Aus den Feuilletons

Parken für 85 Cent im Monat

04:21 Minuten
Ein Parkverbotsschild mit der Aufschrift «Parken verboten! Nicht 3 Minuten, nicht 10 Sekunden, nicht mit Parkscheibe. Gaaar niiicht!»
Hier ist parken verboten, die "TAZ" findet es oft zu billig. © picture alliance/Waltraud Grubitzsch/dpa-Zentralbild/ZB
Von Ulrike Timm · 02.01.2020
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Der Verband der Automobilindustrie schlägt vor, das Anwohnerparken einkommensmäßig zu staffeln. Die "TAZ" vergleicht daraufhin die Kosten des Parkens mit den Mieten und kommt zum Ergebnis: Die gesellschaftlichen Kosten werden nicht abgebildet.
Das Jahr ist noch sehr jung – aber es gibt schon Preisträger. Osnabrück! Ausgezeichnet als nachhaltigste Großstadt Deutschlands. Alexander Menden von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG machte sich auf gen Norden und erkundete unter anderem ein neues Wohngebiet, in dem "ein geschütztes Magerrasenbiotop ebenso festgeschrieben ist wie die obligatorische Begrünung der Flachdächer".
Magerrasen meint nicht bloß, wie die Pressebeschauerin vermutete, der kommt immer und überall klar, bei Regen, Wind und Sonne – weit gefehlt, Magerrasen ist laut Wikipedia geprägt von Kraut und Halbstrauchgewächsen, und Magerrasen ist tendenziell auf dem Rückzug, im Bestand bedroht.
Aber nicht in Osnabrück! Wieder was gelernt! In Osnabrück also Magerrasen im Neubaugebiet, kluge Radwegeplanung trotz vielbefahrener Umgehungsstraßen und als Clou sehr ernsthaft angedacht: ein solarbetriebenes Schwebebahnnetz. Na bitte, geht doch, Leute, auf nach Osnabrück! Worauf die dortigen Stadtväter- und -mütter zurecht stolz sind: Viele Ressorts haben erfolgreich zusammengearbeitet, nachhaltig geplant, viele "Mosaiksteinchen" zusammengesetzt. Chapeau!

Kein Nachhaltigkeitspreis für den Vorschlag

Die TAZ beschäftigt sich mit einem Vorschlag des Verbands der Automobilindustrie, das Anwohnerparken einkommensmäßig zu staffeln. Klingt nett, ist aber ein ziemlich durchsichtiges Manöver, findet die TAZ: Denn ein Autoverband möchte natürlich, dass Autofahren und also auch Autoparken angenehm ist – aber jetzt schon kann man das etwa in Berlin für 85 Cent monatlich, spottbillig, "und wir reden hier über mehrere Quadratmeter öffentlichen Raums! Gibt es irgendwo noch Wohnungsmieten für so einen Preis?" fragt die TAZ und meint, der Vorschlag vernebele die eigentliche Debatte, nämlich "darüber, was wir als Gesellschaft eigentlich sinnvolleres machen wollen mit den ganzen öffentlichen Flächen, auf denen tagein, tagaus private Autos stehen, von einer Größe, die manchmal die eines Zimmers übersteigt." "Falsch abgebogen", so das TAZ-Fazit zur Idee, die Preise fürs Anwohnerparken zu staffeln.
Einen Nachhaltigkeitspreis gibt es dafür jedenfalls sicher nicht!
"Brexit kommt, aber Potter bleibt!" freut sich die Neue Zürcher Zeitung, denn in Frankreich stehen die Harry-Potter-Romane der Britin J.K. Rowling auf Platz 1 der Lieblingsbücherliste, der kleine Zauberer fegt damit die Nationalheroen Proust, Flaubert oder Hugo vom Platz. "Ein Kinderbuch an der Spitze – wenn das kein gutes Omen für das junge Jahrtausend ist", frohlockt die NZZ, und weiter: "Sofern es stimmt, dass Literatur die Welt und das Dasein abbildet, ja geradezu vorwegnimmt, dann kann das nur heißen: Wir stecken schon mitten in einem kindischen Zeitalter. Das wäre für einmal eine gute Nachricht."

Schon die Inuit hatten Arteriosklerose

"Die Bereitschaft, nun alles anders und natürlich besser zu machen als bisher, ist niemals so groß wie in den ersten Tagen des neuen Jahres", lesen wir in der FAZ, vermuten einen Besinnungsaufsatz über scheiternde Vorsätze und gucken schon ganz schuldbewusst. Omega-3-Fettsäuren aus Fisch sollen ja für alles Mögliche gut sein und unter anderem vor Arteriosklerose schützen, und nun das: Vier Inuit-Mumien, ausgebuddelt in den 1920er-Jahren, wurden wissenschaftlich untersucht mit dem Ergebnis, dass die Menschen an Arteriosklerose litten.
"Dass Inuit in einer Zeit, in der die Moderne mit all ihren Verheerungen noch nicht über Grönland hereingebrochen war, sich viel im Freien bewegt und reichlich fetten Fisch gegessen haben, kann man getrost annehmen. Woher also die Arteriosklerose? Die Forscher verweisen auf Untersuchungen an den Mumien, die einer massiven Rußbelastung ausgesetzt waren – die Tranlampen, so scheint es, setzten den Inuit möglicherweise mehr zu als uns der Großstadtsmog." Fazit der FAZ: "Gegen manchen Lebensstil kam auch der Fisch nicht an".
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