegen des aktuellen Präsidenten. Ich lebe nun seit 20 Jahren in den USA – und diese 20 Jahre sollten in das Buch einfließen."
Er habe sich für die Gegenwart entschieden, für das Jetzt und begründet das so: "Die Geschichte schlägt immer mal wieder unerwartete Haken. Nur ein Dummkopf glaubt zu wissen, was geschehen wird."

Großprogramme zur Demokratieförderung

Und noch einmal spielt Demokratie als Stichwort eine Rolle. Pia Stendera und Simon Schramm haben herausgefunden: "Wie wir zusammenleben möchten, muss in einer Demokratie immer wieder aufs Neue ausgehandelt werden." Und sie haben entdeckt, der Staat initiiert "Großprogramme zur Demokratieförderung." Sechs Projekte samt ihren Trägervereinen, die aufgelegt wurden, um Demokratie zu fördern, werden in der TAZ vorgestellt. Könnte ein Anfang sein, für den sogar Innenminister Horst Seehofer Ende Oktober erstmals öffentlich Sympathie gezeigt hat.
Auch in der Tageszeitung DIE WELT ist von Seehofer und seiner offenkundigen Wandlung die Rede. Kurz nach seiner Wahl zum Innenminister gab er bekannt, "dass zwar Muslime hierzulande beheimatet seien, nicht aber deren Religion. Der Islam gehört nicht zu Deutschland", sagte er in einem Interview. An diesem Freitag nun stellte er ein neues Förderprogramm für Moscheen vor. "Bis zu 50 muslimische Gotteshäuser sollen in den kommenden drei Jahren Geld vom Staat erhalten, um die gesellschaftliche Verankerung islamischer Gemeinden in Deutschland zu fördern." Nachbarschaftsaktivitäten, Öffentlichkeitsarbeit oder Projektmanagement sollen unterstützt werden. Ricarda Breyton bemängelt in der WELT, es sei unklar, "wer genau gefördert werden soll". Nach welchen Kriterien sollen die Moscheen ausgesucht werden? Offen sei auch, ob die Förderung wirklich "der Eingliederung von Muslimen dient." Fragen über Fragen.

Forderung nach modernen Islam

Eine andere Frage zum Thema Glauben wirft Pfarrer Steffen Reiche, ehemaliger Minister für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, auf der Forum-Seite der Tageszeitung DIE WELT auf. Er schreibt: "Es ist paradox, dass ausgerechnet Flüchtlinge aus den Ländern nach Europa und Deutschland streben, in denen die Verfolgung von Andersgläubigen gang und gäbe ist. Wir müssen mithelfen, ja auch einfordern, dass die Muslime hier in den Moscheen und ihrem Religionsunterricht einen modernen Islam gepredigt bekommen und dann auch praktizieren." Reiche fordert auch: "Wir müssen über Christenverfolgung sprechen."
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