Aus den Feuilletons

"Make Love": Mit dem Zweiten liebt man besser?

Die Füße eines Paares im Bett
"Make Love" heißt die neue Aufklärungsreihe im ZDF. © imago / McPhoto
Von Paul Stänner · 27.07.2015
Einst im MDR zu sehen, nun im ZDF: Die Aufklärungsreihe "Make Love" soll "dem Mainzelmann-Sender neuen Schwung verleihen", meint der "Tagesspiegel", während die "Welt" ein "Ratgeber-Format in typischer ZDF-Manier" befürchtet.
Die WELT vermeldet, dass der Bayerische Rundfunk die Literatursendungen "Lesezeichen" und "Lido" einstellen will. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels habe protestiert, er finde, Literaturvermittlung trage "zur Meinungsbildung in der Gesellschaft bei", daher sei die Abschaffung der Sendungen ein "Armutszeugnis". Dass im Geltungsbereich der CSU die Meinungsbildung verarmt, könnten Sie als regelmäßige Deutschlandradio-Hörerinnen und –hörer ganz entspannt hinnehmen, wenn sich nicht ein Trend ankündigen würde.
Die FAZ präsentiert nämlich eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung über die dritten Programme von MDR und WDR mit dem Ergebnis: Sie "senden Boulevardprogramme in einem Ausmaß, dass sie Privatsendern kaum nachstehen". Bis zu 70 Prozent Informationssendungen behaupten die Sender von ihren Dritten, aber: "Selbst unter Berücksichtigung von Ratgebersendungen liege der Anteil nur bei 50 Prozent (WDR) und 37 Prozent (MDR)."
Da eine frühere Studie anhand von SWR und NDR schon einmal zu einem ähnlichen Ergebnis kam, müssen wir die Frage stellen, ob nicht den Dritten ebenfalls ein "Armutszeugnis" auszustellen sei. Natürlich sehen wir alle gern mal alte Kamellen - aber dafür Gebühren zahlen?
"Die Eroberung von Mexico" ist ein feuilletonistisches Muss
"Die Eroberung von Mexico" in der Vertonung von Wolfgang Rihm ist ein feuilletonistisches must. Aztekenkönig Montezuma und Konquistador Cortez singen im Widerstreit. Regisseur Peter Konwitschny, glaubt Regine Müller in der TAZ, "reizt die postmoderne Offenheit von Rihms Oper bis an die Grenzen aus, krempelt munter um, ignoriert Wesentliches, schießt giftige Ironie-Pfeile ab und dringt doch durch zu neuer Brisanz". Bei besagter Brisanz geht es wohl um die Deutung der - Zitat - "Gewalt innerhalb des Geschlechterverhältnisses", die - Zitat - "ein Spiegel der Gesellschaft ist und vice versa", was irgendwie schon wahnsinnig brisant klingt.
Eleonore Büning in der FAZ ist besonders der Aztekenkönig aufgefallen, der sein Klagelied mit den Anwürfen "Ihr seht nur Gold, ... ihr alle hungert und dürstet nur nach Gold ...", gegen Cortez, aber erkennbar auch gegen das Salzburger Premierenpublikum schleudert. Brüning wundert sich: "Das Krasseste aber ist wohl, dass niemand nach dieser klassischen Publikumsbeschimpfung aufsteht und geht."
Selbst nach der Pause seien alle zurückgekommen, um sich beunruhigen zu lassen und das Ende zu erleben. Da sitzen Montezuma und Cortez: - Zitat - "nebeneinander auf dem Klippansofa, wie Tristan und Isolde oder wie Loriot und die Hamann, singen von tobender Stille und anderen Unvereinbarkeiten wie unerschöpflicher Liebe. Das ist der schmale Silberstreif Hoffnung, mit dem wir entlassen werden."
"Make Love" erlöste den MDR aus seinem "'Musikantenscheune'-Trauma"
Wie klug war das Publikum, dass es erwartungsfroh sitzen blieb. Das ZDF hat eine Sendereihe gekapert. "Was den MDR dank zweier Staffeln aus seinem 'Musikantenscheune'-Trauma erlösen konnte", vermutet Joachim Huber im TAGESSPIEGEL, "soll dem Mainzelmann-Sender neuen Schwung verleihen."
Woraus wir schließen dürfen, MDR und die anderen ARD-Sender, die die Reihe "Make love" nicht mehr haben wollten, hätten ihrer Meinung nach bei weitem genug Schwung aufgenommen. Was für eine verwegene Selbsteinschätzung! Anderseits: Huber sieht die mit Beispielen und Ratschlägen ausgestattete Reihe als Bildungsprogramm: In der Sendung "Liebe machen kann man lernen" liege die Betonung auf der Pädagogik, für ihn gleich bedeutend mit der "Praxis der Lust". Und das gilt schon als "neuer Schwung"?
In der Welt kritisiert Airen, dass wir ein Ratgeber-Format in typischer ZDF-Manier erwarten müssen, denn: "In seinem politisch korrekten Bestreben, einen Beitrag zur Enttabuisierung zu leisten, ist das am Ende dann aber doch wieder so lockerspießig wie der 'Love & Sex'-Part der „Cosmopolitan", so schonungslos aufklärerisch wie die Sendung mit der Maus, so geil wie ein Gänseblümchen."
Und jetzt dürfen Sie diskutieren, ob das eventuell auch ein „Armutszeugnis" ist.
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