Aus den Feuilletons

Pilzliebhaber kommen auf ihre Kosten

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Steinpilze in einem Wald.
Nicht jeden Pilz, den man im Wald findet, sollte man auch verspeisen, warnt die "Welt". Dennoch: 2020 wird ein Pilzjahr. © Unsplash / transly.fi
Von Tobias Wenzel · 23.09.2020
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2020 ist ein gutes Pilzjahr, schreibt die "Welt". Auch Ungeübte könnten Pilze sammeln, doch Vorsicht: Essbar seien alle Pilze, manche allerdings nur einmal, warnt der Autor.
"Experte für gebrochen würdevolle Figuren", heißt es in der TAZ zum Tod des Schauspielers Michael Gwisdek. Einen "Überwinder aller Ossi-Wessi-Klischees" nennt ihn die FRANKFURTER ALLGEMEINE. Gwisdek sei ein "Meister des Minimalismus" gewesen, analysiert Christian Schröder im TAGESSPIEGEL und erläutert das so:
"Ein nervöses Hüsteln, ein schiefer Blick, ein sparsames Lächeln genügten ihm, um einen Charakter zu skizzieren", schreibt Schröder. "Sein Spiel war so sanft und beiläufig, dass man die Kunstfertigkeit kaum bemerkte."
Von Deutschland nach Weißrussland: Die TAZ hat den weißrussischen Musiker Igor Bancer interviewt, der zweimal wegen angeblich illegalen Demonstrierens festgenommen wurde. Bancer schildert, wie ihn drei Polizisten am 10. August in Grodno verhörten:
"Anders als erwartet, haben sie mich sogleich mit der Frage konfrontiert, ob ich die Massenproteste am 9. August in Grodno organisiert habe. Als ich ihnen sagte, dass ich kein Anführer sei, haben sie mir in die Leiste getreten und ich pisste mir in die Hosen. Auf diese Folter war ich nicht vorbereitet, es war nicht nur schmerzhaft, sondern auch demütigend. Mir ist der Urin am Bein heruntergelaufen."
DIE ZEIT zitiert aus einem Gedicht, das der weißrussische Lyriker Dmitri Strotsev im August geschrieben hat:
"Ein Dachen hat sich in unserem Haus niedergelassen
Bewaffnet und fleischfressend
Er mag besonders die Kinder
wir sind so müde, sie zu verstecken, es gibt keine geheimen Ecken mehr
Wie können wir
friedliebende
Dragonophile sein."
"Drachenfreunde", löst Elisabeth von Thadden das Fremdwort auf.

Streit um ein kaum wahrgenommenes Buch

Von der Dragonophilie zur Androphobie, zum Männerhass. In seiner krankhaften Form auch Misandrie genannt. Ein französischer Beamter aus dem Ministerium für Gleichstellung und Diversität hat der 25 Jahre jungen Autorin Pauline Harmange vorgeworfen, die Misandrie zu loben. Darüber berichtet Claudia Mäder in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG.
Harmange hatte in einem Kleinverlag den Essay "Moi les hommes, je les déteste" ('Ich hasse Männer') veröffentlicht. Und dieses kaum wahrgenommene Buch wollte der Beamte aus dem Verkehr ziehen lassen, was dazu führte, dass es eine große Aufmerksamkeit bekam und sich seitdem hervorragend verkauft.
Pauline Harmange sei mit einem Mann verheiratet, schreibt Mäder, und als Leser fragt man sich unweigerlich, wie es dem Mann wohl mit dieser Frau ergeht. Denn Harmange verteidige den Männerhass und definiere ihn als "'negatives Gefühl' gegenüber sämtlichen Vertretern des männlichen Geschlechts".
"Wer das nun sexistisch findet, ist laut Harmange vollkommen fehlgeleitet", schreibt Mäder. "Man könne Misogynie und Misandrie unmöglich mit gleichen Ellen messen, da die männerhassenden Frauen erstens aus einer Position der Unterdrückung agierten und ihren Hass zweitens auf ganz andere Weise lebten als die Männer."
Diese Argumentation sei natürlich nicht strafbar, schreibt Claudia Mäder in der NZZ, aber wer "mit platten Pauschalisierungen" den Feminismus voranbringen wolle, müsse wohl "den Kontakt zur Realität verloren haben".

Das Pilzjahr 2020

Zum Schluss noch etwas für Mykophile, für Pilzliebhaber. 2020 erweise sich als gutes Pilzjahr, schreibt Satiriker Hans Zippert in der WELT. Damit sei es auch eine hervorragende Zeit für Pilzexperten.
"Diese können in praktisch allen Medien auch von Ungeübten gefunden werden, sind aber nicht zum Verzehr zugelassen. Im Gegensatz zu den Pilzen, die, nach einer alten Regel, grundsätzlich alle essbar sind, manche allerdings nur einmal."
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