Aus den Feuilletons

Publizistische und politische Alphatiere

Westlicher Flachlandgorilla im Loro Parque in Puerto de la Cruz im Norden der Insel Teneriffa (Spanien), fotografiert am 27.11.2015. Foto: Patrick Pleul/dpa | Verwendung weltweit
Was haben die Silberrücken der Flachlandgorillas mit Politikern und Medienmedienmännern im Clinch gemeinsam? "A" wie Alphatier.... © picture alliance/dpa/Patrick Pleul
Von Burkhard Müller-Ullrich · 09.02.2018
Erst waren es die Sondierungsgespräche, die für Spekulationen und für Stimmung sorgten. Nun beschäftigen sich die Feuilletons mit zwei Abgängen: mit dem von Martin Schulz (SPD) und von Gabor Steingart ("Handelsblatt").
"Steingart schreibt stets mit dem Vorschlaghammer, er übertreibt maßlos, überzieht gezielt und ohne Gnade, macht keine Gefangenen und kein Hehl daraus, dass er sich für den Größten hält. 2008 wäre er gern Chefredakteur des ‚Spiegels‘ geworden, stattdessen wurde er zwei Jahre später Chefredakteur des ‚Handelsblatts‘. 2013 stieg er in die Geschäftsführung auf",
resümiert Michael Hanfeld in der FAZ die Karriere des publizistischen Alphatiers Gabor Steingart, der gerade seinen Job so los wurde wie Martin Schulz seinen geplanten und schon in Greifnähe gerückten. Genauso schnell und schmerzhaft, und beides hat miteinander zu tun, denn ein Vorschlaghammer-Text über eben jenen Schulz soll es gewesen sein, der Steingart das Genick brach.

Perfekt inszenierter, politischer Mord

Schaut man sich den Text allerdings genau an, kann von Vorschlaghammer keine Rede sein; es handelt sich nämlich um ein subtiles Dramolett über einen perfekten, das heißt: perfekt inszenierten, politischen Mord, und zwar an Sigmar Gabriel, verübt durch Martin Schulz – so sah es ja tatsächlich noch am Mittwoch aus, als Steingart folgendes vom Stapel ließ:
"Der Tathergang wird in diesen Tagen minutiös geplant. Der andere soll stolpern, ohne dass ein Stoß erkennbar ist. Er soll am Boden aufschlagen, scheinbar ohne Fremdeinwirkung. Wenn kein Zucken der Gesichtszüge mehr erkennbar ist, will Schulz den Tod des Freundes aus Goslar erst feststellen und dann beklagen. Die Tränen der Schlussszene sind dabei die größte Herausforderung für jeden Schauspieler und so auch für Schulz, der nichts Geringeres plant als den perfekten Mord."

Quecksilbriger Zeitungsmacher geschasst

Das war für Dieter von Holtzbrinck, den Verleger des Handelsblatts und etlicher anderer Blätter, offenbar ein Tick zu forsch und zu viel. Er entschuldigte sich schriftlich bei dem Mann mit den Haaren im Gesicht, wohl in der Annahme, aus dem würde noch was, und schasste seinen wahrscheinlich besten, auf alle Fälle kreativsten und quecksilbrigsten Zeitungsmacher und Zeitungsmanager.
"Selten hat es in der Zeitungswelt einen so plötzlichen und überraschenden Rauswurf gegeben", staunt die SÜDDEUTSCHE, und die WELT attestiert Steingart, er sei "eine der wenigen wirklich interessanten, weil polarisierenden Figuren der Verlagsbranche".
Allen fällt es jedoch schwer zu glauben, dass Steingarts Schrieb der einzige und wahre Grund für das Zerwürfnis sei. Doch warum sollte Holtzbrinck dann das für einen Zeitungsverleger absolute Unding getan und seinen Starjournalisten bei einem Politiker verraten haben? Dass Steingart Schulz für einen Nichtsnutz hält, muß doch gestattet sein zu schreiben, und dass politische Morde derzeit in der Berliner Luft liegen, trifft einfach zu. Wenn man als Kommentator des wahnsinnigen Gegenwartsgeschehens nicht mal kräftige Bilder und Beispiele benutzen darf, dann steht es schlecht um die Pressefreiheit. Das finden sogar Kollegen von Steingart, die ihn sonst nicht leiden können.

Tüchtiges GroKo-Papier

Apropos wahnsinniges Gegenwartsgeschehen: Der neue Koalitionsvertrag beschäftigt auch die Feuilletons, naturgemäß unter dem Blickwinkel Kultur, obwohl sich an den Zuständen und Zuständigkeiten nichts ändern wird, da die vermutlich nächste Kulturstaatsministerin die bisherige ist.
Als "tüchtig und durchsetzungsstark" bezeichnet Regina Mönch sie in der FAZ und findet an dem GroKo-Papier so gut wie gar nichts zu kritisieren. Ganz anders Alan Posener in der WELT, dem es um Israel geht. Das Existenzrecht Israels wird nämlich von den Koalitionären eigens erwähnt. Da fragt sich Posener:
"Wieso muß man betonen, dass ein von den Vereinten Nationen ins Leben gerufener Staat ein Existenzrecht hat? Würde man extra betonen, dass Deutschland das Existenzrecht – sagen wir – Polens für unumstößlich hält?"

Der Terror der Hamas bleibt unerwähnt

Die Frage ist rhetorisch, aber eine Antwort gibt es trotzdem. Es war den Verfassern dieses Koalitionsvertrags nämlich wichtig, mal wieder die Siedlungspolitik Israels zu denunzieren, weil sie – so wörtlich – "geltendem Völkerrecht widerspricht".
"Eine gewagte Behauptung", bemerkt Posener und fragt: "Warum wird nur eine Seite kritisiert?" In der Tat: Zum Terror von Hamas und Hisbollah findet sich mal wieder nichts in diesem deutschen Regierungsfundament.
Mehr zum Thema