Aus den Feuilletons

Nietzsche – ein femininer Denker?

04:21 Minuten
Zeitgenössisches Porträt des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche
"Am Ende ist ihm die Frau der äusserste Mensch", lesen wir in der "Neuen Zürcher Zeitung" über Friedrich Nietzsche. © picture alliance / Bifab
Von Klaus Pokatzky · 24.11.2019
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Während im "Tagesspiegel" den Frauen attestiert wird, dass sie zu scheu seien, verweist die "NZZ" auf den von ihnen so genannten "femininen Denker" Friedrich Nietzsche, der im weiblichen Geschlecht einen höheren Typus des Menschen erkannt haben soll.
"Kommen Sie näher, verehrte Leser, und vor allem Sie, liebe Leserinnen, denn heute bieten wir Nutzwert."
Das verspricht uns der Berliner TAGESSPIEGEL. "Keine Scheu", ruft Klaus Brinkbäumer. "Scheu ist für Verweichlichte, für Demokratieliebhaber, Grüne, Frauen. Die meisten Frauen können das mit der Selbstverteidigung nicht."
Vielleicht sollte der Kollege Brinkbäumer einfach mal Nietzsche lesen.
"Am Ende ist ihm die Frau der äusserste Mensch", lesen wir in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG über Friedrich Nietzsche. Manuel Müller hat sich in den Philosophen vertieft, dem immer so gerne ein allerhärtestes Machowesen unterstellt wird – und beschreibt ihn aufs Liebevollste als einen "femininen Denker"; etwa mit diesem Nietzsche-Zitat:
"Das vollkommene Weib ist ein höherer Typus des Menschen als der vollkommene Mann: auch etwas viel Selteneres."
Es gibt aber auch tolle Männer. "60 Jahre alt wird das Männchen mit der Zipfelmütze und dem Säckchen Sand im Anschlag", feiert die Tageszeitung TAZ einen Jubilar – und zwar einen gesamtdeutschen.
"Wenn das 'Sandmännchen' vorbei ist: Küsschen, Licht aus, schlafen", beschreibt Daniél Kretschmar das Fernsehritual mit dem kleinen Mann, der im Ostfernsehen am 22. November 1959 das Licht der Kinderwelt erblickte – und am 1. Dezember 1959 dann auch in seiner westdeutschen Variante in der ARD.
"So überlebte das Sandmännchen sogar noch das Ende der DDR und bringt bis heute die Kleinsten ins Bett. Neben der Fernsehausstrahlung beim MDR, dem RBB und dem Kinderkanal gibt es ihn inzwischen sogar als App."

Walter Ulbricht und die Monotonie des Yeah-Yeah-Yeah

Und wie war das dann, als die kleinen Sandmännchen-Fans etwas größer geworden waren und nun eine Musik wollten, die den Eltern und Großeltern nicht so gefiel?
Die Tageszeitung DIE WELT zitiert den DDR-Potentaten Walter Ulbricht aus seiner "legendären Rede" 1965 vor der SED:
"Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, kopieren müssen? Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Yeah-Yeah-Yeah, und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluss machen."
Den Spruch gegen das "Yeah-Yeah-Yeah" hätte Ulbricht damals sicherlich auch auf Parteitagen von spießigen westdeutschen Parteien halten können – aber in seinem staatssozialistischen Osten hatte er doch noch andere Möglichkeiten.
"Die Musiker erfüllten Ulbricht seinen Wunsch, indem sie sich an staatlichen Musikschulen eine ‚liedhafte Rockmusik‘ aneigneten", schreibt Michael Pilz in der WELT: "Zugleich missachteten sie die kulturpolitischen Befehle, indem sie ihren westlichen Vorbildern nacheiferten. Die Puhdys spielten wie Deep Purple und Uriah Heep."

"Okay, Boomer"

Mut vor sozialistischen Bonzenthronen und den Freiheitskampf hatten die jungen Musiker ja rechtzeitig gelernt – bei ihrem Sandmännchen. "DDR-Sozialisierte mögen sich erinnern an den ersten großen Schritt in die Erwachsenenwelt: Die Erlaubnis, bis zur zweiten Ausstrahlung wach bleiben zu dürfen", erinnert die TAZ. "Diese Verlängerung des Tages um eine Stunde war im Zweifelsfall hart erkämpfte und verdiente Freiheit."
Und wie gehen die Jungen heute mit den Alten um? "‘Okay, Boomer‘, sagt man heute zu den Leuten, die als Babyboomer irgendwann zwischen den fünfziger und den siebziger Jahren geboren sind", schreibt Paul Jandl in der NEUEN ZÜRCHER.
"Die Wendung heisst so viel wie: Halt die Klappe, Alter. Du hattest deine Zeit. Jetzt sind wir dran."
Okay – ich bin ja schon weg.
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