Aus den Feuilletons

Putin, der Pilzsammler

Putin mit Wanderstock und Fernglas in Outdoor-Bekleidung. Im Hintergrund öffnet sich der Blick von oben in eine Tagebene hinein.
Putin streift durch das Sajano-Schuschensker Naturreservat in Sibirien. © imago / Alexei Nikolsky
Von Hans von Trotha · 06.09.2018
Wenn wir Deutschen sonntags "Tatort" gucken, können russische Fersehzuschauer seit Neuestem einen Blick in Wladimir Putins Alltag werfen, liest man in der "SZ". Jeden Sonntag, einen Stunde lang, im staatlichen Fernsehen, Putin pur.
Wen liebt Wladimir Putin? Antwort folgt. Vorher aber die breaking news: Die #MeToo Debatte ist in der Renaissance angekommen. Kein Scherz. Auch wenn Niklas Maak das in demselben FAZ-Feuilleton erzählt, in dem Oliver Welke von der heute show im Interview bemerkt: "Satiriker müssen heute mehr aufpassen." Das Publikum muss heute auch mehr aufpassen, wird es doch immer schwieriger zu entscheiden, wann wir es mit Satire zu tun haben und wann womöglich gerade nicht. Niklas Maak berichtet also ernsthaft Folgendes:

Auf eine Nackte folgt ein Nackter

"Als man vor einigen Jahren an der Royal Academy begann, eine große Ausstellung über 'Die Nackten in der Renaissance' zu planen, gab es die #MeToo-Bewegung noch nicht. Auf sie und ihre Folgen, so erklärt nun der Leiter des Londoner Hauses, Tim Marlow, müsse und wolle man reagieren – weswegen man sich entschieden habe, eine Geschlechterquote für gemalte Nackte einzuführen. Wenn die Ausstellung, die sich mit dem Aufkommen eines neuen Ideals des nackten Körpers zwischen 1400 und 1530 befasst, … eröffnet, würden ebenso viele nackte Frauen wie nackte Männer zu sehen sein, auf jede Nackte komme jetzt ein Nackter. Da der 1. April vorbei ist", fährt Maak fort, "muss man die neue Nacktenquote als ernstgemeinten Vorschlag zu einer Diskussion ansehen, die im Zuge der #MeToo-Bewegung auch die Welt der Ausstellungshäuser erfasst hat."
Jedoch, so Maak, "wenn es einen Skandal gibt, dann liegt der sicherlich nicht darin, dass im Museum bislang immer nur nackte Frauen gezeigt worden wären, obwohl auch nackte Männer gemalt wurden. … Der (Skandal) liegt ja vielmehr darin, dass es für Frauen in der Renaissance und noch im zwanzigsten Jahrhundert schwer war, überhaupt Malerin zu werden – und dass die Werke der Frauen, die es trotzdem schafften, in der Kunstgeschichte und in den großen Museen marginalisiert wurden und werden."

"Friedliche Revolution" gegen Merkel?

So revolutionär die Renaissance war – #MeToo-tauglich war sie nicht. Geht es nach der Welt, war sie gar keine Revolution, denn das Welt-Feuilleton behauptet von sich, "Ein kleines Lexikon (fast) aller Revolutionen" aufzubieten, wobei das "fast" in Klammern steht. Die Industrielle, die Römische, die Sexuelle und die Waschmittelrevolution kommen dabei ebenso vor wie die Märzrevolution, zwei Julirevolutionen, keine im August, aber die September-, die Oktober-, die Novemberrevolution und die Friedliche Revolution. Um Letztere ginge es bei alledem, ginge es nicht um Alexander Gauland: "Jetzt auch noch Gauland", lautet die Überschrift. "Der AfD-Chef hat eine 'friedliche Revolution' gegen Merkel gefordert".

"Die Österreichwerdung Deutschlands"

Was zu Verwirrung führen könnte, weil da plötzlich AfD-Gauland ins gleiche Horn stößt wie ZDF-Welke, dessen Show bei der AfD besonders verhasst ist. O-Ton Welke in der FAZ: "Das kann man wohl sagen". Über Merkel sagt Welke: "Ihre Entscheidung weiterzumachen" habe "die Österreichwerdung Deutschlands extrem beschleunigt. Sie hätte ihren Gegnern auf der rechten Seite sehr viel Wind aus den Segeln nehmen können."
Am Ende werden wir noch erleben, dass Welke und Gauland weg sind und Merkel ist immer noch da.

Eine Stunde Putin privat

Oliver Welke sagt außerdem: "Eine Satiresendung, die eine halbe Stunde sagt, was gut läuft – die braucht niemand." Woraus wir schließen können, dass es sich bei Moskau.Kreml.Putin nicht um Satire handelt. Denn davon berichtet Julian Hans in der Süddeutschen:
"Welche Pilze hat der Präsident in seinem Urlaub gesammelt? Wie viele hat er gefunden? Was hat er mit den Preiselbeeren vor? Vor allem aber: Wen liebt Wladimir Putin? … Für alle diese Fragen gibt es seit vergangenem Sonntag eine eigene Sendung im staatlichen Kanal Rossija: 'Moskau. Kreml. Putin' widmet sich eine Stunde lang ganz dem ersten Mann im Staate. … Putin pur, ab jetzt jede Woche zur Prime Time am Sonntagabend." - Wenn wir "Tatort" schauen müssen.

Putin - "ein Mensch wie du und ich"

"Dass der Präsident trotzdem ein Mensch ist wie du und ich", schreibt Julian Hans, "das bezeugt … Putins Sprecher Dmitrij Peskow. Putin sei sogar 'ein sehr menschlicher Mensch', sagt er; was", wie Julian Hans bemerkt, "jeden, der sich noch an die Sowjetunion erinnert, sofort an Lenin denken lässt, den 'menschlichsten aller Menschen'."
Womit wir wieder bei den Revolutionen wären. Und bei der Beantwortung der Frage, wen Putin liebt. "Peskow", so Hans, "verrät es: "Wladimir Putin liebt alle Menschen".
Und wir freuen uns im ZDF auf Berlin: Kanzleramt: Merkel. Und richten uns schon mal drauf ein, dass es keine Satire sein wird.
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