Aus den Feuilletons

Paradiesische Zeiten für Polit-Comedy

Tracey Ullman auf dem roten Teppich beim Tribeca TV Festival 2018 in New York am 21.09.2018
Comedy-Star Tracey Ullman parodiert auch Bundeskanzlerin Angela Merkel © imago stock&people
Von Hans von Trotha · 24.09.2018
Die britische Komikerin Tracey Ullman erwerbe sich große Verdienste mit ihren Kanzlerin-Parodien, berichtet der "Tagesspiegel". Die Gelobte findet die Spielwiese für Satire - angesichts der vielen auffälligen Persönlichkeiten - gerade riesig.
In der Welt verteidigt Marlen Horback die Frau als Frau. "Trans und queer und alle möglichen anderen Zwischenstufen", heißt es da, "verwässern den Begriff "Frau". Denn die bleibt in ihrem Körper", meint Horback. "Eine Berichtigung", nennt sie ihren Artikel.
"Feministinnen" schreibt sie, "die sich dezidiert nicht für die Anliegen Transsexueller einsetzen wollen, tragen in der queer-feministischen Szene eine besondere Bezeichnung: TERF, also Trans-Exclusionary Radical Feminists. Die Bezeichnung TERF hat sich so zum Schimpfwort entwickelt. TERFs, so lautet das Vorurteil, riefen gar zum Hass gegen Transsexuelle auf."
Das sei, stellt Horback klar, "mit Verlaub, natürlich Unsinn. Wenn man bestreitet, dass Transrechte genuin Teil feministischer Politiken sein müssen, heißt das noch lange nicht, dass man Transrechte negiert oder gegen sie opponiert."

Feminimus, der den Frauen schadet

Horback meint: "Ein Feminismus, der das Subjekt auflöst, für das er kämpfen und realpolitische Veränderungen bewirken will, macht sich nicht nur obsolet. Er betreibt obendrein erfolgreich das, was zweitausend Jahre und mehr des patriarchalen Diskurses über die Frau nie vollständig bewerkstelligen konnten: die Auslöschung der Frau."

Reflexion über das Sein

Aber nicht nur die Frau hat es schwer zu definieren, was sie ist. In der FAZ probiert es Wilhelm Genazino, nicht als Mann, sondern als Schriftsteller. Und als Mensch.
"Wie ich ich wurde", heißt seine lange Erörterung.
Er zitiert Borges und Beckett und Karl Valentin und Virginia Woolf mit der Beobachtung: "Heute kann kein einzelner Mensch mehr dem Druck gesellschaftlicher Verhältnisse widerstehen. Sie fegen über ihn hinweg und vernichten ihn. Sie lassen ihn gesichtslos, namenlos, lediglich als ihr Instrument zurück." - Und das war vor 90 Jahren.
"Könnte ich Schriftsteller sein, wenn außer mir niemand wüsste, dass ich Schriftsteller bin? Und: Könnte ich Schriftsteller sein, wenn meine Bücher zwar geschrieben, aber nicht verlegt würden? Der Erfolgreiche hält seinen Erfolg für ein Naturereignis, das nicht ausbleiben konnte. Am Ende bleiben beide, der Erfolgreiche und der Erfolglose, auf ihren Rätseln sitzen. Merkwürdig ist, dass sich viele Erfolgreiche für Glücksritter halten; in ihrer Vorstellung sind sie nur mit knapper Not dem Scheitern entkommen."

Arrogante Bildungsbürger wie eh und je

Sarah Kohler erregt sich in der taz, dass der in seiner Partei derzeit besonders deutlich kritisierende Juso-Chef Kevin Kühnert von Journalisten und Politikern abgeschmettert wird. "Ihr wichtigstes Argument: Kühnert sei zu jung und habe noch nichts geleistet.", also: "Sein Alter und sein Bildungsgrad."
"Journalisten, wie Jan Fleischhauer, sprechen dem ‚ewigen Politikstudenten‘ das Urteilsrecht ab. Weil er sein Studium nicht abgeschlossen hat. Und nur knapp 30 Jahre zählt. Das Bildungsbürgertum urteilt also, ein abgeschlossenes Studium sei Voraussetzung für die Politik. Die Elite soll unter sich bleiben, Privilegien will schließlich keiner teilen. Und die Älteren erklären den Jüngeren die Welt. Diese abgehobenen Elitären über 50 sollten sich fragen, ob es nicht viel destruktiver ist, pauschal die Menschen zu entmündigen. Das fördert Politikverdrossenheit – und Schlimmeres."
Vielleicht muss man sich einfach öfter mal entschuldigen. Das hat jetzt ja sogar die Kanzlerin getan. Das ist schon etwas Außergewöhnliches.

Klamauk-Inspiration aus der Politik

Im Tagesspiegel ist zu lesen, dass sich die Komikerin Tracey Ullman "gerade mit Parodien von Angela Merkel große Verdienste erwirbt. Sie wird in den Sketchen als 'My Chancellorette' angesprochen". In der 'Daily Show' von Trevor Noah hat Ullman gerade erklärt, was sie an Angela Merkel eigentlich so fasziniert:
"Als ich anfing, Comedy zu machen, war ,Spitting Image‘ die wichtigste Inspirationsquelle. Aber nun ist es für Komödianten ja - viel einfacher. Ich kann heute eine ganze Reihe komischer Vögel bearbeiten: Ich habe Angela Merkel und Theresa May, diese Mischung aus Oscar Wilde und Nosferatu, dann Brigitte Macron natürlich, die Gattin. Eine Menge Fleisch also", findet Tracey Ullman.
Trevor Noah fragt nach: Wie ist denn Angela Merkel? Ullman: "Ich weiß es auch nicht. Manchmal bewegt sich etwas an ihr, ein Arm vielleicht. Ich habe es selbst gesehen." Na, und jetzt hat sie sich sogar entschuldigt. –

Kinder und Tiere als Ideal

Man muss das mit dem eigenen Scheitern ein bisschen anders sehen. Mit Wilhelm Genazino zum Beispiel. Der scheibt in seiner FAZ-Suche nach dem Ich:
"Kinder (und Tiere) scheitern, ohne bösartig zu werden. Ihr Lebensprinzip ist die problemlose Wiederholung. Sie machen alles noch einmal und noch einmal und noch einmal. Der erwachsene Mensch, ein Wesen mit Gedächtnis, Bewusstsein und Biographie, kann kaum ein Scheitern vergessen; im Gegenteil, es macht aus jedem einzelnen Misserfolg ein bleibendes inneres Vorkommnis."
Und muss damit irgendwie umgehen.
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