Aus den Feuilletons

Kultfigur der ukrainischen Hippies

September 1970: Der amerikanische Gitarrist Jimi Hendrix spielt bei dem Pop-Festival "Love and Peace".
September 1970: Der amerikanische Gitarrist Jimi Hendrix spielt bei dem Pop-Festival "Love and Peace". © picture alliance / Dieter Klar
Von Adelheid Wedel · 10.10.2014
Während die "taz" mit dem ukrainischen Schriftsteller Andrej Kurkow spricht, der Jimi Hendrix und den Hippies ein literarisches Denkmal setzt, fragt die "FAZ": "War Hildebrand Gurlitt ein Saboteur?"
"War Hildebrand Gurlitt ein Saboteur?" Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG berichtet von der Hamburger Tagung "Markt und Macht. Kunsthandel im Dritten Reich", die neue Einsichten zum Schwabinger Kunstfund gab. Vor allem der Vortrag der Kunsthistorikerin Meike Hoffmann erregte Aufmerksamkeit. Er stand unter dem Titel "Doppelt kassiert – eine Form der Sabotage?" und beleuchtete Gurlitts Handel mit "entarteter Kunst".
"Sabotage, Opportunismus, Profitgier oder erzwungene Kollaboration – all das sind Begriffe, die bisher als Motive des Kunsthändlers für seine weitreichenden Aktivitäten im Nationalsozialismus angeführt wurden." Gurlitt, so viel wurde im Verlauf des Vortrags deutlich, gehörte nicht nur zu den vier Händlern, die mit der Verwertung der aus Museumsbesitz beschlagnahmten "entarteten" Kunst beauftragt wurden. "Gurlitt verkaufte das Meiste, insgesamt knapp 4000 Werke. Er besaß weitreichende Kompetenzen" und so blieben Unregelmäßigkeiten, etwa bei Abrechnungen, unbemerkt.
Bei manchen Vorgängen drängt sich die Frage auf: "Wurde hier doppelt kassiert?" Auf genaue Nachfrage aber wollte sich Meike Hoffmann nicht festlegen. Darüber wundert sich die Autorin Julia Voss. "Sollten das die wichtigsten Forschungsergebnisse der prominentesten Gurlitt-Expertin in der Taskforce sein? Warum kein Wort zur Raubkunst?"
Nicht hinter der Forschung verschanzen
Christian Fuhrmeister vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München informierte die Öffentlichkeit über ein bisher unbekanntes Dokument aus dem Jahr 1946. "Demnach wurden nach dem Krieg Kunstwerke im Wert von insgesamt 500 Millionen Dollar an das Ausland restituiert. In Bayern verblieben dagegen Werke im Wert von 300 Millionen Dollar." Voss kritisiert weiter: "Noch immer gibt es in Deutschland kein Gesetz, keine unabhängige Instanz, keine Anlaufstelle für Erben, die Ansprüche erheben."
Deswegen die Forderung: "Das neue Zentrum für Kulturgurverluste darf sich nicht hinter der Forschung verschanzen", es sollte auch "für die Erben" da sein, "deren Anliegen im Zentrum aller Anstrengungen stehen müssten."
Die Tageszeitung TAZ veröffentlicht ein Interview mit dem ukrainischen Schriftsteller Andrej Kurkow zu seinem Roman "Jimi Hendrix live in Lemberg". Zum Romantitel sagt er: "Die Musik von Jimi Hendrix war in der Sowjetunion verboten, wie andere Rock- oder Jazzmusik auch. Hendrix war eine Kultfigur der ukrainischen Hippies." Der Autor fasst die Situation in der Ukraine in die poetischen Sätze: "Es waren die Soloschritte von einzelnen Menschen, die niemals, auch nicht in Zeiten der ewig währenden Sowjetunion, in der Lage gewesen waren, in Reih und Glied zu marschieren. Hippies waren in der Sowjetzeit unpolitische Dissidenten. Sie wurden beobachtet, kontrolliert, ihre Kultur wurde verboten, manchmal wurden sie verhaftet." Ihnen setzt Kurkow mit seinem Roman ein Denkmal.
Trauer um Udo Reiter
Die Zeitungen vom Wochenende trauern um Udo Reiter, den Gründungsintendanten des Mitteldeutschen Rundfunks. "Er fing bei weniger als null an, musste sich mit Stasi- und SED-Altlasten plagen und mit wenig Geld ein Programm auf die Beine stellen", würdigt die FAZ seine Leistung für den Sender. Die BERLINER ZEITUNG zitiert Reiters Nachfolgerin Karola Wille: "Ein Visionär sei er gewesen, der mit Kraft, Überzeugung und politischem Geschick den gerade erst formierten neuen politischen Strukturen in den neuen Bundesländern eine publizistische Stimme gegeben hat." Verschiedentlich wird darauf verwiesen: "Was er für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geleistet hat, seine Pionierleistung, sein Mut – das wurde bei seinem Rücktritt 2011 nicht vollständig gewürdigt."
Udo Reiter selbst sagte einmal: Die Jahre in Leipzig seien die schönsten seines Lebens gewesen.