Aus den Feuilletons

Robert Frank - der Fotograf als "Seelenforscher"

06:16 Minuten
Der Schweizer Fotograf und Filmemacher Robert Frank.
Der Schweizer Fotograf und Filmemacher Robert Frank ist am 9. September 2019 gestorben. © Walter Bieri/dpa
Von Tobias Wenzel · 14.09.2019
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Anfang der Woche starb der Fotograf Robert Frank. Mit seinem Bildband „The Americans“ revolutionierte er die Ästhetik des Fotobuchs. Die „FAZ“ schrieb, im Rückblick erscheine es so, als habe er sich nur dem Tod, dem Scheitern und der Kälte gewidmet.
"Man hörte nur bisweilen das Schnarchen der Süßwasser-Delfine", schrieb Alexander von Humboldt über eine Nacht im Urwald. Für Humboldt habe die lebendige Schilderung aller Organismen notwendigerweise zur "Lehre vom Kosmos" dazugehört, erklärte die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zum 250. Geburtstag des Naturforschers und damals "berühmtesten Europäers neben Napoleon".

Humboldt war "der erste Klimaforscher"

Humboldt habe uns gelehrt, "auf Wechselwirkungen zu achten", sagte der Umweltschützer Roberto Maldonado dem TAGESSPIEGEL. "Wer die Natur nicht empfindet, wird ihr ewig fremd bleiben", zitierte ihn Manfred Osten in der WELT und erinnerte daran, dass Humboldt in Venezuela Zeuge von Rodungen im Urwald geworden war und 1844 schrieb:
"Das Klima der Kontinente hängt ab von den Veränderungen, welche der Mensch auf der Oberfläche des Festlands durch Fällen der Wälder, durch die Veränderung in der Verteilung der Gewässer und durch die Entwicklung großer Dampf- und Gasmassen an den Mittelpunkten der Industrie hervorbringt."
Humboldt war, so die SZ, "der erste Klimaforscher".

Die Ernährung umstellen und das Klima retten

"Der Klimawandel ist kein Puzzle auf dem Wohnzimmertisch, mit dem man sich beschäftigen kann, wann immer einem gerade danach ist. Er ist ein brennendes Haus", schrieb der Schriftsteller Jonathan Safran Foer in der WELT und machte klar, wie man das Haus seiner Meinung nach noch löschen könne: durch Ernährungsumstellung.
Weniger oder gar kein Fleisch essen. Das klang naiv optimistisch, anderseits dürfte es Foer mit nur zwei Sätzen gelungen sein, etlichen Fleischessern den Appetit zu verderben:
"Beim Verdauen produzieren Rinder, Ziegen und Schafe eine beträchtliche Menge Methan, die hauptsächlich ausgerülpst, aber auch ausgeatmet, ausgefurzt und beim Koten ausgeschieden wird. Nutzvieh ist die größte Methanquelle überhaupt."

"Es gibt keine Hoffnung mehr, also haben wir welche!"

Foers Kollege Jonathan Franzen hält es nicht mehr für realistisch, den Klimawandel zu stoppen.
"Es ist okay, sich gegen die Grenzen der menschlichen Natur zu stemmen, in der Hoffnung, das Schlimmste zu verhindern", schrieb er in einem Essay für "The New Yorker", aus dem wiederum die SZ zitierte, "aber schützen Sie auch, was Ihnen konkret am Herzen liegt – eine Gemeinschaft, eine Institution, ein Ort in der Natur, eine bedrohte Art – und schließen Sie Ihre kleinen Erfolge ins Herz. Solange Sie etwas haben, das Sie lieben, gibt es auch etwas, auf das Sie hoffen können."
Jan Wiele fasste das in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG so zusammen: "Es gibt keine Hoffnung mehr, also haben wir welche!"

Privatsphäre dank CO2-Ausstoß

Der Ausstoß von Kohlendioxid hat zur Freiheit beigetragen, konnte man aus Adrian Lobes Artikel für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG herauslesen. Kaminen und Schornsteinen haben wir nämlich dem Anthropologen Douglas Rayback zufolge unsere Privatsphäre zu verdanken.
Lobe zitierte den Wissenschaftler so: "Zuvor schliefen die Haushaltsmitglieder im gleichen Raum mit einer Zentralheizung, die durch ein Loch darüber abzog. Selbst wohlhabende Menschen schliefen nahe ihrer Diener – und manchmal auch mit ihren Tieren. Mit Kaminen kam die Möglichkeit für Trennung und Privatsphäre, speziell für Reiche."
So kam die Privatheit in die Welt. Und mit den internetfähigen, alles ausspähenden Geräten verschwindet sie gerade wieder. Und damit auch, so Lobe, "ein großes Stück Freiheit".

Zum Tod von György Konrad

Die Freiheit war ein wichtiges Thema des nun gestorbenen ungarischen Schriftstellers György Konrad. Den zitierte die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG wie folgt: "Mein Beruf: Budapest-Forscher, Liebesforscher, Freiheitsforscher; Verbrechensforscher; Todesforscher; Gottesforscher; Spaziergänger."
Gesellschafts- und Seelenforscher, das wäre vielleicht eine treffende Berufsbezeichnung für den nun auch gestorbenen Fotografen Robert Frank gewesen, der mit seinem Bildband "The Americans" den US-Amerikanern jeglicher Gesellschaftsschicht einen Spiegel vorhielt.

Robert Frank konnte mit Ehrungen nichts anfangen

"Im Rückblick erscheint es, als seien alle Bilder Franks ebenso wie die Dutzenden von Filmen, die er gedreht hat, nur einem einzigen Thema gewidmet: dem Tod, dem Scheitern und der Kälte, die zwischen den Menschen herrscht", urteilte Freddy Langer in der FAZ.
Mit Ehrungen konnte er nichts anfangen, erfuhr man aus Alex Rühles Artikel für die SZ, mit Denkmälern schon gar nicht, die waren ihm auch zu unbeweglich: "Und", ergänzte Frank, "die Tauben scheißen drauf!"

Die E-Sel von damals sind die E-Roller von heute

Da wären wir wieder im Tierreich, wenn auch nicht bei Humboldts Urwald-Fauna. "Was vor zweitausend Jahren E-Sel waren, das sind heute E-Roller", schrieb Richard Kämmerlings in der WELT und spielte auf eine Pressemitteilung der Tierschutzorganisation Peta an:
"Heutzutage würde Jesus nicht mehr auf einem Esel reisen. Er würde sich vermutlich auf einem E-Roller oder mit einem anderen tier- und umweltfreundlichen Elektromobil fortbewegen." Deshalb verlangte Peta von den Oberammergauer Passionsspielen, Jesus nicht mehr auf einem Esel reiten zu lassen.
Überhaupt, dieser Jesus! "Schon bei den Wundern Jesu ist es mit dem Tierschutz nicht weit her", machte sich Kämmerlings über Peta lustig: "Bei der Speisung der Fünftausend am See Genezareth werden nicht nur fünf Brote, sondern auch zwei Fische so vermehrt, dass alle satt werden. Das ist fast schon Massentierhaltung."
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