Aus den Feuilletons

Mit dem Rosenkranz zum Sieg

Das Bild zeigt jubelnde kroatische Fußballspieler nach dem Halbfinalsieg über England.
Jubel: Kroatien steht im Finale der Fußball-WM. © imago/Lavandeira
Von Arno Orzessek · 12.07.2018
Kroatien steht im Fußball-Finale, überraschend. Hatte Gott seine Hand im Spiel? Das vermutet zumindest der Trainer der Mannschaft. Das Feuilleton beschäftigt sich deshalb mit dem Verhältnis zwischen Fußball und höherer Macht.
Zunächst zum Fußball. Und näher zu Zlatko Dalic, dem Trainer der kroatischen Nationalelf, die am Sonntag gegen Frankreich um den Weltmeister-Titel spielt. Vielleicht haben Sie das Halbfinale Kroatien gegen England gesehen und erinnern sich: Während Dalic in der Coaching-Zone stand, hat er seine Hand oft in die Hosentasche gesteckt.
Was natürlich trivial wäre und an dieser Stelle keiner Erwähnung wert, wenn in Dalics Hosentasche nichts oder nur ein Taschentuch gewesen wäre. Doch wie die Tageszeitung DIE WELT berichtet, befand sich dort ein Rosenkranz, konkret: eine Kette mit weißen Perlen.

Fußball und der liebe Gott

Lucas Wiegelmann zitiert aus einem Interview, das Dalic einem katholischen Radiosender in Kroatien gegeben hat: "Alles, was ich in meinem Leben und in meiner professionellen Karriere getan habe, verdanke ich meinem Glauben und ich bin dem Herrn dafür dankbar. Wenn ich merke, dass es schwierig wird, stecke ich meine Hand in die Tasche und halte mich [am Rosenkranz] fest. Dann empfinde ich auf einmal alles leichter."
Indessen zögert der WELT-Autor Wiegelmann, den überraschenden Erfolg des kroatischen Trainers und seines Teams allein religiösen Ursachen zuzuschreiben.
"Wie viel Anteil der liebe Gott an einzelnen WM-Spielen nimmt, ist umstritten. Der renommierte Theologe Eberhard Schockenhoff gab schon während der WM 2014 in Brasilien zu bedenken: 'Die Theologie ist skeptisch, Gott zu sehr in die menschlichen Angelegenheiten hineinzuziehen. Wenn er allwissend ist, weiß er sowieso, wer Weltmeister wird.'"
Aus Gründen der Chancengleichheit würden wir dem französischen Trainer Didier Deschamps trotzdem zuraten, über das Mitführen eines Rosenkranzes nachzudenken.

Späte Verschmelzung

Wir bleiben beim Existenziellen, wechseln aber zur Wissenschaft. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG wirft die Frage auf: "Beginnt Menschsein später?" Eben darauf – auf einen späteren Beginn – weisen Untersuchungen der Heidelberger Zellbiologen Jan Ellenberg und Judith Reichmann hin.
"Dabei kam zutage", so der FAZ-Autor Joachim Müller-Jung, "dass die vermeintliche Verschmelzung der beiden elterlichen Vorkerne mit dem Genmaterial, [also] von Samen- und Eizelle, für eine gewisse Zeit gar nicht wirklich stattfindet. Die zu einer Einheit zusammengerückten Chromosomen mit ihren väterlichen und mütterlichen Genen sind in Wirklichkeit zuerst noch getrennt. Anders gesagt: Vater und Mutter sind noch immer nicht vereint."
Für die Reproduktionsmedizin und die Gesetzgebung könnte diese Entdeckung, die jüngst im amerikanischen Wissenschaftsmagazin "Science" veröffentlich wurde, namhafte Konsequenzen haben. Ein Punkt bleibt allerdings noch zu klären: Verzögert sich die Verschmelzung auch bei der menschlichen Empfängnis? Bislang wurde das Phänomen nämlich nur bei Ratten nachgewiesen.

Die Sprachen der Tiere

Falls Sie jetzt die Stirn runzeln: Hey, was ist das denn heute für eine Kulturpresseschau? Erst Fußball und Rosenkranz-Frömmelei, dann Zellbiologie und Ratten! Nun denn! Im Folgenden geht es uns um "Die Sprachen der Tiere".
Ein Buch der niederländischen Philosophin Eva Meijer, das Nico Bleutge in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG unter der aussagekräftigen Überschrift "Geschnaubte Adjektive" vorstellt.
"Das ist das Grandiose an Meijers Buch", so Bleutge. "Sie drückt den Tieren nicht die Vorstellung einer überlegenen menschlichen Sprache auf, wie das vor allem in der philosophischen Tradition üblich war, sondern geht den umgekehrten Weg. Indem sie Sprachtheorien von de Saussure bis Chomsky diskutiert, entwickelt sie eine Idee von Sprache, die den Menschen wie den Tieren gleichermaßen gerecht zu werden versucht. Eine ihrer Stützen ist der späte Wittgenstein, der in seinen Schriften annahm, Sprache sei nur über ihren jeweiligen Gebrauch zu verstehen."
Wir empfehlen Ihnen die Lektüre des ganzen SZ-Artikels und gerne auch des Meijer-Buches, müssen allerdings eines vorwegnehmen: Wenn Sie glauben, Sie könnten demnächst mit ihren Goldfischen übers Wetter reden – das wird nichts! Goldfische quatschen nur untereinander. Und sie sprechen kein Deutsch.
Okay. Sollten Sie jetzt eine kleine Aufmunterung gebrauchen – die SZ titelt: "Häng nicht so rum."
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