Aus den Feuilletons

"Mutmaßlich größte schwule Undercover-Organisation der Welt"

Ausblick auf Petersplatz oder Piazza San Pietro und Rom von der Kuppel des Petersdoms, Vatikan, Rom, Latium, Italien
Ausblick auf den Petersplatz und Rom von der Kuppel des Petersdoms aus betrachtet. Die "Taz" kritisiert die homophoben Äußerungen von Papst Franziskus. © imago/imagebroker
Von Tobias Wenzel · 02.12.2018
Die "Taz" kommentiert ein spanischsprachiges Buch, in dem sich Papst Franziskus gegen Homosexuelle im Klerus ausspricht und die Homosexualität mit einer Mode vergleicht. Dies könne man aber viel eher vom Christentum behaupten, kontert die "Taz".
Er riet Eltern von homosexuellen Kindern, sie zum Psychiater zu bringen. In einem spanischsprachigen Buch, das an diesem Montag erscheint, wird Papst Franziskus mit neuen Worten zur Homosexualität zitiert: "In unseren Gesellschaften scheint es gar, dass Homosexualität eine Mode ist, und diese Mentalität beeinflusst auf gewisse Weise auch die Kirche". Eine solche Art der Zuneigung habe aber keinen Platz in der Kirche.

Gleichgeschlechtliche Liebe ist älter als das Christentum

Tim Caspar Boehme kommentiert das wiederum in der TAZ:
"Man kann zum Umgang der Kirche, der mutmaßlich größten schwulen Undercover-Organisation der Welt, sehr viel sagen, womöglich bleibt dem Papst nichts anderes übrig, als die offizielle Sprachregelung zu wählen, Homosexuelle hätten bei ihnen nichts verloren."
Dass Franziskus aber die Homosexualität als Mode bezeichnet, lässt ihm der Journalist nicht durchgehen. Die gleichgeschlechtliche Liebe sei nämlich sogar älter als die katholische Kirche. Mit gewisser Berechtigung könne man aber behaupten:
"Das Christentum ist eine Mode, in historischer Perspektive allemal, und steckt zudem in einer Krise. Wenn Franziskus so argumentiert wie aktuell, stellt er sich rhetorisch auf eine Stufe mit Populisten wie Donald Trump, die Kritik an sich selbst kurzerhand in einen Vorwurf an die 'Gegenseite' ummünzen."

Das Genom-Editieren nicht komplett ablehnen

Welche Worte würde der Papst wohl für das wählen, was dem chinesischen Genforscher Jiankui He laut eigener Aussage gelungen ist: das Ausschalten eines Gens, das Ansteckung mit HIV ermöglicht, und die Geburt gesunder Zwillingsmädchen?
Drei Wissenschaftler, die Bioethikerin Bettina Schöne-Seifert, die Mikrobiologin Bärbel Friedrich und der Genetiker Ernst-Ludwig Winnacker, berichten in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG von einem Hongkonger Kongress zum so genannten Genom-Editieren, bei dem alle Sprecher das Vorgehen des chinesischen Genetikers als Anschlag auf das Ansehen der Genforschung überhaupt verurteilt hätten.
Das Editieren von Genomen ist ein molekularbiologisches Verfahren, bei dem Teile der DNS von Bakterien, Pflanzen, Tieren oder eben auch Menschen entfernt oder ersetzt werden. In Deutschland verbietet das noch das Embryonenschutzgesetz. Noch könne man die Folgen nicht abschätzen.
Aber der unverantwortliche Vorstoß des chinesischen Genetikers dürfe nicht dazu führen, dass man das Verfahren komplett ablehne. Schließlich könnten in Zukunft schwere Krankheiten auf diese Weise behandelt werden.
Die drei Autoren des FAZ-Textes halten mit dem niederländischen Bioethiker Guido de Wert die Argumente für die kategorische Ablehnung dieser Technik für nicht plausibel:
"Im Kern dieser Einwände steht zumeist die Vorstellung, der menschliche Genpool ('das Erbe der Menschheit', wie die Unesco mehrdeutig formuliert) dürfe nicht vorsätzlich verändert werden. Nun enthält dieser Genpool aber zahllose Variationen und ist zudem weder stabil noch durch einen ihn nobilitierenden Mechanismus entstanden. Begriffe wie Menschenwürdeverletzung und Menschheitsinteressen verstehen sich jedenfalls dort nicht von selbst, wo es sich um die Korrektur von krankmachenden Mutationen handelt."

Ein Hologramm tourt durch Europa

Maria Callas ist auferstanden. Ohne Gen-, aber mit 3-D-Technik. Als Hologramm tourt die Opernsängerin gerade durch Europa und tritt gemeinsam mit Orchestermusikern aus Fleisch und Blut auf. Noch sei die Illusion alles andere als perfekt, urteilt Michael Stallknecht in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG über den Callas-Hologramm-Auftritt in London.
"Das der Stimme hinterherspielende Orchester klingt lebloser als die Orchester in den Monoaufnahmen, weil es eben nicht auch seinerseits die Sängerin beeinflussen kann."
Auch verbeuge sich die virtuelle Callas manchmal noch, während das reale Publikum schon gar nicht mehr klatsche. Das einzige Callas-Deutschlandkonzert dieses Jahres, das für Freitag in Hamburg geplant war, wurde abgesagt. Der Grund? Jedenfalls ganz sicher nicht gesundheitliche Probleme der Sopranistin.
Mehr zum Thema