Aus den Feuilletons

Peymann und Renner - Wenn zwei sich streiten

Claus Peymann und Tim Renner
Fotomontage: Intendant des Berliner Ensemble Claus Peymann und Berlins Kulturstaatssekretär Tim Renner © picture alliance / dpa / Foto: Jörg Carstensen, Paul Zinken
Von Tobias Wenzel  · 09.04.2015
Nach der harschen Kritik von Claus Peymann, Intendant des Berliner Ensembles, am Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner schreibt jetzt die "Welt", raus mit dem "Revolutionsopa". Nur im Fall Peymann ist bereits klar, dass er 2017 geht.
"Liebe Postdemokraten, Kämpferinnen und Kämpfer von Occupy und Blockupy: Könntet ihr euch mal mit den Informationen von Amnesty International auseinandersetzen, bevor ihr eure Klagelieder anstimmt? Oder ist das zu spießig?“,
fragt die in Greifswald lehrende Historikerin Hedwig Richter in der FRANKFURTER ALLGMEINEN ZEITUNG.
"Schaut doch mal auf die Zahlen in Armutsstatistiken, auf Angaben zur Schulbildung, auf Todesziffern, Konfliktherde, Vergewaltigungsraten, und nehmt zur Kenntnis, dass Flüchtlinge gute Gründe haben, ausgerechnet in westliche Länder zu fliehen."
Man merkt ihrem Text an, dass sich da bei der Historikerin lange etwas angestaut hat: Wut und Fassungslosigkeit hinsichtlich der westlichen Elite-Akademiker, die den Untergang eben dieser westlichen Gesellschaft verkünden. Der italienische Philosoph Giorgio Agamben behaupte zum Beispiel schon seit Jahrzehnten, der Kapitalismus stehe vor dem Ende.
"Welches Interesse haben all diese wohlhabenden weißen Intellektuellen daran, unser System zu beschimpfen und die Demokratie zur Farce zu erklären?",
fragt Hedwig Richter empört in der FAZ.
Neuer Roman von Dave Eggers
Überhaupt geht es in den Feuilletons vom Freitag sehr emotional zu: verstört, anklagend oder polemisch klingen die Texte.
"Mit diesem Buch hat sich Dave Eggers so etwas wie ein narratives Privat-Guantanamo geschaffen, abgeriegelt gegen alle Einwürfe und Fragen, einen Hochsicherheitstrakt nicht des Erzählens, vielmehr der Rechthaberei",
schreibt Christopher Schmidt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über den nun auf Deutsch vorliegenden Roman von Eggers, der, kein Scherz, folgenden Titel hat:
"Eure Väter, wo sind sie? Und die Propheten, leben sie ewig?"
Der 34-jährige US-Amerikaner Thomas, die Hauptfigur dieses Romans, hat sechs Menschen in einem ehemaligen kalifornischen Militärstützpunkt angekettet, um sie in aller Ruhe zu befragen. In den Worten von Christopher Schmidt:
"'Finden Sie nicht, dass das Chaos auf der Welt zum weitaus größten Teil von einer relativ kleinen Gruppe enttäuschter Männer verursacht wird?', fragt Thomas einmal. Man muss kein Prophet sein, um voraussagen zu können, dass Dave Eggers auf dem besten Weg ist, einer von ihnen zu werden."
Diogenes-Verlags nicht auf der Frankfurter Buchmesse
Verstört kommentieren die Feuilletonisten die Ankündigung des Diogenes-Verlags, der nächsten Frankfurter Buchmesse aus Kostengründen fernzubleiben. Der im Vergleich zum Euro stark im Wert gestiegene Franken bedeutet für den Schweizer Verlag finanzielle Einbußen. 90 Prozent seines Umsatzes macht er nämlich in Deutschland und Österreich, also im Euro-Gebiet. Aber muss man deshalb gleich die Teilnahme an der wichtigsten Buchmesse der Welt absagen? Der Diogenes-Autor Martin Suter äußert im Interview mit Sandra Kegel von der FAZ dagegen seine Bewunderung für diesen Schritt. Auch er verdiene nun weniger. Und zu seiner Familie:
"Wir haben uns im letzten Sommer zwischen Spanien und der Schweiz entscheiden müssen und sind schließlich in Zürich gelandet. Vielleicht müssen wir auf Spanien zurückkommen."
Ja, richtig gehört: Ein Schweizer Bestsellerautor, der Millionen von Büchern verkauft hat, fürchtet, es sich nicht mehr leisten zu können, in der Schweiz zu leben! Da könnte man jetzt polemisch werden.
Peymann vs. Renner
Aber wozu, wenn das schon Ulf Poschardt in der WELT übernimmt? Allerdings ist dessen Zorn auf den Intendanten des Berliner Ensembles gerichtet. Claus Peymann hat in der aktuellen Ausgabe der ZEIT Kollegen und Kulturpolitiker für unfähig erklärt.
Über den Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner sagte Peymann, der verstehe vom Theater genauso wenig wie ein Pförtner. Und wörtlich: "Der Renner muss weg."
In der WELT schlägt Ulf Poschardt nun mit seinem Artikel "Der Peymann muss weg"
zurück:
"Peymanns Verachtung für Berlin als 'Hip-Hop-Hauptstadt' erinnert an den Gegenwartsekel der AfDler."
Und dann dieser Satz:
"Tim Renner tut das Richtige, wenn er den feisten Revolutionsopa rausschmeißt."
Mehr zum Thema