Aus den Feuilletons

Kurt Masur - Der versöhnende Dirigent

Kurt Masur spricht während eines Gesprächsforums am 22.10.1989 im Leipziger Gewandhaus - v.l. Bernd-Lutz Lange (l-r), Dr. Roland Wötzel, Dr. Peter Zimmermann, Prof. Kurt Masur, Dr. Jochen Pommert und Dr. Kurt Meyer.
Kurt Masur © picture alliance / Waltraud Grubitzsch
Von Ulrike Timm · 20.12.2015
Der Tod von Kurt Masur hallt in den Feuilletons nach. Mit seinen besonnenen Worten hat der Dirigent den friedlichen Protest im Herbst 1989 in Leipzig maßgeblich mit geprägt. Und so würdigt ihn die "Welt" mit der Überschrift: "Der Dirigent der Wende".
"Vor kurzem war Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in Bremen, um Pingpong zu spielen."
Das ist der FRANKFURTER ALLGEMEINEN einen langen Artikel wert, denn natürlich "war es kein gewöhnliches Pingpong, sondern digitales Ampel-Pingpong. Wenn man an der roten Fußgängerampel steht, so die Idee zweier junger Designer, soll man mit jemandem auf der anderen Straßenseite mittel Touchscreen den Videospiel-Klassiker spielen und so die Wartezeit verkürzen. Dem Minister hat es gefallen".
Musste es ja auch, mutmaßt die FAZ, schließlich ist digitales Ampelpingpong preisgekrönt, von der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft. Die steht dafür, dass Kunst und Kommerz keine Gegensätze sind, will, so wörtlich "Impulsgeber, Kuppler, Kleber und Übersetzer sein".
Digitales Ampelpingpong als impulsgebender Kuppler – könnte klappen, das leuchtet der Pressebeschauerin noch ein, das mit dem Kleber versteht sie nicht und die Frage, ob die Pingpongspieler die nächste Grünphase verpassen, bleibt ungeklärt. Die FAZ äußert jedenfalls große Zweifel an dieser finanziell wohl gut ausgestatteten und bundesweit organisierten Initiative, deren inhaltlicher Sinn und Zweck jedoch sich nicht recht erschließt.
Einige Kreative haben wohl gelernt, dass sie auch Unternehmer sind. Das ist nett. Andere bezeichnen die regelmäßigen Zusammenkünfte "als eine Art unternehmerische Selbsthilfegruppe", eine ziemlich teure, wirft die FAZ da gleich ein, und bei der medialen Auswertung z.B. des Ampelpingpong mit Minister liegen Wirtschafts- und Kulturstaatsministerium wohl recht häufig im Clinch miteinander – kurzum, der Sache fehlt es wohl an Kern. Meint jedenfalls die FRANKFURTER ALLGEMEINE, und zieht dieses Fazit:
"Womöglich wäre das Geld besser beim Ausbau von schnellen Internetleitungen investiert, ohne die kaum ein Kreativunternehmer heute gut arbeiten kann."
Die Tatort-Toten des Jahres 2015
Ob die Zählung der diesjährigen Tatort-Toten auf die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft zurückgeht, verrät die TAZ nicht, meldet aber getreulich, dass es der Fernsehkrimi 2015 auf 111 Leichen brachte. Deutlich weniger als im vergangenen Jahr übrigens. Die meisten Tatort-Toten wurden erschossen. Und die mit Abstand meisten Leichen im liebsten Krimi der Deutschen gab’s zu Ostern - was Statistiker nicht alles zählen am Ende eines Jahres...
Vielleicht sollte die Deutsche Welle, die neuerdings auch für Flüchtlinge in Deutschland sendet, lieber die Lindenstraße mit Untertiteln zeigen als den Tatort. Da geht es alltäglicher zu, und Flüchtlinge mit dem Alltagsleben in Deutschland vertraut zu machen, ist erklärtes Ziel.
"Wer zu uns kommt, der muss sich nicht mehr auf Al-Dschasira oder Al-Arabija beschränken, wenn er wissen will, was auf der Welt los ist."
So erläutert Intendant Limbourg der TAZ das neue Integrationsfernsehen der Deutschen Welle.
Das Feuilleton würdigt Kurt Masur
Sämtliche Feuilletons würdigen in sehr ausführlichen Nachrufen den am Sonnabend im Alter von 88 Jahren verstorbenen Dirigenten Kurt Masur, die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zeichnet Leben und Wirken Masurs gar auf einer kompletten Seite nach.
"Der Dirigent der Wende" , titelt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, "Ein Pult-Gott, ein friedlicher Revolutionär" die WELT. Natürlich erinnern alle Autoren daran, wie Kurt Masur – gemeinsam mit fünf Mitstreitern, aber wohl klar federführend – im Oktober 1989 mäßigend wirkte, damals, als die Furcht groß war, dass das SED-Regime die größte aller Leipziger Montagsdemonstrationen mit blutiger Gewalt niederschlagen würde.
"Der Dirigent, der im Crescendo der Revolution das Innehalten befahl", so nennt es Peter Richter in der SÜDDEUTSCHEN. Fast ein Vierteljahrhundert war Kurt Masur Gewandhauskapellmeister in Leipzig, der Konzertsaal geht auf seine Initiative zurück. Nicht von ungefähr prangt der Spruch des jüngeren Seneca am Gebäude des Gewandhauses, "Res severa verum gaudium", von der NEUEN ZÜRCHER übersetzt:
"Nur Ernsthaftigkeit schafft wahre Freude".
Das hat Kurt Masur gelebt und vermittelt, seinen Musikern, seinem Publikum, seinen Zeitgenossen. Danke!
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