Aus den Feuilletons

Raubkunst und Revolution

Ein ägyptischer Soldat vor einer Wand in Kairo, mit Graffits von Opfern gewaltsamer Zusammenstöße.
Ein ägyptischer Soldat vor einer Wand in Kairo, mit Graffits von Opfern gewaltsamer Zusammenstöße. © picture alliance / dpa / Khaled Elfiqi
Von Adelheid Wedel · 09.05.2014
Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, fordert ein "Rückgabegesetz", das den Umgang mit Raubkunst regelt. Über zu viel "Selbstbeweihräucherung" der Akteure der ägyptischen Revolution ärgert sich der Künstler Hassan Khan.
"Berlin muss sich bewegen",
fordert der Präsident des Jüdischen Weltkongresses Ronald S. Lauder in der Tageszeitung DIE WELT. Es geht um Gurlitts Bilder-Erbe. Dazu Lauder:
"Raubkunst wider besseres Wissen zu behalten, darf moralisch und gesellschaftlich nicht länger akzeptabel bleiben. Alle Museen sollten verpflichtet werden, ihre Bestände umfassend auf mögliche Raubkunst zu prüfen."
Auch nach Gurlitts Tod bleibt es eine dringende Aufgabe, die Besitzverhältnisse der nun nach Bern vererbten Gemälde zu erforschen. Lauder nennt die Bilder "die letzten Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs".Um "diese noch offene Wunde" endlich zu schließen, fordert der amerikanische Unternehmer und Kunstsammler von der deutschen Regierung, endlich ein bundesweit gültiges Rückgabegesetz zu erlassen, welches "den Umgang mit der Raubkunst regelt".
Lauder: Rechtmäßige Besitzer weiter suchen
Schon die jetzt gültigen Erklärungen von Washington und Theresienstadt fordern Museen und Kunstsammler auf,
"Anstrengungen zu unternehmen, um die rechtmäßigen Besitzer ausfindig zu machen. Niemand kann allerdings behaupten",meint Lauder, "dass dies bislang in ausreichendem Maße geschehen ist".
Er begrüßt deswegen ausdrücklich,
"dass die Kulturbeauftragte der Bundesregierung Monika Grütters eine deutliche Erhöhung der Mittel für die Provenienzforschung in Aussicht gestellt hat und die Anstrengungen auf den verschiedenen Ebenen in einem 'Zentrum Kulturgutverluste' bündeln möchte".
Buchmesse in Abu Dhabi profitiert von Frankfurt
In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG berichtet Joachim Günther über die 24. Buchmesse in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, in Abu Dhabi, der modernsten in der arabischen Welt.
"Über elfhundert Aussteller aus 57 Nationen zählten die Veranstalter in diesem Jahr. Das sei ein plus von 10 Prozent."
Aber, so fragt der Autor, bedeutet quantitatives zugleich auch qualitatives Wachstum? Traditionell seien Buchmessen in der arabischen Welt lokale Basare, man teile einen gemeinsamen Sprachraum, allerdings ohne überregionale Vertriebsstruktur. Abu Dhabi hat jetzt ein Joint Venture mit der Frankfurter Buchmesse begonnen und profitiert vom Fachwissen der deutschen Veranstalter.
"All die Foren für Literaten, Übersetzer und Verleger muten den Besucher westlicher Messen vertraut an."
Dass der junge deutsche Schriftsteller Jörg Albrecht beim Fotografieren einer Straße in Abu Dhabi kurzerhand festgenommen wurde, weil der Geheimdienst ihn für einen Spion hielt, und er erst nach drei Tagen aus der Untersuchungshaft frei kam, wirbt allerdings – trotz beschriebenem Zauber perfekter Gastfreundschaft – wenig einladend.
Die Vermarktung des ägyptischen Aufbruchs
"Hassan Khan, einer der international erfolgreichsten Multimediakünstler Ägyptens, ärgert sich über die Vermarktung der Revolution."
Darüber spricht er in Kairo mit Andrea Backhaus, die in der WELT von der Begegnung berichtet.
"Khan bezieht seine Inspiration aus dem Alltag in der rastlosen 20-Millionen-Metropole."
In den letzten 16 Jahren erlebte er vier Machtwechsel. Kairo sei die
"Heimstätte von Chaos und Umbruch, und damit der perfekte Ort für einen Künstler",
meint die Autorin. Mit großer Sensibilität nimmt Khan alle Veränderungen wahr und redet
"von den vielen Transformationen, die die Ägypter noch vor sich haben. Das gelte für die Gesellschaft wie für die Kunst. Mit beiden Themen kennt er sich aus",
kommentiert Backhaus. Aber: "Er müsse keine Botschaften raustragen, schon gar keine politischen."
"Revolution feiern, wenn die Ziele erreicht sind"
Khan verwendet Sätze wie "Das Echo des Lebens ist Teil des Werks".
Er gilt als Pionier der frühen Kairoer Untergrundszene, die sich in den neunziger Jahren als Alternative zum staatliche gelenkten Mainstream entwickelte. Er sei ein Agent des Westens, wurde er angeschrien von jenen, die seine ungewohnte Ästhetik nicht tolerierten.
"Heute sei Besetzung des öffentlichen Raums entscheidend."
Im Gespräch betont der Künstler,
"er aber hasse die Vermarktung des Aufbruchs, die Erschöpfung des Sturzes in der Selbstbeweihräucherung vieler Akteure."
Wiederholt sagt er: "Wir können die Revolution feiern, wenn die Ziele erreicht sind."
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