Aus den Feuilletons

Rundumschlag gegen Bauhaus-Fans

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Bazon Brock kritisiert die, seiner Ansicht nach vereinfachte, Sichtweise auf das Bauhaus in der aktuellen kulturpolitischen Debatte.
Bazon Brock kritisiert die seiner Ansicht nach zu vereinfachte Sichtweise auf das Bauhaus im aktuellen kulturwissenschaftlichen Diskurs. © imago stock&people
Von Arno Orzessek · 27.02.2019
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Der Kunsttheoretiker Bazon Brock wettert in der "WELT" gegen die "Bauhaus-Hymniker" und wirft ihnen eine Fehldeutung der Bauhaus-Rolle in der Geschichte der Moderne vor. Diese sei nämlich komplexer und synkretistischer als sie wahrhaben wollen.
"Gott ist tot, aber das Bauhaus lebt. Von wegen" - titelt die Tageszeitung DIE WELT. Bazon Brock, für alle, die ihn nicht kennen: Brock ist emeritierter Professor für Ästhetik, Gründer der "Denkerei" in Berlin und einer der wortgewaltigsten Wider-den-Stachel-Löcker, den der kulturwissenschaftliche Diskurs hierzulande kennt, dieser Brock also knöpft sich die Bauhaus-Fans vor, und zwar wie folgt:

Die Moderne als Phänomen des Synkretismus

"Die heutigen Bauhaus-Hymniker liegen historisch falsch, wenn sie die Bauhaus-Bewegung politpsychologisch der guten Seite weltoffener, multikultureller und toleranter Moderne zurechnen und alles andere der reaktionären Unzeitgemäßheit zuschreiben.
Die Moderne war und ist eben ein Phänomen des Synkretismus wie Mazdaznan als Einheit von Edelstahl und Ekstase, von Blut und Boden und kruppscher Produktionsrationalität, von Zwangslagern und Ferienlagern, von Frömmigkeit und Mäkelei, von Gott und Kapital.
Und das in doppeltem Sinne, denn niemand hat die Avantgardisten und Programmatiker der Moderne derart in ihrem Geltungsanspruch bewiesen wie etwa Stalin, Hitler und Mao. Wer würde schon Künstler und ihre Produkte verhöhnen, verbieten, verbrennen, wenn er nicht deren Wirkung fürchtete?"
Falls Sie eine kurze Reflexions-Pause brauchen, bitte, hier ist sie: - - -
Und während Sie noch pausieren, zitieren wir aus Wikipedia: "Mazdaznan" ist "eine Mischreligion mit zarathustrischen, christlichen und einigen hinduistischen bzw. tantrischen Elementen."
Was nun Bazon Brocks Statement in der WELT angeht - zwei Dinge: Der 100. Bauhaus-Geburtstag wird keineswegs flächendeckend so unkritisch gefeiert, wie Brock suggeriert. Und im übrigen macht er mal wieder einige dieser gewaltigen Gedankensprünge, bei denen wir immer an Kängurus denken müssen. Aber bitte, nichts für ungut!

"Der Gag heiligt die Mittel"

Überdruss artikuliert sich auch in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG: "Sprichwörter und Redensarten bringen jede Konversation ins Stocken", behauptet Paul Jandl.
"Sie sind die Convenience-Produkte der Kommunikation. Sie sind die Tütensuppen einer Denkfaulheit, die uns nicht moderner macht, sondern alt aussehen lässt." Dem NZZ-Autor Jandl gefällt es, gegen Berufs-Kollegen auszukeilen.
"Seit Milan Kundera sein Buch 'Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins' geschrieben hat, ist kein Ende mit Redaktoren, die daraus etwas Witziges machen. 'Die unerträgliche Leichtigkeit des Schweins' hies eine FAZ-Kritik zur TV-Sendung 'Hart, aber fair'. Man verfasst gerne Überschriften wie 'Die Liebe in Zeiten von Tinder' oder bemüht Handke für den Sportteil: 'Die Angst des Tormanns beim Elfmeter'. Das ist die intellektuelle Variante der Denkfaulheit. Sie kommt von Leuten, die auch 'Der Gag heiligt die Mittel' sagen."
Puh, Paul Jandl! Einerseits: Danke für "Der Gag heiligt die Mittel" – kannten wir noch nicht, gefällt uns. Andererseits: Warum so griesgrämig, wenn es um harmlos-entspannte Sprach-Blödeleien geht?

GroKo beschädigt elementare Regeln der Demokratie

Aber nun! Wenden wir uns einer Missfallens-Äußerung in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zu. Christoph Schönberger, Professor für Öffentliches Recht in Konstanz, nervt es, "wie die große Koalition elementare Regeln der deutschen Demokratie beschädigt."
Etwa dadurch, dass vor der letzten Bundestagswahl aus Furcht vor einem AfD-Alterspräsidenten beschlossen wurde: Nicht mehr das bejahrteste, sondern das dienstälteste Mitglied des Parlaments wird Alterspräsident.
Besonders regt sich Schönberger in der FAZ über die geräuschlose Erhöhung der Parteien-Finanzierung auf:
"Die Regierungsparteien, die bei der Bundestagswahl im September 2017 gemeinsam etwa vierzehn Prozent der Stimmen verloren hatten, verhinderten damit, dass sich die empfindlichen Stimmeneinbußen auf ihre finanzielle Lage auswirkten. Sie immunisierten sich gegen die finanziellen Folgen des sinkenden Wählerzuspruchs."
Tja, gern würden wir nach all dem Motzen und Kritteln etwas Schönes thematisieren.
Allein, wir sind genau ab jetzt, mit einer Überschrift der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, "zum Schweigen verurteilt".
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