Aus den Feuilletons

Machen Smartphones dumm?

Ein trauriger Smiley auf einem Handy.
Smartphones sind schlecht für die Konzentration. Die Lesekompetenz der Kinder nimmt ab. Was tun? © imago/Hollandse Hoogte/Jaap Arriens
Von Klaus Pokatzky · 18.08.2018
Inwieweit unterscheiden sich Menschen von Affen? Darin, dass sie als einzige Lebewesen aktiv Wissen weitergeben, ist in der "ZEIT"-Beilage "Christ und die Welt" zu lesen. Doch was nützt diese Fähigkeit, wenn die Lesekompetenz rasant abnimmt?
"Genaugenommen müsste überhaupt jeder zum Lobbyisten fürs Lesen werden." Das lasen wir in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG und schöner könnte die lobbyistische Mühe des Kulturpresseschauers kaum beschrieben werden. "Zwanzig Prozent aller Zehnjährigen können hierzulande nicht richtig lesen", war aber der tieftraurige Inhalt des Artikels. "Sie sind nicht in der Lage, den Inhalt eines Textes zu verstehen. Sie fügen die Buchstaben zusammen, doch den Sinn erkennen sie nicht", schrieb Sandra Kegel mit großer Besorgnis:

Von Platz 5 auf Platz 21 abgerutscht

"Zumal Deutschland im internationalen Ranking weit zurückgefallen war, von Platz fünf im Jahr 2001 auf Platz 21." Doch wo die Sorge ist, naht das Rettende auch. Die hanseatische Kinderbuchautorin Kirsten Boie hat eine "‘Hamburger Erklärung‘ veröffentlicht, in der die Politik zum Handeln aufgefordert wird: Lesen und Lesenlernen müssten sehr viel stärker in den Fokus gerückt werden."
Drei Menschen stehen nebeneinander auf einem Bahnsteig und gucken auf ihre Smartphones
Menschen, die auf Smartphones starren. Fast eine Stunde täglich verbringen die Menschen in den Sozialen Netzwerken.© rawpixel auf unsplash.com
Im Internet ist Kirsten Boies Initiative "Jedes Kind muss lesen lernen!" zu finden. "Am Weltkindertag Ende September sollen die dort gesammelten Unterschriften der Bundesbildungsministerin und der Kultusministerkonferenz übergeben werden." Aber eines können die lieben Kleinen ja wohl alle: munter auf ihren Smartphones herumtasten – und das mit einem Geschick, wo wir alten Leseratten nur einfach neidisch werden können.

Smartphones schlecht für die Konzentration

"Es gibt gute Hinweise darauf, dass allein die Anwesenheit von Smartphones die Fähigkeit zur Konzentration und zur Rezeption längerer Texte reduziert", relativiert da die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG. "Untersuchungen zeigen, dass das Phänomen sogar zu einer sozialen Spaltung führt", schreibt Frank Rieger.
"Während Kinder aus gebildeten Haushalten eher lernen, mit der Versuchung der digitalen Aufmerksamkeitsfresser umzugehen, ist es gerade in sozial schwachen und bildungsfernen Schichten zur Normalität geworden, dass die Kinder mit Tablets oder Smartphones ruhiggestellt werden, damit sie nicht nerven." Ceterum censeo, liebe Kinder, das heißt: Was ich jetzt sage, sage ich schon seit ewigen Jahren – wir brauchen endlich ein Schulpflichtfach namens Medienkunde. Sonst verblödet Ihr nachher immer mehr.

Nur Menschen geben Wissen aktiv weiter

"Was ist der Mensch?", fragte CHRIST UND WELT – die Beilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. "Ein aufrecht gehender Affe", antwortete der niederländische Zoologe und Anthropologe Carolus Philippus "Carel" van Schaik. "Wir sind die Menschenaffenart, die angefangen hat, sich gegenseitig zu helfen. Nahrung zu teilen. Informationen zu teilen. Sprache zu entwickeln. Affeneltern lehren nicht aktiv, ihre Kinder schauen sich nur das Notwendige ab. Einzig wir Menschen geben Wissen aktiv weiter."

Geiselnahme von Gladbeck

Und gelegentlich wird der Menschenaffe dabei wieder zum völligen Primaten. "Kein anderes Verbrechen in der deutschen Rechtsgeschichte geschah vor so viel Publikum", stand in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Aufgebracht, entsetzt, erschüttert, hilflos und sensationsgeil zugleich hat es das Drama verfolgt."
Der Entführer Hans-Jürgen Rösner steht mit einer Pistole in der Hand vor einer Traube von Journalisten, die ihm Mikrofone entgegenstrecken und mit Kameras filmen.
Der Gladbeck-Entführer Hans-Jürgen Rösner beantwortet am 17.08.1988 Fragen von Journalisten.© dpa / Thomas Wattenberg
So erinnerte Heribert Prantl an die Geiselnahme von Gladbeck vor dreißig Jahren – wo die Medien über Tage eine Geschäftsbeziehung mit zwei Schwerverbrechern eingingen. "Der ins Fluchtauto zugestiegene Kölner Express-Reporter Udo Röbel, später Chefredakteur der Bild-Zeitung, fragte die Geisel Silke Bischoff, wie sie sich denn so fühle mit der Pistole am Hals."

Lehre von Gladbeck: Ergänzung des Pressekodex

Das hat nicht nur der Vertreter des Boulevards damals gemacht, muss vollständigkeitshalber hinzugefügt werden – diese Frage haben auch Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gestellt. "Als Lehre aus Gladbeck hat die Presse unter Federführung des Presserats mit der Innenministerkonferenz der Länder Regeln für Polizei und Medien formuliert, die bis heute verbindlich sind", war im Berliner TAGESSPIEGEL zu lesen:
"Journalisten dürfen frei und unabhängig berichten, aber nicht eigenmächtig in das Geschehen eingreifen oder gar polizeiliches Handeln behindern", schrieb Bernd Gäbler und zitierte den nach Gladbeck ergänzten Pressekodex des Deutschen Presserats: "Interviews mit Tätern während des Tatgeschehens darf es nicht geben."
Auch das ist etwas unvollständig. Bis heute steht da nicht, dass es vor allem keine "Interviews" mit Opfern eines Verbrechens geben darf – während ihnen eine Pistole an den Hals gehalten wird.

Zum Tod von Aretha Franklin

"Was für eine Frau!", rief die Tageszeitung DIE WELT aus: "Eine Eva in der Welt des Soul" – "die größte Pop- und Soul-Stimme des 20. Jahrhunderts" war zu würdigen. Aretha Franklin war nach jahrelangem Kampf gegen den Krebs verstorben. "Wir brauchen alle einander. Das war Franklins Credo, das sie gleichzeitig energisch und gefühlvoll vortrug", schrieb Josef Engels.
Aretha Franklin
Aretha Franklin ist am Donnerstag gestorben.© AFP
"Getauft in den Wassern des Gospels und inspiriert von Martin Luther King, der im Haushalt ihres Vaters ein- und ausgegangen war wie auch Mahalia Jackson oder Sam Cooke, sang sie selbstbewusst fauchend davon, was der weibliche und der afroamerikanische Teil der USA gerade am nötigsten brauchte: Kein Mitleid, keine faulen Ausreden. Respekt."

Black Power

Den erweist auch Mathias Döpfner. "Da sind der Stolz und die Unbeugsamkeit der schwarzen Künstlerin, die zum Symbol der Bürgerrechtsbewegung im Zeichen der Black Power wird", schreibt der Vorstandsvorsitzende des Springer-Verlages und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger in der WELT AM SONNTAG:
"Und da ist natürlich die Vorkämpferin der Emanzipation, die 1967 mit ihrer subversiv veränderten Version von Otis Reddings Song 'Respect' der Frauenbewegung ihre frühe Hymne gibt."
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