Aus den Feuilletons

Männer sind die neuen Frauen

Ein Hinweisschild in der New Yorker U-Bahn untersagt Männern das breitbeinige Sitzen (9.2.2015).
Männern ist das breitbeinige Sitzen in der U-Bahn nicht erlaubt. Ist das schon diskriminierend? © dpa / picture alliance / Andrew Renneisen
Von Gregor Sander · 11.06.2017
Steckt der Mann an sich in der Krise oder ist es das neue Männerbild, das den modernen Mann frustriert? Junge Männer empfinden sich jedenfalls neuerdings als die Verlierer der Gesellschaft und wegen ihres Geschlechts diskriminiert, schreibt die "SZ".
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG sieht den Mann in der Krise und widmet diesem Thema einen Schwerpunkt in ihrer Onlineausgabe. Zum Auftakt schreibt Julian Dörr auch im gedruckten Feuilleton unter dem kalauernden Titel:
"Die Krone der Erschöpfung"
... über eine männliche Weltbevölkerung, die nicht mehr bei sich ist. Denn:
"Männer sehen sich als Verlierer, im Leben, im Job. Einer amerikanischen Studie zufolge fühlen sich mehr männliche Millennials, also Männer zwischen 18 und 34, im Arbeitsleben wegen ihres Geschlechts diskriminiert als Frauen. Männer halten ihre Aufstiegschancen für beschränkt, weil Frauen bevorzugt würden."
Dass dies eine sehr subjektive Wahrnehmung ist, weiß natürlich auch Dörr:
"Unter den hundert reichsten Menschen der Welt finden sich zehn Frauen. In den Vorständen deutscher Dax-Unternehmen sitzen 45 Frauen insgesamt 630 Männern gegenüber."
Aber was genau stimmt denn mit den Männern nicht? Folgt man den Argumenten der SZ, dann ist es eher ein Männerbild, das in der Krise steckt. Denn das Verschwinden der Industrie und der Schritt hin zu einer service- und dienstleistungsorientierten Gesellschaft, macht den Herren angeblich zu schaffen. So sehr, dass der Schweizer Soziologe und Männerforscher Walter Hollstein fordert:
"Mehr Respekt für männliche Tugenden wie Risikobereitschaft, Selbstbeherrschung und Arbeitswillen."

Debatten um alte Zöpfe

Aber heißt das, dass Frauen risikoarm, ohne jede Selbstbeherrschung und faul sind? So einfach ist es dann zum Glück doch nicht. Aber wann ist es schon einmal einfach? Selbst bei der Wahl der Frisur, kann man heute ins Abseits geraten, ist in der TAZ zu lesen:
"Der Zopf gilt als Symbol für Heimatverbundenheit, Weiblichkeit, Tradition und sonst noch alles mögliche andere. Schluss damit! Überlassen wir diese tolle Frisur nicht denen, die sie als Botschaft für unmenschliche Politik nutzen wollen!"
Aber was soll man machen, wenn das Haupthaar sich nicht rapunzelgleich formen lässt? Egal, meint Ninia Lagrande. Hauptsache Zopf machen. Denn rechtsextreme Frauen missbrauchten den "Zopf als Zeichen für Treue und Reinheit."
Und weil die sich so bezopft in den sozialen Medien zeigen, fordert die TAZ-Autorin:
"Flechten wir uns wieder die Haare und ziehen den Zopf aus diesem eklig-nationalsozialistischen Sumpf, in den er gerade sehr tief eingetaucht wird."
Wer nicht mehr weiß, wie es geht, dem hat die TAZ eine Illustration in fünf Bildern zum Zopfflechten neben ihren Aufmachertext gedruckt.

Loyal gegenüber ihrem Stand

Der Regisseur Ken Loach hat ganz altmodisch Wahlkampf für Labour und deren Spitzenkandidat Jeremy Corbyn gemacht. Jetzt freut er sich in der Tageszeitung DIE WELT über den Verlust der absoluten Mehrheit von Theresa May, betont aber auch:
"Die Tories besitzen ein hohes Klassenbewusstsein, ein viel höheres als Labour. Sie sind ihrem Stand gegenüber loyal. Meine Vermutung geht dahin, dass May ein halbes Jahr weitermachen darf und dann ersetzt wird."
Das deckt sich mit Friedrich Küppersbusch, der in der TAZ orakelt: "Boris Johnsons 'Ich unterstütze Theresa May' klingt schon stark nach Treueschwur zum fallenden Trainer nach der achten Heimniederlage."
Den Außenminister als zukünftigen Premierminister, sehen allerdings weder Küppersbusch noch Loach.

Major Tom nur ein Junkie?

Alle Feuilletons besprechen natürlich die letzte Premiere in der Volksbühne. René Pollesch beendet mit seinem Stück "Dark Star" die Ära Castorf und schön war es wohl ein letztes Mal, wenn man den Überschriften glaubt.
Einen "Krieg der Sternchen" hat der TAGESSPIEGEL gesehen. Die SZ behauptet "Major Tom war nur ein Junkie" der laut NEUER ZÜRCHER ZEITUNG "Auf Textschleifen durchs All gesurft" ist. Doch eigentlich ging es allen gar nicht mehr um Pollesch, um Martin Wuttke und das Stück und so schreit die Überschrift der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG dem Volkbühnen-Ensemble hinterher: "Wo geht ihr denn jetzt hin?"
Kein Trost also für die Fans der alten Volksbühne. Oder wie Eva Behrendt den Abend in der TAZ zusammenfasst: "'Hauptsache, wir gehen auf kein anderes Raumschiff' – so viel Nibelungentreue muss wohl sein, bevor die Volksbühne in aller gebotenen Coolness auf einem Surfbrett im All verglüht."
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