Aus den Feuilletons

Nein zum Design

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Eine Reihe von orangefarbenen Leihfahrrädern in ihren Ständern auf einer Straße in Santiago de Chile von vorne schräg abgelichtet.
Selbst die Leihfahrräder in Santiago de Chile sind zu viel des Guten in Sachen Design für den "FAZ"-Autor. © imago stock&people JAVIER TORRES/ATON CHILE
Von Tobias Wenzel · 05.01.2020
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An überdesignten Alltagsgegenständen und durchgestylten Städten stößt sich der Feuilletonist in der "FAZ". Besonders kritisch findet er es, wenn Design dazu verwendet werde, Überwachungstechnik zu verschleiern wie Kameras in Laternen.
"Schafft das Design ab!" – Niklas Maak ruft das in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG aus. Zwar wünscht er sich kein vollkommen designfreies Leben. Aber er möchte zum Beispiel im Urlaub in einem französischen Dorf ankommen, ohne dass "die Gestalter schon vorher da waren".
"Selbst in Italien stehen mittlerweile an jeder Kreuzung Straßenlaternen, die aussehen, als hätte Giacometti einen depressiven Geier entworfen, der den Hut von Räuber Hotzenplotz entwendet hat", schreibt Maak.

Versteckte Überwachung im Design

In Santiago de Chile seien Straßen in Regenbogenfarben angemalt und "Trimm-Dich-Fahrräder" installiert worden: "Einem autoritären Staat muss diese nur farblich heitere Besetzung des öffentlichen Raums gut gefallen: Wer hier gegen die Regierung demonstrieren will, stößt sich sehr schnell die Knie am Sportgerät, Fortschritt heißt ab sofort, allein auf der Stelle zu strampeln, statt gemeinsam zu marschieren."
Aktuelles Design verschleiere überhaupt oft seinen wahren Grund: zum Beispiel die Überwachungstechnik dahinter. Wie Kameras, die man für Lampen in Laternen hält.
"Die neuen BMW etwa tragen eine seltsame Plastik- und Metalllasagne im Gesicht, einen abstrahierten Medusenkopf, der dem Fahrer das gute Gefühl geben soll, dass sein Wagen ihn als Straßenkampf-Monster gegen die anderen Verkehrsteilnehmer gut verteidigen wird", schreibt Maak.
"In Wirklichkeit aber sammelt das Auto ständig Daten über Fahrstil und Zustand von Auto und Fahrer und sendet sie an den Autohersteller."

Streit um Omas auf Motorädern

Werden eigentlich auch Omas auf ihren Motorrädern überwacht? Michael Hanfeld erinnert in der FAZ daran, dass man an dem "'Umweltsau'-Video" Gefallen finden oder Kritik üben könne, "ohne die Systemfrage zu stellen". Aber die würden dann eben doch viele stellen: "So geht es also links gegen rechts, rechts gegen links, ganz gleich zu welchem Anlass, dazwischen gibt es nichts mehr, vor allem nicht die 'Mitte der Gesellschaft', von der es gebetsmühlenartig heißt, sie rücke nach rechts."
WDR-Intendant Tom Buhrow habe mit seiner Entschuldigung für das satirische Video kompetente Kollegen im eigenen Haus den "Löwen zum Fraß vorgeworfen", schreibt Klaus Brinkbäumer im TAGESSPIEGEL. Gewitzter wirkt, was Friedrich Küppersbusch in der TAZ sagt:
"Wenn ein paar Millionen Türkdeutsche im ZDF der Ziegenfickerei beigewitzt werden, hagelt es alle Fernsehpreise Deutschlands und Bild schwingt sich zur heldenmütigen Schildmagd der Satirefreiheit auf. Wenn ein paar Millionen Senioren im WDR als Umweltsäue provoziert werden, wird das Stück gelöscht, der Intendant zum Zensor und in Bild deliriert Wagner von 'der Entlassung der Verantwortlichen'."

Innere Ruhe statt Lampenfieber

"Kennen Sie Lampenfieber?", will der TAGESSPIEGEL vom Sänger Thomas Quasthoff wissen. Das habe er noch nie gehabt, antwortet er: "Ich liebe die zehn Minuten vor dem Konzert, wenn ich alleine bin. Aber nicht, um meine schweißige Stirn abzutrocknen, sondern um innere Ruhe zu erlangen."
Wenn Sie, liebe Hörer, nun auch Lust auf innere Ruhe haben und sich auf einen Stuhl setzen, dann seien Sie gewarnt. In dem schon erwähnten Artikel in der FAZ zitiert Niklas Maak nämlich die Design-Theoretikerin Annette Geiger so:
"Wir sitzen viel zu viel, und dafür sind unsere Körper nicht gemacht. Wie also sollte ein Stuhl das Problem des Sitzens lösen, wenn das Sitzen selbst das Problem ist? Die Lösung des Problems Stuhl läge vermutlich in seiner Abschaffung."
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