Aus den Feuilletons

Opermetaphern-Spektakel für Merkel

04:17 Minuten
Christine Lagarde, designierte Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Stephan Stubner, Rektor der Handelshochschule Leipzig (HHL), und Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin stehen nebeneinander. Angela Merkel hält ihre Ehendoktor Urkunde in der Hand und lacht Lagarde an.
Christine Lagarde, designierte Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Stephan Stubner, Rektor der Handelshochschule Leipzig und Bundeskanzlerin Angela Merkel (v.l.n.r.) bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde an Merkel. © picture alliance/Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
Von Paul Stänner · 01.09.2019
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Angela Merkel bekam in Leipzig jetzt ihren 17. Ehrendoktor, Christine Lagarde hielt "eine Laudatio in D-Dur": D wie "diplomacy, diligence, determination, duty", das schreibt die "FAZ". Die Veranstaltung sei ein Spektakel voller Opernmetaphern gewesen.
Die FAZ eröffnet die Woche und unsere Auswahl mit einem Artikel, aus dem nicht ganz klar wird: Haben die Hohenzollern wirklich von der Stadt Köln verlangt, sie solle den Hohenzollernring an die Namensgeber ausliefern? Der Adelsclan will ja reichlich Schlösser, Gemälde, Möbel und dergleichen in seinen Privatbesitz zurückführen, warum nicht auch einen ganzen Straßenzug?
Die FAZ spielt die Idee durch und sieht die Stadt bedroht von den Forderungen der Ubier, Karolinger, Sachsen, Salier und anderer, nach denen ebenfalls in Köln Ringe benannt sind. Aber sie attestiert der Stadt einen starken anti-monarchistischen Impuls, so dass sich die Hohenzollern wohl verrannt haben.

CSU mit neuem Youtube-Format

Vergaloppiert hat sich anscheinend auch die CSU. Nachdem die konservativen Christparteien im Wahlkampf auf den Angriff von Youtuber Rezo verschlafen reagiert hatten, hat sich die CSU einen eigenen Youtube-Kanal mit dem Label "CSYou" verordnet.
Der Moderator heißt Armin und ist parteilich empört, wie der TAGESSPIEGEL berichtet. Laut Armin fliegen die Grünen mehr als alle anderen Abgeordneten im Bundestag, der Unteilbar-Demo in Dresden fehlten die Deutschlandfahnen und Gretas Tour ist Armins Aufreger der Woche.
Der TAGESSPIEGEL hat die Reaktionen im Netz verfolgt und pfeift der CSU ein Eigentor, denn "CSYou" stand am Sonntagnachmittag bei 135.000 Aufrufen. "Viel mehr dürften es nach den ersten Kommentaren nicht werden." Für die SÜDDEUTSCHE hat sich die CSU lächerlich gemacht. Sie zitiert abschließend den Tweet eines Users: "Wenn Armin die Antwort ist, habt ihr die Frage nicht verstanden."

"Bodyshaming-Kampagne" nach Opernkritik

Zurück in die analoge Wirklichkeit. Manuel Brug, Opernkritiker der WELT, hatte in einer Kritik über die Salzburger Festspiele das Wort "dick" verwendet. Weil in einer Aufführung mehrere der Hauptfiguren als dicke Frauen inszeniert worden waren. Daraufhin hat eine der Sängerinnen, eine Amerikanerin, einen Shitstorm losgetreten.
Brug schreibt: "Nach einiger Inkubationszeit zettelte sie in den sozialen Medien eine grelle Bodyshaming-Kampagne an. Sie sei als 'fett' verachtet worden." Und dann noch: "Sie würde hier als seit zehn Monaten stillende Mutter beleidigt, zetert sie."
In einem langen Artikel muss der angegriffene Kritiker Manuel Brug darstellen, dass seine Kritik der Inszenierung galt und nicht der Darstellerin, muss Differenzen zwischen europäischer und amerikanischer "Darstellung und Beschreibung des Körpers" bedenken und noch in einem kunsthistorischen Essay die Frage des Volumens von Rollen und Darstellern beleuchten.

Weiterer Ehrendoktor für Angela Merkel

Im Leipziger Opernhaus ist Angela Merkel der 17. Ehrendoktor verliehen worden. Und, schreibt die FAZ: "Christine Lagarde hält ihr eine Laudatio in D-Dur". D wie "diplomacy, diligence, determination, duty" – alles Eigenschaften, die Lagarde ihrer Duz-Freundin zugeschrieben hat.
Die gesamte Ehrenveranstaltung muss nach Schilderung der FAZ in einem Wirbel aus Opernanspielungen und -metaphern abgelaufen sein.
"Das 'Meistersinger'-Vorspiel gibt dann Angela Merkel das Leitmotiv für ihre Dankesrede: Das berühmteste Zitat des Librettos, 'Verachtet mir die Meister nicht', prägt sie um zu 'Verachtet mir die Kompromisse nicht'. Für die Frau, die den Begriff 'alternativlos' allgegenwärtig gemacht hat, ist das ein verblüffendes Bekenntnis, aber man darf es wohl so verstehen, dass Politik kompromisslos kompromissbereit zu sein habe."
So kompromissbereit ging es im Opernhaus dann doch wieder nicht zu, fiel doch dem lobenden, zeitgleich aber auch wahlkämpfenden Ministerpräsidenten Kretschmer in seiner Rede wahrlich nicht der Name seiner Staatsministerin für Kunst ein, die Mitglied der konkurrierenden SPD ist.
Hochkultur, das haben wir zum Wochenbeginn gelernt, adelt nicht notwendig Menschen zu besseren Menschen.
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