Aus den Feuilletons

Männerschau in Berlin

04:12 Minuten
Ein Mann geht über eine Strasse
Auch dieses Bild aus der Serie „Christopher Street“ von Sunil Gupta wird im Gropiusbau gezeigt. © Sunil Gupta & VG Bild-Kunst, Bonn 2020; all rights reserved, DACS 2019
Von Ulrike Timm · 19.10.2020
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Im Berliner Gropiusbau befasst sich die Foto-Ausstellung "Masculinities" mit Formen von Männlichkeit. Die FAZ findet die Auswahl der Bilder spannend. Geboten werden: Muskeln, Cowboys, Soldaten. Und ein weißer, schlaffer, behaarter Hintern.
Ironie einer traurigen Geschichte: Im Frühjahr 2021 wird der Fischer-Verlag einen Essayband von Monika Maron herausbringen. Titel: "Was ist eigentlich los?"
Los ist, so viel scheint sicher, dass der Fischer-Verlag "die Beziehung zu seiner Autorin im Sande verlaufen" lassen wollte – der Essayband mit alten Texten der Schriftstellerin wäre dazu der Nachklapp gewesen. Eine weitere Zusammenarbeit aber soll es nach dem Willen des Verlages nicht geben.
Was eine 40-jährige Bindung von Verlag und Autorin beendet, Monika Maron spricht von "Rausschmiss". So etwas ist im Literaturbetrieb in der Tat absolut ungewöhnlich, zumal Maron eine der bedeutendsten deutschen Schriftstellerinnen zumindest war.

Sturköpfige und Polemikerin

In den letzten Jahren hat sich Maron sehr scharf islamkritisch bis rechtskonservativ geäußert, vor allem aber hat sie ein anderes Buch im Dunstkreis eines rechtsextremistischen Verlages herausgebracht – damit will nun wieder ihr Verlag keinesfalls in irgendeine Verbindung gebracht werden. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG widmet dem Vorgang eine komplette Seite und spricht von einer traurigen, ja tragischen Geschichte.
"Monika Maron besitzt, wie manche Intellektuelle, die in beiden deutschen Staaten Karriere gemacht haben, eine unerschütterliche Treue zur eigenen Überzeugung. Das ist nicht zynisch gemeint, sondern es bezeichnet eine Charaktereigenart, die sich von der Diskurswendigkeit vieler ihrer Kolleginnen und Kollegen unterscheidet. In einer Zeit, da Verlage bei kritisch aufgenommenen Büchern postwendend Erklärungen ihres politischen Harmoniebestrebens abgeben, tritt eine Sturköpfige und Polemikerin wie Monika Maron auf ein Minenfeld": So beschreibt es Hilmar Klute.
Auch Marie Schmidt findet es - ebenfalls in der SZ - wenig klug und vorausschauend, wenn der Fischer Verlag meint, sich in dieser Weise von der Autorin trennen zu können. Und meint: "Einem Verlag wie S. Fischer wäre es absolut zuzutrauen, diesem Werk einen würdigen, möglicherweise auch kommentierenden Ort zu geben. Dass er es nicht mehr schafft, dieser Verantwortung für das Werk einer solch bedeutenden Autorin nachzukommen, ist kein gutes Zeichen für das literarische Leben in Deutschland."
Und damit zu etwas ganz anderem, Schnitt!

Formen der Männlichkeit in Berlin

"Mann sein war auch schon mal einfacher", lesen wir in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.
Da kann die Pressebeschauerin naturgemäß nicht mitreden, aber der Untertitel: "Diverser geht’s nicht: Der Gropius-Bau zeigt alle Formen der Männlichkeit" macht doch neugierig, was also gibt es zu gucken?
"Es beginnt mit einem nackten Hintern. Ein Männer-Po, und was für einer: schlaff, weiß, behaart." Nun ja. Muss man nicht mögen, weiß aber, dass es das gibt, und die Auswahl ist noch größer: "Da gibt es Archetypen: Muskeln, Cowboys, Soldaten. Ein ölverschmierter Typ mit nacktem, sehnig-muskulösem Oberkörper und Reifen in der Hand guckt mit verlangendem Blick in die Kamera."
Noch mal: nun ja. Aber nun kommt’s, denn FAZ-Autorin Hannah Bethke findet die Schau diversester Männer so schlau gemacht wie aufschlussreich und schreibt:
"Das Wechselspiel zwischen herkömmlicher 'Männlicher Ordnung', wie eine der Abteilungen der Ausstellung heißt, und der Dekonstruktion von Rollenzuschreibungen ist nicht etwa deshalb so spannend, weil der Gedanke so neu wäre, sondern weil die Bildauswahl besticht und überzeugt."
Bis zum 10. Januar können Sie gucken, ob Schlaffpopos und Muskelspiel der Ausstellung "Masculinities" der Erkenntnis aufhelfen.

Computerspiele im US-Wahlkampf

Kurz noch zur schönsten Überschrift des Tages: In der WELT beschäftigt sich Adrian Lobe mit der Rolle, die Computerspiele im US-Wahlkampf haben, sie könnten sogar mit entscheiden im Präsidentschaftsrennen. Das ist ein so gewichtiges wie auf dem Bildschirm mitunter gewalttätiges Thema – aber die Überschrift dürfen Sie auch gerne einfach mal fröhlich im Kopfe kneten, sie lautet: "Darf man digitale Tomaten werfen?"
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