Aus den Feuilletons

Ode an Beethoven

04:19 Minuten
Ludwig van Beethoven Statue in Bon
Musik für Jedermann: Dank Beethoven sei Musik zu einem Gut aller Menschen geworden, schreibt die "FAZ". © imago images / Jürgen Ritter
Von Gregor Sander · 15.12.2020
Audio herunterladen
Kurz vor Ende des Beethoven-Jahrs beleuchtet die "FAZ" den Komponisten von allen Seiten. Sie fragt, was Beethoven wohl dazu gesagt hätte, dass die Telekom seine zehnte Sinfonie mit künstlicher Intelligenz beenden will – und ob er "weinkrank" war.
Das Beethoven-Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Am Donnerstag vor 250 Jahren wurde der Meister getauft, und da ja keiner den genauen Geburtstag kennt, erfreuen uns die Feuilletons schon am Mittwoch mit einem letzten großen: Tatatataaaa!
"Über Beethoven ist schon alles gesagt worden", steht beispielsweise in einer Überschrift des Berliner TAGESSPIEGEL und zwar als Aussagesatz. Es folgt allerdings ein "Wirklich?", mit einem Fragezeichen. Und so legt uns Frederik Hanssen das internationale Musiker-Quintett Klazz Brothers & Cuba Percussion ans Ohr: "Die südamerikanischen Rhythmen schmiegen sich den altbekannten Melodien an, der Titan entfaltet ungeahnte Lässigkeit."
Selber Beethoven-Hören war in diesem virengeplagten Jahr sowieso das Gebot der Stunde, wie sich Manuel Brug in der Tageszeitung DIE WELT erinnert: "Die meisten Aufführungen mussten pandemiebedingt abgesagt, verschoben oder modifiziert werden; nur Kleines oder Virtuelles schien zunächst möglich. So wurde aus Rambazamba und Gedöns ein intimer Beethoven-Gang zum Klavier oder zur Kammermusik oder zum Beethoven-Buch."

Die Beethoven-Analyse

Das hält die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG aber nicht davon ab, noch einmal zum großen Rambazamba auszuholen und das Feuilleton ganz dem Komponisten zu widmen: "Dank Ludwig van Beethoven", schreibt Jan Brachmann, "ist Musik zu einem Gut aller Menschen geworden".
Der Dramatiker Moritz Rinke stellt sich Ludwig van Beethoven auf einem heutigen Telekom-Empfang vor. Das Bonner Unternehmen hat angekündigt, oder soll man sagen, angedroht, die zehnte Sinfonie mittels künstlicher Intelligenz zu beenden: "Man hat also mein Leben, mein Werk, in einen Automaten gestopft, denkt er, und hernach soll der Automat meine unvollendete Sinfonie herausspucken!? Weiß der Automat, wie ich mich fühlte, als ich die Zehnte im Geiste skizzierte? Wurden in den Automaten auch meine Stimmungen geleitet? Meine Schmerzen!? Meine Wut?", erregt sich Beethoven mit Rinkes Worten.
Doch da fragt auch schon Clemens Haustein: "Welches ist das richtige Instrument für die 'Mondscheinsonate'?" Und findet die Antwort im Berliner Musikinstrumentenmuseum: "Am besten einen Flügel nehmen, der eine Entwicklungsstufe später gebaut wurde, als zur Entstehungszeit des Werkes üblich", schlägt da ein Experte vor, denn: "So ließen sich die Überforderungen abfedern, die der visionäre Komponist seinem jeweiligen Instrument auflastete."
Daniel Deckers hingegen fragt immer noch in der FAZ, aber fast schon im Boulevardstil: "War Beethoven weinkrank?", um den Komponisten dann tatsächlich in den Sektionssaal zu begleiten: "250 Jahre nach seiner Geburt verneigt sich nun die Welt vor dem 'Titanen im Reich der Töne', wie es 1827 im Obduktionsbericht hieß, der schwere Leberschäden zutage förderte."

Das neue Buch von Robert Macfarlane

Genauer wollen wir es nun aber auch nicht mehr wissen und genehmigen uns auf diesen Schreck selber einen Schluck, natürlich nur im übertragenen Sinne: "Wandern, den Flachmann kreisen lassen, schauen", so fasst Catrin Lorch in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG das neue, nur 40 Seiten dünne Buch von Robert Macfarlane zusammen. Der Meister des Nature Writing beschreibt darin die englischen Hohlwege, die die Kritikerin so erklärt: "Alte Pfade – die ältesten stammen aus der Eisenzeit, die jüngsten noch immer mindestens dreihundert Jahre alt –, die für den Ausbau nicht taugten und deswegen noch weiter absanken, überwuchert kaum noch sichtbar sind."
Doch wer nun glaubt, das schmökere ich mal zwischen Frühstück und Gänsebraten weg, den warnt Lorch: "Nur knapp 40 Seiten lang, ist 'Hohlweg' dennoch kein Buch für Einsteiger in das Genre des Nature Writing. Aber wer die Bücher von Robert Macfarlane oder Roger Deakin kennt, die Schriftsteller schon bei ihren Exkursionen begleitet hat, wird sich gerne durch das Bändchen schaukeln, in dem sich knapp formulierte Zeilen mit sanft gestrichelten Linien zu einem Netz verknüpfen."
Und wer daran scheitern sollte, dem rät Rainer Moritz in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG: "Ein Kochbuch ersetzt heute die Lebensberatung."
Mehr zum Thema