Aus den Feuilletons

Produktive Verunsicherung

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Innenaufnahme einer leeren Kirche mit Blick auf Bänke und Altar.
Der Katholischen Kirche droht eine große Abkehr der Gläubigen. Aber es gibt auch Stimmen, die sich gerade jetzt gegen einen Austritt aussprechen. © imago-images / Eibner
Von Klaus Pokatzky · 02.04.2021
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Die Katholische Kirche aus Protest verlassen oder die "Schatzsuche" des Glaubens fortsetzen? Eine "Aktivistin von Maria 2.0", eine Philosophin und eine Schriftstellerin machen sich Gedanken zur Kirchenkrise in den Feuilletons des Osterwochenendes.
"Mich erkennt jeder", sagt Aykut Anhan. "Trotz Maske?", fragt DER SPIEGEL. "Ich ziehe die Maske an und die Kappe wirklich bis unten, aber die erkennen mich trotzdem", erzählt der Rapper Haftbefehl, so der Künstlername von Aykut Anhan, im Interview. "Wenn ich heute noch kriminell wäre, dann würde mir die Maske wohl etwas bringen. Aber ich bin ja, Gott sei Dank, nicht mehr kriminell." Gott sei Dank.

Der Schamlosigkeit das Geld entziehen

"Gott hat jede Liebe gesegnet, auch die zwischen zwei Männern oder zwei Frauen", sagt Lisa Kötter - nachdem der Vatikan ja gerade einer Segnung für homosexuelle Paare eine klare Absage erteilt hat.
"Ich werde noch in diesem Jahr austreten", erklärt die Aktivistin der kirchlichen Protestinitiative Maria 2.0 im Gespräch mit der taz. "In den letzten Jahren habe ich so viel Schamlosigkeit und Machtmissbrauch mitbekommen, dass ich schon allein aus Gewissensgründen dieser Körperschaft öffentlichen Rechts mein Geld entziehen muss."
Passend zu Ostern kommt da der Widerspruch im Namen des Herrn - von zwei katholischen Damen. "Wer aus der Kirche austritt, weiß oft schon längst nicht mehr, warum er überhaupt noch drin war", heißt es in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Auch unter überzeugten und engagierten Christinnen wird die Abkehr zum Mittel des Protests", schreibt Birthe Mühlhoff - und nennt als einen der Gründe, weshalb sie ihre Kirche jedoch nicht verlassen will: "Als Mitglied der katholischen Kirche lebe ich in dem Bewusstsein, dass in jedem Augenblick irgendwo auf der Welt jemand das gleiche Gebet spricht wie ich, und es einen Ort gibt, an dem ich willkommen wäre."

Glaube und Zweifel gehen zusammen

Für Felicitas Hoppe "ist Religion eine große Ressource, ein Schatz, der noch gar nicht gehoben ist, und ich fühle keinen Impuls, diese Schatzsuche aufzugeben", wie die Schriftstellerin im Interview mit der Tageszeitung DIE WELT erklärt. "Ich habe ein Grundgefühl von Ordnung, nicht von Chaos. Ich habe das Gefühl, dass die Dinge sich fügen."
Darf der Kulturpressebeschauer da als alter Katholik bekennen, wie sehr er sich über solche Sätze freut? "Das Problem beim Schreiben ist, dass ich denke: Das bist immer wieder du, du und du", sagt passenderweise Felicitas Hoppe. "Schriftsteller sind qua Beruf Exhibitionisten." Journalisten ja vielleicht auch.
"Glauben heißt eben nicht, frei von Zweifeln zu sein, im Gegenteil: Ich gehe jeden Abend mit dem Gedanken zu Bett, dass ich vielleicht auf dem Holzweg bin", meint Birthe Mühlhoff noch in ihrem Kirchenbekenntnis in der SÜDDEUTSCHEN.
"Es ist eine produktive Verunsicherung. Aus ihr können Dinge entstehen, für deren altmodische Namen wie Demut und Nächstenliebe es bisher noch keinen Ersatz gibt." Es wäre schön, wenn unsere Bischöfe, vor allem der in Köln, solche Artikel auch einmal lesen würden.

Eine leuchtende Schauspielerin

"Die junge Frau war ein Arbeitstier, stand tagsüber vor der Kamera und abends auf der Theaterbühne", lesen wir in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG über eine andere Kulturschaffende mit Überzeugungskraft: Angelica Domröse, die "leuchtende Schauspielerin", so die SÜDDEUTSCHE, wird am Sonntag 80 Jahre alt.
"Nach der Schule arbeitete sie zunächst als Stenotypistin, wollte aber auf die Bühne", schreibt Maria Wiesner in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN. "1973 spielte sie in Heiner Carows 'Die Legende von Paul und Paula' eine junge alleinerziehende Mutter in Ost-Berlin auf der Suche nach der großen Liebe. Der Film machte sie über die Grenzen der DDR hinaus berühmt (und wurde sogar von Angela Merkel bei einer Filmvorführung 2013 als deren Lieblingsfilm vorgestellt)."
Glückwunsch!
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