Aus den Feuilletons

Mathe lernen, ohne dass es wehtut

04:09 Minuten
 Ein Schulkind steht nachdenklich vor Gleichungen an einer Schultafel.
Mathe - für viele Kinder ein Graus. Ein neues Buch zeigt, dass man den Stoff auch anders vermitteln könnte. © Imago/Thomas Eisenhuth
Von Gregor Sander · 05.07.2020
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Weil wir zehn Finger haben, rechnen wir im Dezimalsystem, erklärt der Mathematiker Albrecht Beutelspacher in der „Welt“ - und beweist, dass sein Fachgebiet keine trockene Wissenschaft ist.
Wer die Mathematik für eine trockene Wissenschaft hält, sollte vielleicht das Buch "Null, unendlich und die wilde 13. Die wichtigsten Zahlen und ihre Geschichte" des emeritierten Professors für Diskrete Mathematik und Geometrie, Albrecht Beutelspacher, lesen. Diese Schlussfolgerung lässt das Interview von Wieland Freund in der Tageszeitung DIE WELT zu, in dem der Wissenschaftler sein Werk so erklärt.

Subkutan Mathe begreifen

Schließlich "lernt man in dem Buch subkutan ja auch ein bisschen Mathematik. Die Mathematiker erfahren ein bisschen was über Kulturgeschichte, und die anderen lernen ein bisschen Mathematik, ohne dass es wehtut". Mathe subkutan lernen, ohne dass es wehtut! Das ist natürlich der Traum eines jeden Abiturienten mit Leistungskurs Kunst und Sprachen, also der Traum späterer Feuilletonleser.
Daher gehen wir hier mal ein bisschen ins Detail: "Das eigentliche Rechnen fängt aber mit der 3 an?" fragt Wieland Freund - ohne, dass man das verstehen muss. Dafür ist die Antwort umso klarer: "Pythagoras würde sagen, sogar die Zahlen fangen eigentlich mit der 3 an, obwohl wir heute auch die 1, die 2 und die 0 zu den Zahlen zählen. Denn die 3 ist die erste Zahl, die gewissermaßen ein Ganzes darstellt. Man kann das am Dreiklang sehen – drei Töne, die perfekt harmonieren."
Na also, geht doch. Und wer sich hier im Nachhinein bei einer glatten 1 im Angstfach wähnt, versteht auch das Folgende: "Fünf Finger, fünf Zehen, die zehn Finger beider Hände: Dass wir im Dezimalsystem rechnen, hat ganz bestimmt entscheidend damit zu tun, dass wir zehn Finger haben. Sonst hätten wir auch ein anderes Stellenwertsystem nehmen können, zur Basis 12 etwa oder zur Basis 60."

Die AHA-Formel gegen Corona

Leider ist nicht das ganze Leben so eine klare Sache wie die Mathematik. Das lernen wir am folgenden Beispiel in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:
"Jetzt hat sich das Gesundheitsministerium die AHA-Formel gegen Corona ausgedacht. Sie wird großzügig im öffentlichen Raum plakatiert und soll uns – zu Recht – drei Privatmaßnahmen gegen die Pandemie eintrichtern." Soweit sind sich Gesundheitsminister und SZ-Kritiker noch einig, aber im Detail wird es lustig:
"Das erste A steht für 'Abstand', H bedeutet 'Hygiene' und das letzte A meint, hm, genau: die 'Alltagsmaske'." Das ergibt natürlich diese schöne Vorschulmerkformel AHA, aber ist inhaltlich doch etwas sehr herbeigewünscht oder wie es Gerhard Matzig formuliert:
"Alltagsmaske. Genau. Nur: Was tragen wir jetzt am Sonntag?"
Aber zumindest hat er einen Gegenvorschlag parat: "Wäre die HAHAHA-Formel am Ende nicht doch besser gewesen? Haltet Abstand, haltet Abstand, haltet Abstand!"

Sommerurlaub in Deutschland

Mit diesem nötigen Abstand werden viele Deutsche ihren Sommerurlaub in der Heimat verbringen. Was Paul Ingendaay in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zu folgender Überschrift verleitete: "Schlimme Tage in Scharbeutz".
Ob das tatsächlich schlimmer wird als "Marode Wochen auf Mallorca" oder "Normales Zelten in der Normandie" weiß man natürlich erst hinterher. All den Hiergebliebenen empfiehlt der FAZ-Autor als Reiselektüre Heinrich Heine, weil der schon vor zweihundert Jahren so viele schöne Sätze über Deutschland als Reiseland schrieb. Wie diesen hier:
"Es sind wahrlich mehrere Flaschen Poesie dazu nötig, wenn man in Berlin etwas anderes sehen will als tote Häuser und Berliner."

Eine mutlose Hengameh Yaghoobifarah

Etwas mehr Poesie, Mut und Witz möchten wir noch Hengameh Yaghoobifarah von der TAZ zurückwünschen. Nachdem sie für ihre Polizei-auf-den-Müllpatz-Kolumne schwer gescholten wurde, schreibt sie in der aktuellen TAZ eine Kolumne über eine amerikanische Schlappensorte:
"Einen wirklich angemessenen Anlass, um Crocs zu tragen, gibt es nicht, wenn wir ehrlich sind. Also schließe ich daraus, dass jeder Raum ein geeigneter ist, um mit Crocs an den Füßen einen Auftritt hinzulegen."
An so viel Harmlosigkeit wollen wir nörgeligen Feuilletonleser uns natürlich auch wieder nicht gewöhnen und schließen daher mit dieser Überschrift aus der SZ als Schreibauftrag: "Genieß dein Leben, versau es – und tanze".
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